Kurzbericht vom 14. Prozesstag - Mord an Mouhamed Lamine Dramé durch Dortmunder Polizei

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Am 19.12.2023 startete der Prozess gegen 5 Polizist*innen, die bei dem tödlichen Einsatz, bei dem Mouhamed Lamine Dramé erschossen wurde, involviert waren. Der Schütze muss sich wegen Totschlags, 3 Beamt*innen wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt und der Einsatzleiter zu Anstiftung dieser, verantworten. (Aktenzeichen: 39 Ks 6/23)
Der Solidaritätskreis Justice4Mouhamed begleitet den Prozess kritisch und unterstützt die Familie Dramé.

Der 14. Prozesstag (05.06.2024) in Kürze:

Im folgenden Bericht werden Aspekte der Tat vom 8. August 2022 benannt.

  • Jeanine Denise B., angeklagt wegen schwerer Körperverletzung, gab heute ihre Einlassung. Sie hat das Pfefferspray gegen Mouhamed eingesetzt und so die statische Lage in eine Spirale der Gewalteskalation gebracht.
  • Bei ihrer Einlassung gibt sie an, einen Großteil des Geschehens im Innenhof weder gesehen noch gehört zu haben aufgrund des Gebüschs hinter dem Zaun. Bis sie an den Zaun herantrat um das Pfefferspray gegen Mouhamed einzusetzen, konnte sie laut eigener Aussage, Mouhamed noch nicht einmal sehen. Das bedeutet sie sah nicht in welcher Position er sich befand oder wie er sich verhielt. Dass er ein Messer in der Hand hielt, wusste sie nur aus Funksprüchen der Kolleg*innen. Das heißt, sie ist der Dienstanweisung gefolgt und hat das Pfeffer eingesetzt, ohne weder einen Überblick über die Gesamtsituation zu haben, noch eine Selbsteinschätzung zu Mouhameds suizidalen Absichten vornehmen zu können und dadurch die Angemessenheit der Anweisung hinterfragen zu können.
  • Ich frage mich täglich ob ich anders hätte reagieren können. Hätte ich besser treffen müssen mit dem Pfefferspray? Das fragen wir uns alle.“ Die Angemessenheit des Einsatzes hinterfragt sie nicht. Der Einsatz des Pfeffersprays sei „zweckmäßig“ gewesen.
  • Die Vertretung der Nebenklage fragt hartnäckig nach, warum B. den Einsatz nicht hinterfragt – aus Sorge als unkollegial zu gelten? Die Angeklagte weicht den Blicken der Nebenklage aus und bricht in Tränen aus. Nach kurzer Unterbrechung geht es weiter.
  • Die Vernehmung durch die Polizei Recklinghausen dauerte damals 2,5-3 Stunden. Angefertigt wurde ein 1,5 Seiten langes Protokoll. Darin stehen keine Fragen an die Angeklagte (damals als Zeugin vernommen). Es liest sich, laut Nebenklage, wie ein einziges Statement der Angeklagten. Auf die Konfrontation damit, hat diese keine Erklärung dafür.
  • Zwei Mitarbeiterinnen der Jugendhilfeeinrichtung sagen als Zeuginnen aus. Beide haben den Einsatz von dem Wohnzimmer der Einrichtung aus beobachtet.
  • Sie erzählen von der kurzen Zeit, die sie mit Mouhamed hatten. Gemeinsam haben sie einen Ausflug zu einer Trampolinhalle gemacht, wo Mouhamed sichtlich Spaß hatte und sich an der Slackline ausprobierte. Gerne saß er im Innenhof der Wohngruppe und hörte Musik über Lautsprecher. Sie erzählen auch, dass er sich jedoch auch viel zurück zog. In der Einrichtung war bekannt, dass bei Mouhamed „psychische und physische Spuren von der Flucht“ vorhanden waren – Symptome einer PTBS, sowie Verletzungen, welche medizinisch behandelt werden mussten.
  • Die Aussagen der beiden Zeuginnen werden von Staatsanwaltschaft sowie Verteidigung in Frage gestellt und ihnen ihre Glaubwürdigkeit abgesprochen. Kleinste Unstimmigkeiten in ihren Aussagen werden als Indiz für ihre Unglaubwürdigkeit genommen.
  • Beide Zeuginnen schätzen Mouhamed „zu keinem Zeitpunkt als Gefahr für andere ein, eher für sich“.
  • Am Ende des Prozesstages gibt Verteidiger Brögeler erneut eine Prozesserklärung ab. Er beschuldigt die Zeugin Kira H. der absichtsgeleiteten Falschaussage. Das macht er an angeblichen Widersprüchen in den Aussagen der Zeuginnen fest, sowie daran, dass eine „bestimmte Gesinnung“ der Zeugin sichtbar wurde, da sich scheinbar in einer Social Media bubble bewege, für die schon von vornherein klar war „was passiert ist, weil klar war, was nicht sein durfte“. Damit meint er, dass Mouhamed eine Gefahr für die Polizei gewesen sei. Er bezieht uns solidarische Prozessbeobachter:innen in seine Erklärung mit ein und wirft uns mediale Stimmungsmache gegen die Angeklagten vor. Wir hätten von vornherein gewusst was passiert sei „weil [wir] so schlau [sind]“ und nur ein gewünschtes Ergebnis zulassen könnten. Brögeler beendet seine Erklärung mit der Beleidigung einer Einzelperson aus dem Publikum. Daraufhin bricht Tumult im Gerichtssaal aus und Richter Kelm beendet eilig den Prozesstag.
  • Weiter geht es am Freitag (!), den 14. Mai, ab 9:30. Die letzte Angeklagte, Pia Katharina B. wird am kommenden Gerichtstermin ihre Einlassung machen. Wir freuen uns wie immer über solidarische Prozessbeobachter:innen (Eingang Hamburger Straße 11) sowie Teilnahme an unserer Mahnwache ab 7:30 vor dem Gericht (Kaiserstraße 34). Der Einlass zum Verfahren beginnt erfahrungsgemäß gegen 8:15. Um sicher einen Termin im Gerichtssaal zu bekommen lohnt es sich allerdings schon früher vor Ort zu sein.
  • Alle Folgetermine bis September siehe:
    https://justice4mouhamed.org/prozessbegleitung/

