Kommentar eines Sympathisanten

Assange und Wikileaks können in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden. Mit Assange wird Europa den USA auch die Freie Presse ausliefern. Wer sich nicht an die offizielle Erzählung über Assange hält, darf schon in Kürze Besuch von sechs starken Männern mit dunklen Sonnenbrillen erwarten.

Bevor Wikileaks im April 2010 das Collateral Murder Video veröffentlichte und uns damit eindrucksvoll die Gräuel von Petraeus' "Troop Surge" Strategie im Irak 2007 vor Augen führte, hatte kaum jemand von Assange oder Wikileaks gehört. Spätestens als dann im Juli die afghanischen und im Oktober 2010 die Kriegsberichte aus dem Irak folgten, war Wikileaks weltberühmt. Im November 2010 begann Wikileaks dann mit der Veröffentlichung von einzelnen US-Amerikanischen Botschaftsdepeschen. Was bis heute in den Berichten darüber oft untergeht ist die Tatsache, dass wir die "ungefilterte Massenveröffentlichung" aller 251.287 Dokumente genau genommen David Leigh verdanken, der das Passwort zum vollständigen ungeschwärzten Archiv in seinem Buch "WikiLeaks: Inside Julian Assange's War on Secrecy" abgedruckt hatte.

Wer die Medienberichte damals verfolgte, kam schnell zu dem Schluss, dass die traditionelle Medienwelt mit dieser Fülle an Information gar nicht umgehen konnte. Keine Zeitung konnte Journalisten dafür bezahlen tausende Dokumente zu studieren, die sehr viele Einsichten und Hintergründe zu den Jahren 2003-2010 lieferten. Medien arbeiten einfach anders. Man will ausschließlich "Neues" berichten, und Neuigkeiten über das Jahr 2010 sind einfach nicht tagesaktuell. Man begnügte sich mit Klatsch und Tratsch und so berichtete etwa der Spiegel, dass amerikanische Diplomaten meinten Angela Merkel "meide das Risiko" und wäre "selten kreativ", Karl-Theodor zu Guttenberg wäre ein "enger Freund der USA", etc. Die wirklich brisanten Geschichten ließ man in den Berichten eher aus.

Zum Beispiel hatte die US Regierung immer behauptet, man würde die Opfer ihrer Kriege in Irak und Afghanistan gar nicht zählen. Die Kriegsberichte beweisen das Gegenteil. 109,000 Kriegsopfer wurden in der Datenbank detailliert gespeichert, 66,081 davon Zivilisten. Die Kriegsberichte schildern Folter, Vergewaltigungen und Mord der irakischen Polizei und, dass es eine offizielle Anweisung (Frago 242) an amerikanische Soldaten gab diesen Missbrauch zu ignorieren.

Nicht überall blieben die Botschaftsdepeschen unbeachtet. So dürften auch die diplomatischen Berichte über den tunesischen Präsidenten Ben Ali und seiner korrupt regierenden "Familie" mit dazu beigetragen haben, dass das Volk dort gegen die Regierung rebellierte und letztlich Ben Ali nach Saudi-Arabien flüchten musste. Auch Hosni Mubarak musste im Februar 2011 zurücktreten als hundert-tausende Menschen den Tahrir-Platz in Kairo besetzten.

Andere von Wikileaks veröffentlichte Depeschen fanden leider nicht die Beachtung, die sie verdienten: Zum Beispiel wurde die spanische Regierung unter Druck gesetzt, damit diese die Bush Administration nicht wegen ihrer Folter-Politik gerichtlich belangen. Details zum Fall Khaled elMasri, einem Deutschen, der vom CIA entführt und gefoltert wurde. Dass amerikanische Diplomaten instruiert wurden biometrische Information von UNO-Diplomaten zu sammeln. Dass das FBI Ägyptens Sicherheitsdienst trainiert hatte Elektroschocks und Schlafentzug als Verhörmethode einzusetzen. Über Blackwater-Söldner, die am 14. Mai 2005 ein ziviles Auto unter Beschuss nahmen, den Vater töteten und Mutter und Tochter verletzten. Details über eine "Homeland Security Presidential Directive" von der man in vielen Zeitungen bis heute noch nicht einmal den Namen gelesen hat. u.v.a.m.

Schnell war klar, dass Wikileaks ein Problem für das Establishment darstellte, und als dann am 20. August 2010 zwei Frauen in Schweden die Polizei aufsuchten, weil sie Assange zu einem AIDSTest zwingen wollten (beide hatten laut eigenen Angaben einvernehmlichen Sex mit Assange), war bald klar wie man Assange zum Schweigen bringen wollte.

