Kritische Blicke auf die Bewegung zur Verteidigung des Waldes von Weelaunee und gegen CopCity

Diese Zusammenstellung soll nicht davon abhalten Bezug und Ermutigung zu suchen in den Kämpfen gegen die CopCity und ihre Welt und um den Wald von Weelaunee, sondern dazu anregen Wege zu finden die der Vereinnahmung des Kampfes entgehen können und auch bei der Betrachtung aus der Ferne nicht den kritischen Blick abzulegen und das Spektakel zu bestaunen. Wir hoffen einen weiteren Anstoß zu finden auch in unseren eigenen Kontexten wieder mehr auf Themen und Kämpfe zuzugehen die sonst zu großen Teilen links-ökologisch belegt sind.

 

Nightowls #4 - Winterglut

im Original

Auf einem Transpi, dass im vergangenen Februar in Eugene, Oregon aufgehangen wurde konnte man lesen: "Against Cop City and Its World" (Gegen Cop City und ihre Welt). Diese Worte hallten durch Atlanta und quer durch Turtle Island wider und zeigten, dass der Kampf weit über den Bau dieser spezifischen Polizeieinrichtung geht. Aber was genau ist "diese Welt" der Cop City?

Eine Interpretation hat mit der Strategie der sekundären und tertiären Ziele zu tun. Im vergangenen Winter setzten Nachteulen quer durch das Land ihre Zielfernrohre über Staatsvertreter*innen hinter dem Cop City Projekt hinaus, stattdessen auf die für den Bau angeheuerten Bauunternehmen und die Banken und Konzerne, die es finanzieren. Das ist eine praktische Herangehensweise dieses spezifische Projekt zu stoppen - die Sabotage der Büros von Bauunternehmen wie Atlas und Barsfield & Gorrie soll Druck ausüben ihre Verträge mit Atlanta aufzulösen, was es für die Stadt schwerer machen würde mit ihren Plänen voranzuschreiten.

Viele der Bekenner*innenschreiben die die Aktionen, die wir in dieser Saison gesehen haben, begleiten, benennen dies als ihr Ziel. Ein Bekennungsschreiben für eine Aktion gegen ein Atlas Büro in Detroit enthielt die Warnung "Atlas, solange ihr nicht aufhört Cop City zu unterstützen, wird es keine sichere Ecke auf Turtle Island für euch geben". Ein Schreiben aus Indiana sagt, dass alle Führungskräfte und Eigentum von Atlas als legitime Ziele angesehen werden sollten, bis Atlas öffentlich verkündet, dass sie nicht mehr an dem Projekt arbeiten werden."

Weitere Bekennungsschreiben zu Soliaktionen mit Atlanta diesen Winter - unseres Wissens nach fanden nur eine handvoll Aktionen mit Bekennungsschreiben statt, die sich nicht auf Atlanta beziehen - stellen ihre Opposition nicht nur zu Cop City, sondern der Welt die sie braucht klar. In vielen Fällen tun sie das durch Bezugnahme in ihren Schriften auf weitere Kämpfe, welche die Autor*innen in Verbindung sehen. In anderen Fällen drückt sich die Projektualität die danach strebt, sowohl Cop City, als auch die Welt die sie möglich macht, in der Wahl der Ziele aus. Viele der Aktionen dieses Winters erweiterten ihre Zielwahl von einer "präziseren" Wahl wie Atlas Büros auf die breitere Welt der Ausbeutung und Herrschaft, welche schlussendlich, sicherlich einfach einen Ersatz für Atlas sonstwo finden würde, sollte der Vertrag aufgelöst werden. Das alles soll nicht die Wichtigkeit solcher Aktionen gegen Bauunternehmer*innen minimieren, sondern viel eher einige wichtige Fragen, die durch Aktionen aufgeworfen und mit denen experimentiert wurde, in Betracht ziehen; eine starke und schöne Dynamik, über deren Wachstum wir uns in diesem Winter erfreut haben.

Nachteulen in den Ozakrs haben "vier Wald-Tötungsmaschinen" sabotiert und schreiben, dass ihre Aktion in Solidarität mit "belagerten Wäldern überall" und auch dem Wald Atlantas stattfand. Dieser Gedanke hallte später bei Anarchist*innen in Portland wider, die ähnlich mit einer Soliaktion eine Maschine ohne Verbindung zu den spezifischen Bauunternehmen der Cop City verbrannt haben. Andere Aktionen, wie die in Durham und Oakland, wurden Tortuguita gewidmet, im Januar im Wald Atlantas ermordet , und auch Tyre Nichols und anderen kürzlich von der Polizei Exekutierten.

