[HH] Farbangriff auf Mexikanisches Konsulat

Wir haben in der letzten Nacht das Mexikanische Konsulat in der Parkstraße 69 in Hamburg mit Farbe markiert.

Der mexikanische Staates treibt seit Jahren große Infrastrukturprojekte – vor allem im Süden des Landes – voran. Diese Projekte dienen der Erschließung neuer Territorien für die kapitalistische Ausbeutung, der Zerstörung und Transformation indigener Kultur sowie der Bekämpfung von Migration aus Mittelamerika in Richtung Norden (USA, Kanada).

Eines dieser Infrastrukturprojekte ist der so genannte „Tren Maya“ (Maya-Zug). Die 1500 km lange Strecke im Süden Mexikos verbindet die Städte Palenque und Cancún und führt durch die Bundestaaten Chiapas, Tabasco, Campeche, Yucatan und Quintana Roo. Begleitet wird das Bauvorhaben durch ein Autobahnprojekt im Bundesstaat Chiapas.

Für die Bahntrasse wurden bereits mehrere hundert Hektar Urwald gerodet und weitere werden folgen, was zu einer nachhaltigen Schädigung des Ökosystems führen wird. So befinden sich auf Teilen der geplanten Strecke die größten unterirdischen Süßwasserreservoirs Mexikos sowie die Lebensräume zahlreicher bedrohter Pflanzen- und Tierarten, unter ihnen der Jaguar. Allgemein gefährdet der Bau das komplexe ökologische Gleichgewicht der nahen Mangrovenwälder an der Küste und erhöht das Risiko von Schäden durch Hurrikanes und Überflutungen.

Doch nicht nur der Bau von Zugstrecke und Autobahn bedeutet eine direkte Bedrohung des Ökosystems. Politisch wird der „Tren Maya“ als touristische Attraktion verkauft. Entlang der Strecke sollen Hotels mitsamt der zugehörigen Infrastruktur entstehen, was einen weiteren erheblichen Eingriff in die teilweise geschützten Gebiete darstellen wird.
Außerdem begünstigt die Zugstrecke die Ansiedlung von Unternehmen, welche bisher wegen der fehlenden Infrastruktur keine Ausbeutung in der Region betreiben konnten. Besonders Landwirtschaftsbetriebe (Mastanlagen und Forstwirtschaft), aber auch der Zugriff auf Rohstoffe spielen eine Rolle.

Die Planung und Durchsetzung des Projekts durch die links-liberale Regierung unter Präsident Andrés Manuel López Obrador ist ein Zeichen staatlicher kolonialer Gewalt gegenüber der lokalen indigenen Bevölkerung. In zahlreichen Statements wurde gefordert, die indigene Bevölkerung bei der Bewertung der sozialen und ökologischen Risiken miteinzubeziehen. Dieses wurde durch die Autoritäten bis auf wenige symbolische Alibis missachtet. Vielmehr wird das Infrastruktur-Projekt als Teil der staatlichen Strategie zur Kontrolle und Unterdrückung indigener Kultur und Autonomie gewertet, indem es die Militarisierung der Region vorantreibt. So wurde der mexikanischen Armee die Verwaltung des „Maya-Zuges“ übertragen, was sie faktische zur Eigentümerin des Projekts macht und ihr die Gewinne daraus zukommen lässt. Die lokale Bevölkerung, darunter die Zapatistas, befürchten einen Anstieg der Repressionen und Übergriffe aufgrund der erhöhten Präsenz des Militärs.

Militärpräsenz und Zugänglichkeit der Region bedeuten aber nicht nur eine bessere Kontrolle, sondern auch eine effektivere Bekämpfung der Migration aus Süd- und Mittelamerika. Zug- und Autobahnprojekte bilden infrastrukturelle Barrieren für Flüchtende. Diese Barrieren bestehen einerseits in der Architektur der Infrastruktur selbst (Zäune und Mauern entlang von Bahntrassen und Autobahnen, Hochspannungsleitungen, Anlagen zum Schutz der Energie-Infrastruktur, etc.) und zum anderen in der angestrebte Urbanisierung des mexikanischen Südens (inkl. Ausbau des staatlichen Zugriffs).

Das Projekt „Tren Maya“ muss also als Teil eines „Krieges niederer Intensität“ gegen die verschiedenen indigenen Gemeinschaften in der Region verstanden werden. Dieser Krieg wird seit Jahrzehnten größtenteils durch paramilitärischer Gruppen gegen die Autonomiebestrebungen von Communities und Umweltaktivist*innen geführt. Die Verantwortung von Regierung, Militär und Großkonzernen als Auftraggeber*innen von Verbrechen (Morde, Entführungen, systematische Bedrohung, sexualisierte Gewalt, etc.) durch Paramilitärs im Süden des Landes, wurde vielfach dokumentiert und gilt als ein Grund dafür, dass Mexiko zu den gefährlichsten Ländern für Aktivist*innen zählt (1).

Zusätzlich begünstigen derartige Großprojekte den Handel mit Drogen und erhöhen den Einfluss von Kartellen in der Region, was sowieso schon zu ständigen Auseinandersetzungen mit der lokalen Bevölkerung führt. Wenn die lokale Bevölkerung im Zuge der zu befürchtenden Landnahme von ihren Formen des kollektiven Lebens abgeschnitten wird, begünstigt das den Einfluss der Kartelle. Wenn andere Formen des Überlebens unmöglich werden, geraten mehr und mehr Menschen in ökonomische Abhängigkeit von den Kartellen. Auch hier profitieren staatliche und militärische Strukturen durch die Verflechtungen mit dem internationalen Drogen- und Waffenhandel.

