Kurzbericht vom 13. Prozesstag - Mord an Mouhamed Lamine Dramé durch Dortmunder Polizei

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Am 19.12.2023 startete der Prozess gegen 5 Polizist*innen, die bei dem tödlichen Einsatz, bei dem Mouhamed Lamine Dramé erschossen wurde, involviert waren. Der Schütze muss sich wegen Totschlags, 3 Beamt*innen wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt und der Einsatzleiter zu Anstiftung dieser, verantworten. (Aktenzeichen: 39 Ks 6/23)
Der Solidaritätskreis Justice4Mouhamed begleitet den Prozess kritisch und unterstützt die Familie Dramé.

 

Der 13. Prozesstag in Kürze:

 Im folgenden Bericht werden Aspekte der Tat vom 8. August 2022 benannt.

 

 • Am 22.05.2024 fand die Einlassung des wegen Totschlag angeklagten Schützen, Fabian S., statt. Dieser ist seit dem 1. September 2022 vom Dienst suspendiert.

 • Der Prozesstag beginnt mit der Verlesung eines Beschlusses der Kammer bezüglich der Prüfung des Beweisverwertungsverbotes. Die Kammer hat entschieden, dass im weiteren Verlauf des Prozesses individuell entschieden wird, ob die damals als Zeug*innen getätigten Aussagen der Angeklagten verwendet werden können.

 • Darüber hinaus verkündet Richter Kelm, dass es weiterhin möglich sein wird, dass Zuschauer*innen analog mitschreiben.

 • Fabian S. Schilderungen über das Tatgeschehen reihen sich in die vorherigen Aussagen der Polizist*innen ein. Er rechtfertigt seine Schussabgabe damit, dass er sich „in dem Moment in [seinem] Leben bedroht gefühlt“ habe, durch das Messer in Mouhameds Hand.

 • Auch er bedient sich der Schuldumkehr, indem er behauptet, dass Mouhamed durch ein Tor im Zaun hätte fliehen können, anstatt auf die Polizist*innen zuzugehen. Hinter diesem Tor, auf der anderen Seite des Zauns, standen drei weitere Polizist*innen. Darüber hinaus behauptet er, dass wenn Mouhamed sich langsamer bewegt hätte, Zeit für einen Warnschuss gewesen wäre. Aufgrund der Bedrohungslage durch die kurze Distanz zwischen Mouhamed und den Polizist*innen, hätte es keine Zeit für einen Warnschuss gegeben. Wir sehen jedoch sowohl den vermeintlichen Zeitdruck als auch die geringe Distanz als selbst geschaffen durch das Vorgehen der Polizei. Die durch ihr taktisches Vorgehen resultierenden, tödlichen Handlungen waren vermeidbar und sind in ihrer Verantwortung – nicht Mouhameds.

 •Makaber mutet S. Schilderung über die Schussabgabe an: “Man ist froh, wenn man überhaupt trifft.” Er habe auf die Körpermitte Mouhameds gezielt, da aufgrund dessen Laufbewegungen die Treffsicherheit/Trefferquote verringert werde und somit die größte Körperfläche anvisiert werde.

 •Aufgrund der Nachfrage durch die Staatsanwaltschaft wird erstmals deutlich, dass Fabian S. sich bereitwillig erklärt hat als Sicherungsschütze zu fungieren. In saloppem Sexismus erklärt er den Anwesenden – ohne seiner Kollegin Pia B. nicht zu nahe treten zu wollen - habe er die MP5 genommen, da er nicht wusste, wie lange der Einsatz gehe und die Maschinenpistole auf die Dauer schwer werde.

 • Durch eine Vorhaltung der Nebenklage aus Chatprotokollen des Angeklagten erschließt sich, dass dieser am 16.08.2022 zu einem Schießtraining gegangen ist und Schießübungen mit einer MP5 absolviert hat.

 •Während des Verhandlungstages betont Fabian S. immer wieder die Rechtmäßigkeit des Tatgeschehens am 08. August und stellt ihr Vorgehen nicht in Frage.

 •Er hat das geplante Vorgehen bei der Einsatzbesprechung nicht hinterfragt – auch nicht, ob der Einsatzplan für eine suizidgefährdete Person geeignet ist. Für ihn gab es nur die Option, dass Mouhamed das Messer fallen lässt, wenn das Pfefferspray eingesetzt wird und er hat nicht daran gedacht, dass Mouhamed versuchen könnte aus der Situation zu fliehen.