Anarchist*innen in Denver haben uns daran erinnert, dass die Gewalt von US-basierten privaten Extraktionsfirmen sich über Us Kolonialgrenzen hinaus ausbreitet, in Anerkennung von "drei Morden an Landverteidigenden in Honduras seit Jahresbeginn" Ein anderes Kommuniqué von Anarchist*innen aus Brooklyn enthielt neben ihrer Solidarität mit Atlanta Grüße an "die Kämpfe in Latein Amerika, den Palestinensischen Kampf und die Kämpfe gegen Ausbeutung auf der ganzen Welt".

Doch es gibt auf Wege auf denen diese Kämpfe, Regionen, und Unterdrückungssysteme materiell und logistisch verbunden sind. Eine Handvoll Soliaktionen für Cop City haben ihren Fokus auf diesen Aspekt der Cop City Welt gelegt. In einem Communiqué zu einer Aktion gegen Norfolk Southern, drei Wochen nach der katastrophalen Entgleisung in East Palestine, Ohio, schrieben Anarchist*innen aus Philly, dass sie dieses Ziel nicht nur weil NS selbst einer der Geldgeber der Cop City ist, gewählt haben, sondern weil "große Logistikunternehmen wie Norfolk Southern den Kreislauf des industriellen Kapitalismus darstellen." Die Autor*innen untermalen das indem sie diskutieren wie Schienen und andere Logistik die Mittel stellen, mit denen Agroindustrie ihr Soja und Mais bewegen, Holzfäller ihr Holz aus und in die Sägewerke, und Amazon Schiffcontainer von den Schiffen zu den Versandzentren. "Vielleicht finanzieren NS die Cop City genau deshalb weil sie verstehen wie essenziell sie darin sind eine tote Welt zu bauen und genau wie verwundbar sie sind."

Es wurde viel von Gewinnen in Bezug auf den Kampf im Wald gesprochen, aber in einer Welt deren brutale Herrschaft und Ausbeutung sich so viel weiter ausstreckt als eine Polizeieinrichtung in einer Stadt, was genau stellt dann einen Erfolg dar?

Sollten Brasfield & Gorrie den Vertrag auflösen, ist es dann immernoch ein Erfolg wenn eine neue Firma angeheuert wird das selbe zu tun? Sollte die Polizeitrainingseinrichtung niemals in Atlanta gebaut werden, aber an einem anderen Ort, sollten wir das als Gewinn bezeichnen? Was genau erreichen Aktionen wenn ihre Perspektive darauf beschränkt sind ein Kampagnenziel zu erreichen?

Jedweger bestimmter Kampf gegen eine spezifische Manifestation von Herrschaft hat seine Ebben und Fluten - Momente des Triumphs, Wellen der Repression, und Antworten auf diese Repression. Momente des Erfolgs und des Versagens geschehen immer wieder in einem bestimmten Kampf, nicht nur an seinem Ende. Erinnerungen an vergangene Kämpfe können auch als Waffen dienen, ob zur Rache an unseren gefallenen Gefährten oder um eine Art Rauchzeichen auszusenden, dass der Wille zu rebellieren anhält.

Projektualität ist ein Wort welches in insurektioneller anarchistischer Tradition gebraucht wird um die Langzeit-perspektiven und kontextuelle Dimension eines Projekts das Rebellen aufnehmen, und wie wir sichergehen können, dass diese Projekte uns dahin bringen und uns dabei helfen das zu kreiren wo wir hin wollen. Das schließt oft einen Kampf gegen ein bestimmtes Projekt welches der Staat vorschlägt ein, ist aber nicht darauf beschränkt auf die Initiativen derer an der Macht zu antworten.

Unsere Konzeption von Erfolg und Versagen muss ähnlich über unmittelbare Ziele hinweg gehen. Zum einen ist zu sagen, dass Nichts ein wahrhaftiger Erfolg ist solange Kapitalismus noch intakt ist, nicht nur ein ideologischer Schnörkel ist, sondern allzu wörtlich zu nehmen. Es ist ein Engagement weiterzukämpfen gegen alle Formen der Herrschaft und sich Vereinnahmung um jeden Preis zu widersetzen. Von Projekten zur Ressourcenextraktion zum Bau neuer Gefängnisse, in den seltenen Fällen in denen wir Erfolg darin haben etwas bestimmtes zu verhindern, schieben Staat und Kapital einfach Dinge umher bis sie durch andere Mittel das bekommen was sie von dem Projekt brauchen. Wenn wir nur die Peitsche abbekommen, kann es schwer fallen uns zu erinnern, dass der Zucker genauso gefährlich ist.