 

Beteiligung deutscher Unternehmen

Projekte wie die oben beschriebenen gibt es natürlich überall auf der Welt. Brisant und interessant wird es in Bezug auf unseren Kontext, wenn wir die Verflechtungen deutscher Unternehmen mit dem Projekt betrachten. Die Deutsche Bahn ist im Kontext von Klimawandel und der so genannten „Verkehrswende“ ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht die Mobilität auf der Schiene als grün und nachhaltig zu verkaufen. Dass das Bahnreisen nicht so grün wie die neuen ICE-Züge ist, scheint hier und da im Bewusstsein der Menschen anzukommen (2). Weniger bekannt ist das Engagement der Deutschen Bahn im Zusammenhang mit Infrastrukturprojekten auf der ganzen Welt, welche teilweise katastrophale soziale und ökologische Auswirkungen mit sich bringen. So tritt die DB Engineering & Consulting GmbH (das internationale Ingenieur- und Beratungsunternehmen der DB) im Zusammenhang mit der Planung des sog. „Tren-Maya“ in Erscheinung. Von Seiten der Deutschen Bahn wird eine Beteiligung an solchen Projekten gern verschleiert und kleingeredet (3). Doch auch wenn die DB „nur“ in der Planung der Zug-Baustelle engagiert ist: Die Beteiligung des deutschen Unternehmens an dem Projekt wird von den mexikanischen Autoritäten genutzt, um mit dem Argument „deutscher Professionalität“ dem Infrastrukturprojekt Legitimation zu verschaffen. Fakt ist: Die DB beteiligt sich an einem hochumstrittenen Bahn-Projekt mit schwersten Umweltfolgen und Menschenrechtsverletzungen.

Neben der DB beteiligen sich noch Siemens (Energieerzeugung und -übertragung, Elektrifizierung, Signaltechnik und Automatisierung, Bereitstellung der Züge) und der TÜV Rheinland (Sicherheitszertifizierungen) an dem „Tren Maya“.
Auch deutsche Rüstungsfirmen wie Heckler & Koch und die SIG Sauer GmbH & Co. KG profitieren indirekt von der Bauvorhaben: Als Eigentümerin des „Tren Maya“ bezieht die mexikanische Armee einen Großteil ihrer Waffen von den deutschen Herstellern.

 

Switch off the system of destruction!

Während überall von Klimaschutz gefaselt wird, treibt die mexikanische Regierung mit dem „Tren Maya“ und dessen Folgeprojekten die Zerstörung der letzten Regenwälder im Süden des Landes voran, auf Kosten der Bevölkerung und zum Profit des landeseigenen Militärs sowie internationaler Player. Lasst uns im Kampf gegen die Ausbeutung die Infrastruktur des Kapitalismus hinterfragen, sabotieren und nachhaltig angreifen! Switch off the system of destruction! Für einen solidarischen Kampf weltweit.

Unsere Solidarität gilt allen FLINTA*, welche sich gegen die Unterdrückung und sexistische Diskriminierung auf dem Gebiet des mexikanischen Staates zur Wehr setzen. Immer wieder kommt es zu Übergriffen und sexualisierter Gewalt von Seiten staatlicher Sicherheitskräfte und inoffiziellen Paramilitärs. Verbrechen gegen Flintas und Queers werden heruntergespielt und vertuscht. Im Herzen sind wir mit den feministischen und antipatriarchalen Kämpfen in Mexiko und überall!

Solidarische Grüße an die Gefangenen vom "Tierra y Libertad Camp", das am 28. April von der mexikanischen Nationalgarde, Staatspolizei und Marinecorps brutal geräumt wurde. Das Camp wurde als Besetzungsaktion gegen den Bau der Bahnlinie am Isthmus von Tehuantepec errichtet.

 

Mehr Infos zum Widerstand in Mexiko und zur internationalen Solidarität findet ihr u. a. hier:
https://www.ya-basta-netz.org/quienes-somos-una-invitacion-a-la-rebelion/
https://deinebahn.com/
#NOALTRENMAYA
#TRENMAYASTOPPEN
#KEINWOHLSTANDDURCHAUSBEUTUNG

Sowie in den Erklärungen zu zahlreichen auch internationaler Aktionen auf:
https://de.indymedia.org/openposting

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Fußnoten:

(1) 2014 wurden bei einem gemeinsamen Einsatz von Polizei, Militär und kriminellen Gruppen sechs Studenten ermordet und ca. vierzig schwer verletzt. 43 weitere Studenten blieben „verschwunden“

(2) Die DB wird vermutlich noch bis weit in die 30er Jahr von Kohlestrom abhängig sein. Ihr Greenwashing betreibt die DB laut Kira Geadah (TAZ vom 27.06.2020) so: „Die Zertifikate funktionieren so: Die Bahn verbraucht fossilen Strom, erwirbt aber das Recht, ihn bilanziell als Ökostrom geltend zu machen. Entsprechend verschlechtert sich aber auch die Strombilanz eines anderen Verbrauchers. Der Ökostrom wird also nur in der Bilanz verschoben, der regenerative Anteil am Stromverbrauch in Deutschland steigt dadurch aber nicht.“

(3) In Katar plant die DB ein ganzes Schienennetz für den Staat. Die menschenünwürdigen Arbeitsbedingungen auf Großbaustellen in dem Land wurden immer wieder öffentlich angeprangert. Im Zusammenhang mit der Fußball Weltmeisterschaft starben tausende Arbeiter*innen auf den Stadien-Baustellen

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