Athen: Wichtige Ankündigung der Versammlung der Prosfygika-Besetzung an der Alexandras Straße

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Prosfygika ist der Name eines Häuserkomplexes im Zentrum von Athen, direkt neben dem Polizeihauptquartier G.A.D.A, dem Athener Berufungsgericht, dem Fußballstadion von Panathinaikos F.C. und den Krankenhäusern ELPIS und Ag. Savvas. Der gesamte Komplex hat eine Grundfläche von 1,4 Hektar und seine 179 Wohneinheiten sind größtenteils besetzt und bewohnt.

 

 

 

Seit 2002, als der neue Zyklus aus Repression und Plünderung unter dem Vorwand der Stadterneuerung anlässlich der bevorstehenden Olympischen Spiele 2004 begann, dauern die staatlichen Bemühungen zur Rückeroberung des Viertels ununterbrochen an.
Die Versuche, unsere Nachbarschaft zu verkaufen und abzureissen, scheiterten mit der offiziellen Anerkennung des Viertels als architektonisches und geschichtliches Nationaldenkmal. Es folgte der Versuch, die Nachbarschaft durch die Invasion kleiner Drogengangs unter Protektion der G.A.D.A. auszuhöhlen und die Freiräume durch sie auszubeuten.

Eine Antwort auf die neuen Pläne zur Unterdrückung waren die Besetzungen und damit einhergehend die neuen Leute, die innerhalb der Nachbarschaft arbeiten. Einige dieser Leute waren später unter den Gründer*innen der Gemeinschaft und der Versammlung der Prosfygika-Besetzung (Sy.Ka.Pro). Ihr Engagement, das Leben in die Nachbarschaft gebracht hat, dauert nun schon zehn Jahre an. Die Selbstorganisierung, die 400 bis 500 dauerhaften Bewohner*innen, die kommunalen Strukturen (Versammlungsräumlichkeiten, kollektive Küche, kollektives Containern, kollektive Bäckerei, Internet, Kindergarten und Café) haben aus der Nachbarschaft die zahlen- und flächenmäßig größte Besetzer*innengemeinschaft auf dem griechischen Territorium gemacht, die darüber hinaus Teil von sozialen, Klassen- und und internationalen Kämpfen ist.

Jedoch gab es neben den direkten staatlichen Angriffen auch noch andere Strategien zur Zerstörung des Widerstandes und der kollektiven Kämpfe der Squatter*innen: das unterbrechen von Strom- und Wasserversorgung, politische Gerichtsprozesse gegen Besetzer*innen etc. Eine bedeutende Rolle bei all dem spielten auch die Auswirkungen innerer Konflikte, die in der Bewegung durch die Unterdrückung der Squats während der rechten Regierung von Samaras, aber auch mit dem Eintreten der „linken“ SYRIZA-Regierung, ausgelöst wurden.

All das bisher genannte kulminierte in drei unterschiedlichen, jeweils verschiedenartigen Wellen von Repression (2012, 2015, 2018), die mit Verlusten in der Nachbarschaft einhergingen, und der Belagerung sowie fehlgeschlagenen Invasion am 31.10/1.11.2016. Der Staat und die parteipolitischen Mechanismen wissen diese Begebenheiten sehr gut auszunutzen.

Während all dieser Jahre haben sowohl die Versammlung von Prosfygika (Sy.Ka.Pro) als auch die neuen Freund*innen durch ihre Teilnahme, ihre Entschlossenheit und Beharrlichkeit versucht, den befreiten Raum in der Nachbarschaft am Leben zu erhalten oder gar noch auszubauen. Durch die Kämpfe, die geschlagen wurden, durch die kollektiven Strukturen, durch die Beziehungen und die Enteignung von neuen Häusern haben wir heute das Ziel erreicht, in allen acht Blöcken, aus denen das Viertel besteht, die Gemeinschaft zu verankern.

Gleichzeitig bewegen sich die staatlichen und parteipolitischen Mechanismen in ihrer Feindschaft zu unserem Kampf und entwerfen neue Pläne für die Plünderung und Eroberung unseres Viertels. Wie es aussieht wird der neue Angriff, der bereits begonnen hat, der bisher schwerste. Die SYRIZA-Regierung hat in Zusammenarbeit mit den staatlichen Institutionen entschieden, in unsere Nachbarschaft zu intervenieren, um sie zu restrukturieren und damit die Besetzungen und die Besetzer*innen (Familien, Wohnungslose, Migrant*innen, politische Flüchtlinge und Organisationen, lokale Kämpfer*innen), die den Großteil der Nachbarschaft ausmachen, zu bedrohen.