Nach Beispielen dazu, wie uns durch diese Höhen und Tiefen bewegen, können wir bei denjenigen schauen die noch lange nachdem eine bestimmten Phase des Kampfes zuende ging weitergekämpft haben. In einem Communique von kürzlich in Solidarität mit Tortuguita, schrieben Gefährten im Widerstand gegen das Projekt des Atomendlagers in Bure(Frankreich):

"Wir haben den Anlass des fünften Jahrestags der Räumung des Waldes [in Bure] ausgewählt um zu zeigen, dass wir weder vergessen noch vergeben haben, was sie getan haben. Und, dass sie falsch liegen wenn sie denken, sie hätten uns gejagt und für immer besiegt."

Mit dem Abfackeln eines Übertragungspylonen der ANDRA (Frankreichs nationale Agentur für das Management nuklearen Abfalls) in der Nähe von Bure, legen die Schreibenden ihr Ziel nicht speziell auf CIGEO (Industrielle Einrichtung zur Geologischen Aufbewahrung) den Konzern der die Polizei dazu anhielt die Waldbesetzung zu räumen, sondern vielmehr "[setzten sie ihre] Aktion absichtlich in den Kontext einer Reihe von Angriffen im letzten Jahr, gegen Messstationen mit der Aufgabe geologische, hydrologische und metereologische Daten zu sammeln." Die Zielwahl kommt von der Beobachtung, dass "diese Strukturen von höchster strategischer Bedeutung sind in der jetzigen Entwicklungsphase des Projektes, da die, zum Beispiel für Studien zu den Umweltauswirkungen, gesammelten Daten, ganz alleine die notwendige Basis für das Aufstellen von Zulassungsprozeduren sind. So ist und bleibt ihre Zerstörung, das ausser Betrieb setzen, unvermeidlich ein Dorn in der Seite des 'glatten Ablauf des CIGEO Projektes.'"

"Und ihre Welt" wurde übernommen vom Slogan der den Kampf zum Stop des geplanten Flughafens in Notre-Dame-des-Landes in Frankreich das letzte Jahrzehnt begleitete. Befürworter der ZAD ("Zu verteidigendes Gebiet") sahen dort den Horizont eines Sieges zerschmettert nach einem langen brutalen und hingebungsvollen Kampf. Nachdem der Staat angekündigt hatte, dass er vom Plan den Flughafen zu bauen absähe, führte die Fixation unter gewissen Teilnehmer*innen, ihren Halt über dieses bestimmte Stück Land zu festigen dazu, dass sie den eigenen Kampf regelrecht rekuperiert haben. Der lange und gewaltsam unterdrückte Kampf gegen einen anderen Flughafen in Atenco, im Staat Mexico nahm sein Ende mit der Wahl des jetzige progressiven Präsidenten AMLO. Er konnte den Sieg für sich beanspruchen das kontroverse Projekt im Namen des populären Kampfes abgesagt zu haben, indem er mediatisierte "Beratungsgespräche" mit den betroffenen Gemeinschaften durchführte um schließlich den Flughafen andererorts zu bauen. Seine Regierung fährt damit fort die mit diesem strategischen Zugeständnis gewonnene Unterstützung auszunutzen um den Weg für weitere Industrialisierung und Militarisierung des ganzen Landes zu bereiten.

Diese beiden Kämpfe haben den Staat und die Konzerne hinter den Projekten viel gekostet, beide Leben fort in der Vielzahl der Aktionen welche gegen die Welt die diese vorgeschlagenen Flughäfen möglich macht, stattgefunden haben. Den "Sieg" zu beanspruchen sind Versuche die Geschichte dieser Kämpfe neuzuschreiben, und der hohe Preis den Rebell*innen als Teil des notwendigen demokratischen Prozesses von Hemmungen und Gegengewichten innerhalb der Strukturen der Macht zahlen. Von Gewerkschaften über Politiker*innen hin zu Bewegungsmanager*innen, überall versuchen Opportunist*innen unsere kompromisslosen Kämpfe mit "Gewinnstrategien" zu befrieden.