Radio Nordpol Podcast zum 14. Prozesstag:

https://radio.nrdpl.org/2024/06/10/vierzehnter-prozesstag-im-fall-der-to...

In dieser Podcast Folge kommen kritische Stimmen von Britta Rabe vom Komitee für Grundrechte und Demokratie, einer Person vom Arbeitskreis Kritische Jurist*innen Köln sowie Alex vom Solidaritätskreis Justice4Mouhamed zu Wort. Außerdem wird in dieser Folge den durch Polizeigewalt in Mannheim getöteten Ante P. und Ertekin Ö. gedacht: Die Angehörigen von Ante und Ertekin kämpfen, wie viele andere, für Anerkennung und Gerechtigkeit.

 

Spendenkampagne:

https://www.betterplace.org/de/projects/131472-prozessteilnahme-der-fami...

Dank der Hilfe aller Spender:innen ermöglichen wir seit Januar 2024 zwei Brüdern von Mouhamed, Sidy und Lassana Dramé, die Begleitung des Gerichtsprozesses in Dortmund. Einreise, Unterbringung, Verpflegung und die Prozessteilnahme der beiden Brüdern ist nur durch Solidarität möglich - dafür möchten wir uns ganz herzlich bedanken!

Wir konnten das Visum der Brüder verlängern - das hat einige Kosten verursacht und war nur Dank der Spenden möglich. Sidy und Lassana haben nun die Möglichkeit für die Dauer des gesamten Prozesses in Deutschland zu bleiben. Als Solidaritätskreis fühlen wir uns verantwortlich, ihren Aufenthalt zu ermöglichen. Dafür benötigen wir Geld um Miete, Lebensmittel und vieles mehr zu ermöglichen. Daher läuft unsere Spendenkampagne weiter und wir bitten alle diese zu teilen!

 

 

 

 

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