Aktionstage gegen Amazon und das Cyber Valley: 10. Sept. bis 10. Okt. 2019
Der Großkonzern Amazon ist Teil des Forschungsverbandes Cyber Valley in Tübingen. Um voll in die Verwertung der hiesigen KI-Forschung einzusteigen, ist nun der Bau eines firmeneigenen Forschungszentrums auf der Oberen Viehweide im Norden der Stadt geplant. Gebaut werden soll auf einer Fläche, die bislang der Stadt Tübingen gehört. Daher soll der Gemeinderat am 10. Oktober entscheiden, das Grundstück an die Reisch GmbH zu verkaufen, um dort für Amazon zu bauen. - Das wollen wir verhindern!
Amazon ist eines der umstrittensten Unternehmen weltweit. Es forscht systematisch an Technologien, die Datenschutz und Arbeitnehmer*innenrechte unterlaufen. Amazon betreibt viele Geschäftbereiche defizitär in der Absicht, eine Monopolstellung zu erlangen. Das Unternehmen hat ein Interesse daran, uns als Individuen, Gewerbetreibende, Unternehmen und staatliche Stellen von seinen Dienstleistungen abhängig zu machen. Das US-Verteidigungsministerium, die Bundespolizei, Banken, Verkehrsbetriebe und der Laden um die Ecke sehen sich jetzt schon dazu gezwungen, die Dienste von Amazon, Amazon Web Services, zu nutzen.
Amazon gilt als Vorreiter dessen, was als Überwachungs- oder auch Plattformkapitalismus bezeichnet wird. Es gehört zu den weltweit wertvollsten Unternehmen und sein Chef, Jeff Bezos, gilt mit über 130 Mrd. US$ Privatvermögen als reichster Mensch der Welt. Zugleich ist Amazon für eine offensive Strategie der Steuervermeidung bekannt.
Amazon ist kein guter Nachbar und kein guter Partner für die Forschung an künstlicher Intelligenz. Das Cyber Valley zielt ohnehin auf eine anwendungsnahe, gewinnorientierte Forschung und die schnelle Umsetzung neuer Forschungsergebnisse in die Praxis ab. Zwei Direktoren des ebenfalls am Cyber Valley beteiligten, mit öffentlichen Mitteln finanzierten Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme stehen bereits jetzt nebenberuflich auf der Gehaltsliste des Großkonzerns. Mit Amazon als Partner des Cyber Valley und dem geplanten Forschungszentrum in Tübingen wird die hiesige Forschung unweigerlich zu mehr Überwachung und weniger Datenschutz, zu mehr Kommerzialisierung und weniger Freiheit in der Forschung führen. Alles Gerede von ethischer Reflektion der Forschung wird durch die enge Verknüpfung von Universität und Unternehmensinteressen und die angestrebte schnelle Umsetzung in die Praxis ad Absurdum geführt. So ist z.B. nicht ersichtlich, wie verhindert werden soll, dass die Tübinger Forschung in die Kriegführung des Pentagon einfließen könnte, wo Amazon Web Services doch eben solche Dienste des Maschinellen Lernens für die Datenverarbeitung der US-Streitkräfte bereitstellen will (Projekt JEDI).
Um den Monopol-, Überwachungs- und schlussendlich Allmachtsphantasien von Amazon, dem endgültigen Ausverkauf der Forschung und der Verdrängung der Armen und Schwachen aus der Stadt zu Gunsten der sogenannten „besten Köpfe“ zu verhindern, wollen wir den Druck auf den Gemeinderat erhöhen. Damit wollen wir dessen Mitgliedern auch einen Weg eröffnen, den Verkauf des Baugrundstücks doch noch abzulehnen und damit einen Fehler von historischer Dimension zu vermeiden.
Während am Tag der Entscheidung, dem 10. Oktober, vom Bündnis gegen das Cyber Valley bereits eine Demonstration angemeldet wurde, rufen wir vom 10. September bis zur entscheidenden Gemeinderatssitzung zu einem Aktionsmonat gegen Amazon auf. Wir fordern alle auf, diese Zeit für Infostände, Gespräche mit Nachbar*innen, Kolleg*innen, Mitstudierenden und Gemeinderät*innen und Aktionen in der Stadt, auf der oberen Viehweide und darüber hinaus zu nutzen.
Ein Ort für Koordination und Absprachen der Aktivitäten könnte das öffentliche Treffen des Bündnisses gegen das Cyber Valley am 5. September sein. Wir freuen uns jedoch auch über weitere, unabgesprochene Interventionen und Aktionen.