Spezifische Kämpfe sind Teil des Kampfes gegen Herrschaft, aber die Welt kann nicht auf die Summe ihrer Teile reduziert werden - dieser Kampf ist auch lang, generationenübergreifend und cyclisch. Aus der unendlichen täglichen Misere heraus zu entscheiden wo wir die Linie im Sand ziehen, ermöglicht rebellischer Energie zusammenzufließen und auf sich aufzubauen. Die wichtigsten Kämpfe sind solche die nicht mit einer Erwartung von "gewinnen" angegangen werden sondern mit den Augen gerichtet auf die Verbreitung von Praktiken gelebter Anarchie und Kampf , wie wir als Individuen und Netzwerke Kapazitäten aufbauen können und auf was wir von diesem Kampf in den nächsten mitnehmen können. Die Worte "Cop City wird niemals gebaut werden" beschwören eine kraftvolle und transformative Hingabe bis zum Ende zu kämpfen, das Aufgeben abzulehnen. Der Fakt das es kein Ende gibt, dass der Kampf gegen Herrschaft nicht auf ein einzelnes Ziel reduziert werden kann, vielmehr eine Spannung ist die geschaffen und erhalten werden muss, macht diesen spezifischen Kampf nicht weniger wichtig.

Der einzige Weg die Welt der Cop City wirklich loszuwerden führt durch tiefgreifendes revolutionäres Aufbegehren, ein insurektioneller Prozess der so weit geht, dass die Normalität nicht zurückkehren kann. Der Kampf zur Verteidigung des Waldes in Atlanta hat den sozialen Frieden den diejenigen an der Macht in der Folge der Aufstände 2020 für schwarze Leben und gegen die Polizei wieder aufzwangen, gestört. Der militante Kampf gegen Cop City schafft die Grundlagen für Insurrektion, verbreitet unzähmbare Praktiken und Ideen, und gibt Anarchist*innen mit den Erfahrungen autonomer Selbstorganisierung die nötig sein werden um entschlossen zu intervenieren wenn die umfassende soziale Revolte anklopft.

In diesem Sinne war die epische Massenaktion am 5. März während der Aktionswoche in Atlanta in sich ein wichtiger Meilenstein. Das eine kämpferische Menge in der lage war Polizei aus ihrem eigenen Aussenposten zu verdrängen und diesen dann vor ihren Augen am hell-lichten Tage niederzubrennen -was soweit wir wissen in des USA noch nie vorkam- eröffnet weite Aktionsfelder für diejenigen mit dem Mut und der Fähigkeit ihnen nachzugehen.

Der Essay "Ohne Sieg, noch Niederlage" der Veröffentlichung Avis de Tempêtes #7 von 2018 argumentiert, dass die Logik von Sieg und Niederlage aus der Politik kommt, also von Aktivitäten, die Machtverhältnisse und Status unter Individuen verteilen. Anarchie, die wunderschöne Idee, schwört dem Reich der Politik ab und schlägt stattdessen vor in einem Zustand der Spannung hin zu Freiheit und der Zerstörung von Machtverhältnissen zu Leben und Kämpfen. Die einzige Niederlage ist die Unterwerfung, die Resignation uns selbst der Welt des policing anzuvertrauen, ob Cop City oder nicht; und wie uns alle, die diesen Winter ihre Freiheit aufs Spiel gesetzt haben zeigten, scheint es unwahrscheinlich, dass das je passiert.

"Im Gegensatz zu Katzen, haben wir in der Tat nur ein Leben, und wir wagen uns vorzubringen, dass es also in diesem Leben - das Einzige welches wir haben - darum geht zu Kämpfen, diese Spannung hin zur Zerstörung der Autorität auszuleben. In Bewegung, auf dem Weg den wir gewählt haben, verwirklichen wir uns, werden wir das, was wir sind. Es ist Qualiät die in unserem Leben ausbricht, die Qualität der Idee und Aktion, die Hand in Hand gehen. Sieg oder Niederlage, das hat keine Platz mehr wo es nur Beharrlichkeit oder Aufgabe, Entschlossenheit oder Resignation, leidenschaftliche Liebe und Hass oder politische Niederschlagung gibt."