Die schwedische Zeitung "Expressen" titelte bereits am 21. August "Julian Assange wird in Schweden wegen Vergewaltigung gesucht". Das war der Startschuss für die Rufmord Kampagne gegen Assange, die bis heute anhält. Endlich konnten Zeitungen rund um die Welt das tun, was sie am besten können. Bis heute wurde Assange weder angeklagt noch verurteilt, aber das hat Journalisten noch nie daran gehindert den Ruf von Menschen zu ruinieren.

So schrieb etwa der Chefredakteur der New York Times, Bill Keller, am 30.1.2011 von Assanges "dreckigen weißen Socken" und dass er gerochen hat als ob er seit Tagen nicht gebadet hätte. Damals beschränkte sich die negative Presse noch hauptsächlich auf konservative Medien, die sich über die negative Darstellung von Bushs Kriegen ärgerte.

Als Wikileaks dann noch im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016 brisante E-Mails über die Kampagne der Demokratischen Kandidatin Hillary Clinton veröffentlichte, die als Außenministerin unter Obama „gescherzt“ haben soll, ob man nicht eine Drohne verwenden könne um Assange zu töten ( https://youtu.be/ErH29hrpqvg ), hat Assange auch noch die Demokraten gegen sich aufgebracht. Es wird ihm unterstellt, Wikileaks hätte damit Trump zum Sieg verholfen. Dass diese E-Mails illegale Machenschaften des Democratic National Committee belegen, scheint blind folgende Parteianhänger nicht zu stören. Der Sieg des eigenen Kandidaten steht über allem, auch über der Wahrheit. Lieber hätte man nicht erfahren, dass die Partei darüber beraten hat Clintons Gegenkandidat Bill Sanders über sein Religionsbekenntnis zu "besiegen", d.h. ihn in öffentlichen Foren zu fragen, ob er denn Jude oder Atheist wäre um bei den Baptisten in Kentucky und West Virginia zu punkten. Außerdem wurde in diesen E-Mails diskutiert, welche Parteispender welche Posten in Bundesgremien oder Kommissionen bekommen sollen. Andere E-Mails belegen, dass CNN und Politico Artikel vor deren Veröffentlichung vom Democratic National Committee geprüft wurden, ...

Nach Trumps Angelobung zum Präsidenten wurde die Rufmord Kampagne auch von progressiven Medien aufgenommen. Assange Charakter wurde zum Thema. Er sei ein "Narzist" und ein "schwieriger Charakter". Außerdem beweist seine Unkenntnis über die Bedeutung von drei runden Klammern in Twitter-Benutzernamen, dass er ein Antisemit sei.

Heute können wir mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass an der Sex-Geschichte in Schweden nichts dran ist, und Assange recht hatte mit seiner Vermutung, dass es nur darum ging ihn in die USA auszuliefern. Sieben Jahre lang wurde in dem "Sexfall" Assange ermittelt bis 2017 die Ermittlungen eingestellt und der europäische Haftbefehl von Schweden zurückgezogen wurde. Am 2. Mai 2019 soll Assanges Auslieferungsverfahren beginnen, allerdings nicht nach Schweden sondern in die USA, so wie er es von Anfang an prophezeit hatte.

Dutzende male durften wir in fast jeder Zeitung lesen, dass sich Assange doch einfach den schwedischen Behörden stellen soll. Immer wieder wurde behauptet, dass es aus den USA gar kein Interesse an Assange gäbe. Er wurde verspottet, weil er "sich selbst für das unschuldige Opfer einer politisch motivierten Verschwörung hält" (Die Presse vom 3.11.2011). "Diese (die USA) dementieren mittlerweile jedoch offiziell, dass Assange eine Anklage droht." (Kronen Zeitung vom 19.08.2012) "Doch einen Antrag der USA gibt es (noch) gar nicht." (Kurier vom 18.08.2012) "Assanges Befürchtung, eine Auslieferung nach Schweden würde seine Auslieferung in die USA mit der Todesstrafe als möglicher Konsequenz nach sich ziehen, weisen schwedische Rechtsexperten zurück." (Der Standard vom 17.08.2012)

Nach Assanges Festnahme hat es nicht einmal eine Stunde gedauert, schon wurde der Auslieferungsantrag aus den USA veröffentlicht. Einen Auslieferungsantrag aus Schweden gibt es nicht. Aus dem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh lässt er uns über seine Anwältin ausrichten: "Told you so" (Ich hab's euch doch gesagt.)

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