 •Am Ende der Verhandlung bittet der Angeklagte darum kurz etwas sagen zu dürfen. Er richtet seine Worte direkt an die anwesenden Brüder Sidy und Lassana und entschuldigt sich bei der ganzen Familie Dramé für den Tod Mouhameds und spricht ihnen sein Mitgefühl aus.
Die Entschuldigung ist bei den Brüdern angekommen und sie behalten es sich vor eine Antwort auf diese demnächst zu veröffentlichen. Für uns als Solidaritätskreis erkennen wir an, dass Sidy und Lassana das erste Mal während des Gerichtsprozesses direkt angesprochen werden und eine Anerkennung ihres Leids zur Sprache kommt. Das war ihnen ein wichtiges Anliegen. Es sollte jedoch nicht unbeachtet bleiben, dass dieses Statement strategisch klug gesetzt war – sowohl medial, als auch in Bezug auf sein zu erwartendes Strafmaß. Der Angeklagte erzeugt durch das Statement eine Menschlichkeit, welche sein (anhaltendes) Leid durch die Tat zentriert und somit Identifikationspotenzial für die Verfahrensbeteiligten, Zuschauer*innen als auch Medien bieten soll. Diese Instrumentalisierung des Leids der Familie Dramé weisen wir entschieden zurück!

 •Die Verteidiger der angeklagten Polizistinnen Pia Katharina B. und Jeanine Denise B. verkündeten, dass weiterhin unklar ist, ob ihre Mandantinnen noch Aussagen tätigen werden.

Weiter geht es am Mittwoch, den 5. Juni um 9:30. Dort sollen zwei weitere Mitarbeiter*innen der Jugendhilfeeinrichtung befragt werden. Wir freuen uns wie immer über solidarische Prozessbeobachter*innen (Eingang Hamburger Straße 11) sowie Teilnahme an unserer Mahnwache ab 7:30 vor dem Gericht (Kaiserstraße 34). Für die Teilnahme am Prozess empfiehlt sich, schon gegen 7:30 vor Ort zu sein, um sicher einen der ca. 50 Plätze zu bekommen. Alle Folgetermine bis September siehe https://justice4mouhamed.org/prozessbegleitung/

 

Radio Nordpol – Podcast Beitrag zum 13. Prozesstag

Die Folge des Podcasts beginnt mit einem Statement von Defund The Police Dortmund zum aktuellen Verfassungsschutzbericht NRW 2023 sowie einer Pressemitteilung vom Justice Collective Berlin, dem Solidaritätskreis Justice4Mouhamend und der Defund the Police Gruppe Dortmund, die für diesen Prozesstag einen Flyer entworfen darüber entworfen haben, dass von deutschen Gerichten keine Gerechtigkeit zu erwarten ist.
https://radio.nrdpl.org/2024/05/29/dreizehnter-prozesstag-im-fall-der-toetung-von-mouhamed-lamine-drame/

Vielen Dank an das Radio Nordpol Team!!

 

Spendenkampagne:
Dank der Hilfe aller Spender:innen ermöglichen wir seit Januar 2024 zwei Brüdern von Mouhamed, Sidy und Lassana Dramé, die Begleitung des Gerichtsprozesses in Dortmund. Einreise, Unterbringung, Verpflegung und die Prozessteilnahme der beiden Brüdern ist nur durch Solidarität möglich - dafür möchten wir uns ganz herzlich bedanken!

Wir konnten das Visum der Brüder verlängern - das hat einige Kosten verursacht und war nur Dank der Spenden möglich. Sidy und Lassana haben nun die Möglichkeit für die Dauer des gesamten Prozesses in Deutschland zu bleiben. Als Solidaritätskreis fühlen wir uns verantwortlich, ihren Aufenthalt zu ermöglichen. Dafür benötigen wir Geld um Miete, Lebensmittel und vieles mehr zu ermöglichen. Daher läuft unsere Spendenkampagne weiter und wir bitten alle diese zu teilen!

https://www.betterplace.org/de/projects/131472-prozessteilnahme-der-fami...

 

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