 


 

Einige Überlegungen zu "The Forest in the City"

Unter dem Titel "Der Wald in der Stadt - Zwei Jahre Waldverteidigung in Atlanta, Georgia" erschien im Februar 2023 auf crimethink.com ein Text der sich als strategische Analyse der Bewegung gibt. Folgender Text, erschienen in Ausgabe 9 der anarchistischen Zeitschrift Anathema aus Philadelphia ist eine Kritik daran

Anarchistinnen und andere Radikale sehen sich einem chronischen Dilemma gegenüberstehen, wenn es darum geht mit wem sich zusammenschließen während eines bestimmten Kampfes. Wir haben immer wieder gesehen wie viel anfälliger wir sind von staatlicher repression erdrückt zu werden, wenn wir kompromisslos gegen den Staat agieren und von gesellschaftlicher Unterstützung abgeschnitten sind. Ebenso sehen wir immer und immer wieder, dass ein Zusammenschluss mit diversen Linken und Gemeinnützigen Organisationen mit weniger radikalen Zielen, diese dazu ermutigt einstmals unregierbare Kämpfe mit völlig abweichenden Zielen zu kontrollieren und zu vereinnamen.

Dieses historische Problem ist eins von vielen, dass die Autor*innen von "The Forest in the City: Two Years of Forest Defense in Atlanta, Georgia" (Übersetzung: Der Wald in der Stadt: zwei Jahre Waldverteidigung in Atlanta, Georgia, Anm: erschienen auf Crimethink), im Februar publiziert, beiseite werfen zu Gunsten einer kompromitierten Herangehensweise die sie darstellen als wäre sie selbstverständliche Bewegungsstrategie. Während wir die detailierten Informationen und Reflektionen im Text zu dieser sehr wichtigen laufenden Kampagne zu schätzen wissen, sind wir besorgt über die vorgeblich objektive Position welche die Autor*innen einnehmen. Der Artikel scheint es für gegeben anzunehmen, dass ihre Schlüsse von allen Radikalen geteilt werden und könnte im schlechtesten Falle dazu dienen diejenigen, die dem aus einer radikaleren Perspektive heraus widersprechen, zu diskreditieren. Da einige Fazite uns als Anarchist*innen unethisch erscheinen, bieten wir hier einige Überlegungen und Kritiken an mit dem Interesse einige alternative Strategien die der Artikel übersieht klarzustellen.

Unter der Annahme, dass die beste Herangehensweise für eine Kampagne ein quantitatives Anhäufen von immer mehr Menschen und Aufbau populärer Unterstützung sei, ist eine der großen Behauptungen der Abhandlung es sei produktiv und notwendig mit Mainstreammedien zu sprechen um dieses Ziel zu verfolgen. An einer Stelle gehen die Autor*inne sogar soweit zu argumentieren: " Da gewerbliche/konzern- Medien (corporate media) Berichterstattung eines der Hauptmittel ist mit denen Autoritäten die öffentliche Meinung darauf vorbereiten Repression gegen Protestierende und arme Leute zu akzeptieren, kann es gefährlich sein dort nicht zu intervenieren."

Ihrer eigenen Selbsteinschätzung in diesem Text zufolge, scheint es als hätten die Aktivisti die sich für die Defend the Forest Kampagne auf Medien eingelassen haben erfolg damit gehabt ihre gewünschten Inhalte unzensiert in den Nachrichten wiederzufinden. Das ist ein seltener "Erfolg" für Radikale. Doch von welchen Inhalten sprechen wir? Darauf gehen die Autor*innen nicht ein ausser in der Erwähnung von radikaler sozialer Veränderung, eine Phrase die eine ganze Reihe unterschiedlicher Dinge bedeuten könnte. Während zweifelsfrei viele relativ wenig kontroverse Punkte über die Wichtigkeit der Erhaltung von Wäldern und einem Ende weiterer Polizeigewalt sicher von den Medien aufgenommen werden können, bleibt es doch sehr unwarscheinlich das Massenmedien jemals billigend die Kernwerte hinter dem Großteil anarchistischer Beteiligung am Kampf zur Verteidigung des Waldes wiederholen oder ausdrücken würden. Diese Werte sind unmissverständlich feindselig gegenüber Macht und daher auch den Medien die von Mächtigen finanziert werden.