Gleichzeitig besteht weiter die konstante Gefahr plötzlicher Invasionen in die Nachbarschaft (17.8.18, Ende Januar, Mitte Februar 2019). Auf gesetzlicher oder institutioneller Grundlage, was jedoch nie die Ebene der Bedrohung überstieg, durch mediale Ankündigungen und durch Initiativen verschiedener kultureller oder lokaler Vereine, durch technische Inspektionen etc.
Das gesamte Vorgehen wurde durch eine parlamentarische Abstimmung über einen Entwurf im vergangenen Monat besiegelt.

Unsererseits können wir auch behaupten, dass wir bereit sind, den neuen Plan der Gemeinschaft und Nachbarschaft in den kommenden Jahren durch die Verstärkung der bereits bestehenden und der Schaffung von neuen Strukturen und Projekten, durchzuführen. Wesentlich bleibt auch die breite und facettenreiche Solidarität der Bewegung, da die entscheidende Schlacht um die Rettung eines lebendigen Ort des Kampfes eine Sache ist, die uns alle angeht.

Um bessere Voraussetzungen dafür zu schaffen, unseren Boden und unsere Häuser gegen die Unterdrücker zu verteidigen, arbeiten wir an einem offenen Aufruf zur Unterstützung und Durchsetzung von Prosfygika. Wir wollen die kämpfenden Menschen, die organisierten Gruppen und jede*n einzelne*n Freund*in dazu aufrufen, politisch, personell und materiell Unterstützung zu leisten, um sowohl den Widerstand als auch eine Kampffront zur Verteidigung des befreiten Ortes der Prosfygika-Besetzung und ihrer politischen, organischen und operativen Autonomie gegen die Plünderung und die Unterdrückung durch den Staat zu formieren.

Auf Grund unserer neuesten Erkenntnissen bezüglich einer möglicherweise kurz bevorstehenden Invasion und Räumung des ersten und achten Blocks von Prosfygika für eine vorgeschobene Renovierung, die einen Versuch der stückweisen Übernahme der gesamten Nachbarschaft durch die Repressionsorgane darstellt, haben wir uns entschlossen, diesen Alarmierungstext zu veröffentlichen. Durch den Angriff auf diese zwei Blöcke würde eine Kettenreaktion von Verschiebungen und Änderungen ausgelöst, deren Endeffekt der komplette Fall unserer Nachbarschaft sein soll.

Es ist der Dringlichkeit dieses Aufrufes geschuldet, dass wir eine umfassende Analyse des Themas auf den kommenden offenen Solidaritätsaufruf verschieben. Dennoch sollten wir folgendes vergegenwärtigen:
-Sy.Ka.Pro regiert oder kontrolliert nicht die Nachbarschaft und versucht dies auch nicht
-die Rolle von Sy.Ka.Pro innerhalb der Nachbarschaft von Prosfygika ist es, eine dauerhafte Struktur in der auf Freiwilligkeit basierenden Verteidigung des Bodens zu sein sowie eine autonomen und frei organisierten Gemeinschaft zu schaffen
-der organisatorische und operative Zusammenhang von Sy.Ka.Pro verpflichtet nur diejenigen, die sich entschieden haben, Teil davon zu sein

Wir wissen, was auf dem Spiel steht:
-ob Prosfygika den kommenden Angriff als autonome, selbstorganisierte, kämpfende Gemscheinschaft überlebt oder nicht, wird sich auf den gesamten Plan der Restrukturierung und Gentrifizierung des Athener Stadtzentrum auswirken, genauso wie auf die auf Räumen basierenden radikalen Kämpfe
-die erfolgreiche Verteidigung der Prosfygika-Besetzung gegen die Repression und Plünderung liegt in der Verantwortung der gesamten organisierten Bewegung und der darin kämpfenden Menschen

Aus all den genannten Gründen versetzen wir die besetzte Nachbarschaft von Prosfygika in den Ausnahmezustand gegen mögliche Räumungseinsätze. Wir rufen Jede*n dazu auf, solidarisch für die Verteidigung des Befreiten Gebietes und der Gemeinschaft der Prosfygika-Besetzung einzustehen.
Autonomie und Freiheit für Prosfygika

 

Ampelokipi, der 31.3.19

 

Athener Versammlung der besetzten Prosfygika (Sy.Ka.Pro.)

 

 

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