Ein Austausch mit der Presse verwässert unvermeidlich anarchistische Ideen, gleich ob willentlich oder nicht, und verschleiert unsere größeren Ziele, die deutlich weiter gehen als eine Opposition zu dieser spezifischen Polizeieinrichtung. Wie so oft, sind es die konservativen Kommentator*innen die versehentlich relativ akkurat über unsere Animosität gegenüber des gesamten Systems sprechen - wie der Vorgesetzte Polizei von Atlanta nach de Aktionswoche kürzlich kommentierte, "Hier ging es nicht um ein Trainingszentrum für öffentliche Sicherheit. Hier ging es um Anarchie."

Wenn uns etwas daran liegt Autonomie aufzubauen als Kernaspekt der Zerstörung von Staat und Kapital, warum dann nicht auch Autonomie von den staatlichen und kapitallistischen Medien aufbauen? Wenn unser Ziel schlicht ist den Bau der Cop City zu stoppen, hilft uns vielleicht der Dialog mit der Herrschaft und den Kommunikationsprodukten die sie uns anbietet dabei das zu erreichen. Aber es trägt nichts zum langwierigen radikalen Kampf bei, sich an den Arten sich in Beziehung zu setzen und zu informieren die das staatstreue Konzernspektakel anbietet zu beteiligen, statt unsere Eigenen zu entwickeln. Und obgleich sich am Kampf in Atlanta Beteiligende beides getan haben ist es immernoch zu bevorzugen sich auf letzteres zu konzentrieren. Denn wie es in Bezug auf viele unsere Feinde, wie Faschist*innen, weitgehend verstanden wird, legitimiert es den Standpunkt des Gegners wenn mit diesem in Dialog getreten wird. Warum sollten die Medienlackeien des Staates eine Ausnahme dazu sein? Ist es möglich, dass diejenigen die so sehr darauf aus sind von Konzernmedien gemocht zu werden ein wenig zu interessiert an Macht sind?

Wenn wir wirklich an unsere Träume und Hoffnungen für die Welt glauben, lasst uns den Mut haben diese zu verteidigen. Schließlich sind wir die Einzigen die das können und wollen. Aber auch das ist nicht der Kern unseres Kampfes gegen den Staat. Wie Josep Gardeneyes in "A Wager on the Future" (Die Wette auf die Zukunft) 2015 sagte, "Gegen die Knastgesellschaft an, wird Anarchismus nicht mit mehr oder besserer Propaganda verbreitet werden. Er wird sich verbreiten wenn er Kraft gegen die dominanten Strukturen auswirken kann, wenn er - zumindest in eingeschränktem Umfang - seine Ideen in die Tat umsetzen kann, und wenn diese Ideen auf das alltägliche Leben der Menschen angewandt werden können." Andererorts wendet sich "The Forest in the City" der Angelegenheit von Differenzen und interner Kritik zu:

"Klarheit über Differenzen ist wichtig, aber hinausgezogene Konflikte zwischen rivalisierenden Lagern begünstigen fast immer am stärksten die Autoritäten. Je mehr Teilungen in einer Bewegung existieren, desto mehr erdreisten sich die Autoritäten die effektivsten Strömungen darin anzuvisieren; wenn Rivalen in sozialen Medien über der anderen Fehler und Schwächen posten, kann das den Autoritäten helfen Strategien und Narrative aufzubauen die die Repression legitimieren. Oft polarisieren solche Konflikte unnötig die ganze Bewegung, da sich alle gezwungen fühlen eine Seite zu beziehen." Das ist alles schön und gut, aber wir beobachten, dass es hier keine Diskussion über Differenzen die wir eben nicht tolerieren sollten gibt. Zweifellos ist das weil es eine schwierige Frage ist auf die es keine einfachen Antworten gibt, und die Autor*innen sprechen hier besonders von ideologischen Differenzen. Wenn eine Ideologie in sich jedoch autoritär ist, wird es dann als spaltend bezeichnet werden, wenn wir als Antiautoritäre uns davon abgrenzen wollen? Wie steht es darum Stellung zu beziehen hinsichtlich sexualisierter Übergriffe, Rassismus, oder anderer Formen zwischenmenschlicher Verletzungen die innerhalb unserer Kreise stattfinden? Es fühlt sich gefährlich an Konflikten zu begegnen, wenn jede Position zu einer Problematik interner Hierarchien und Unterdrückng innerhalb unserer Kämpfe primär als bewegungsschädigend und vorteilhaft für die Bundesregierung aufgenommen wird.

Diejenigen unter uns, die in relativer Isolation von der Linken und NGO`s agieren, haben diese Wahl nicht getroffen weil sie für uns Vorteilhaft ist oder Einfacher oder mehr Spaß bringt (auch wenn wir persönlich finden, dass es mehr Spaß macht). [Wir haben diese Wahl getroffen] weil Individuen und Organisationen aus diesen Tendenzen durchweg gezeigt haben, dass sie keine anarchistischen Ziele teilen (das sollte schon bei der Selbstbeschreibung vieler dieser Organisationen offensichtlich werden), ihre Arbeit ist oft kontraproduktiv für unsere Ziele, und im schlimmsten Fall drohen sie uns mit Repression.

Greenpeace zum Beispiel, mag hilfreich mit einem bestimmten Aspekt des ökologischen Kampfes wie der Waldverteidigung in Atlanta sein, aber sie teilen nicht viele unserer Werte und Visionen für die Welt. Es kommt hinzu, dass legale Konstrukte nie unsere größeren Ziele erfüllen werden - sie mögen vielleicht dabei helfen ein spzifisches Projekt abzuwenden, sie aber als "offensive Front" zu bezeichnen (wie es der Artikel tut) verkennt wogegen wir alle sind. Es ist sicherlich nicht falsch vor Gericht zu ziehen oder andere legale Mittel einzusetzen um etwas besonders schlechtes abzuwenden, aber wie können diejenigen die akzeptablen legalen Kanäle die der Staat anbietet nutzen, Teil in einem Krieg gegen den Staat sein? Was ist es dann gegen das wir uns im Krieg befinden? Die Sprache dieses Artikels, obgleich oft militant, ist auf eine Art auch so glitschig und vage, dass es nicht wirklich klar ist worum oder wogegen es geht.

Wenn wir die Geschichte unseres Kampfes auf diese Weise erzählen - um Menschen mitzunhemen die so sehr innerhalb des Sytems arbeiten - dann mag das zwar gesellschaftliche Unterstützung aufbauen un unsere Isolation verringern, es lässt aber auch die Tür weit offen für Abhängigkeit vom Staat und legalen Lösungen für unsere Probleme, die eigentlich Probleme sind die einen vollkommenen Aufbruch vom Staat nötig machen. In einem kürzlich für diesen Artikel geführten Interview mit einem Gefährten der an der Besetzung von Standing Rock gegen die Dakota Access Pipeline in 2016-2017 teilgenommen hat, warnte diese/r besonders vor den Gefahren der Verhandlung oder dem Aufbau jeder Form des Vertrauens in den Staat: " Eine Folge von [Präsident Obamas Ankündigung die den Bau der Pipeline aufgeschoben hat] war das sie einige Leute dazu bewegte offener für Verhandlungen mit dem Staat zu sein. Die Taktik [des Staates] machte den Eindruck auf einige Personen, dass es doch ein paar "Gute" in der Regierung gäbe die versuchen mit und für uns zu arbeiten. Das im Gegenzug führte eingige Leute dazu das Bedürfnis zu verspühren, "ihnen" zu helfen, uns zu helfen und die Leute die diesen Köder gefressen hatten fingen an sich auf anscheinennd kleine Verhandlungen einzulassen, schlussendlich zu den langsamen Razzien und dem Niedergang unseres Camps führten."

Es gibt im Moment einfach keine richtige Antwort auf die Frage um "prinzipientreue Abgrenzung" gegenüber "komprommitierter Popularität". Es führt zu nichts so zu tun, als hätte irgendwer von uns eine solche. In der Zwischenzeit denken wir nicht, dass Anarchist*innen, die ihre Optionen abgewägt haben und entschieden haben, dass der Kompromis nicht die effektivste Antwort ist, als eine Gefahr für die Bewegung bezeichnet werden sollten.

 


 

Von einer Reaktionären zu einer reaktionfähigeren Kritik der Bewegung zur Verteidigung des Weelaunee Waldes

 

gefunden auf scenes.noblogs.org

 

Bevor es losgeht, möchte ich darauf hinweisen, dass meine öffentliche externe Kritik an der "Stop Cop City" und " Defend the (Weelaunee) Forest" Bewegung zunächst alle von meinen öffentlichen Seiten gelöscht wurden nachdem ich festgestellt habe, dass sie etwas reaktionär waren. Ich habe mich mit Gefährt*innen zusammengesetzt die mich in Richtung einer "reaktionfähigeren, ansprechbareren" Kritik begleitet haben. Nichtdestotrotz hat und wird meine Fähigkeit Kritik ansprechbar zu formulieren niemals davon abhängig sein tröstend und in Verdbundenheit mit Besatzertum, antischwarzen Ideologien, ökologischem Rassismus und der Tendenz hin zur Industrie von "gemeinnützigen" Organisationen.

Es ist ein schwerer Irrtum anzunehmen, dass (öffentliche) Kritik an Stop Cop City erst in Momenten sichtbarer Repression in der Bewegung ( Wie der Mord an Tort) begonnen hätten. Jede Kritik an öffentlichen Kritiken anhand diesen Narrativs sind vorsätzliche Illusion & Lügen. Viele der "Linken" die sich weigern Feinde der sozialen (und daher materiellen) Institution des Weisseins und ihrer wachsenden Tentakel zu werden greifen zu fed-jacketing[1] um Kritik zum Schweigen zu bringen. Sie wählen auch ganz gelegen , alle Kritik als "gefährlich" für die Bewegung abzustempeln.

Ich habe das persönlich als das 1-mal-1 der Besatzertaktiken kennengelernt.

Sobald Leute kühn genug werden intern sowohl sichtbare als auch Untergrund-Charakteristiken von sozialen Bewegungen in Frage zu stellen, folgt Widerstand. Aber es gibt einen Unterschied zwischen Widerstand als Resultat echter interner Kämpfe und Widerstand aus pseudo-authoritärer Feindseligkeit. Diese Taktik wird Definitiv von Ökoaktivist*innen und Umweltschützer*innen genutzt, die sich an kolonialen und/oder Besatzertaktiken von militanter Land Verteidigung halten. Taktiken militanter Landverteidigung sollten sich mit den (neo)kolonialen Zeiten weiterentwickeln und sollten stets mit Kontext zu den umlegenden Communities ( die auch eine Ausprägung des Ökosystems sind) angewandt werden.

Wie ich zuvor erwähnte habe, begann ich nachdem ich mir ausschließende und Besatzerpraktiken genauer angesehn habe, interne Kritiken an der Bewegung zu formulieren. Nachdem diese Kritiken auf unnachgiebige Ohren stießen und/oder den Vorhang vor einer Gruppe selbsternannter Anführer*innen der Bewegung in einem sogenannten "dezentralen autonomen Kampf" wegzog, begannen eine handvoll Leute und ich (die wir uns besonders auf Kontaktaufnahme und den Mangel einer tatsächlich revolutionären Praxis der Kontaktaufnahme herum Organisieren) den Versuch uns um unsere eigenen Angelegenheiten zu organisieren.

Lasst uns im Kopf behalten, dass eine Bewegung nicht "autonom" wird nur weil sie von einem "anonymen" Kollektiv geleitet wird. Die Bewegung wurde (un)klar von bewährten Organisator*innen/Alten mit einem Monopol auf finanziellen und sozialen Resourcen angeleitet.

Wir müssen uns die Frage stellen was eine "autonome dezentrale Bewegung" bedeutet wenn Leute nicht bereit sind unregierbar zu werden für die inhärenten und/oder sozialen Ideologien von "Weisssein". Weissein als soziale Institution bringt gewaltvolle und inhärente Hierarchien mit sich die wir ständig in Frage stellen müssen; achtlos welcher Rasse. Wenn wir dem nicht stets entgegentreten wenn es sich im Raum, in Taktiken, Diskurs und Entscheidungsfindung abdrückt, fehlt unserem Antikapitalismus und Öko-aktivismus selbstverständlich ein Schlüsselelement unserer kollektiven Stärke zum Widerstand.

Es gab nicht nur ein problem mit "Weisssein" und neo-kolonialen Ideologien sondern auch mit Klasse. Das Problem and (neo) liberaler Vereinnahmung revolutionärer Ideologien und Sprache ist, dass es die gedachte revolutionäre Funktion von Identitätspolitik (oder von dem was viele so nennen) nimmt (geboren aus schwarzem Feminismus der dritten Welt) und diese umformt und verfälscht zu einer simplen Politik der "Representation".

Wir müssen alle aktiv dafür kämpfen darüber hinauszuwachsen und es wird nötig sein nicht nur denen entgegenzutreten, die ihre Rasse als Grund nutzen eine Prinziiiiptreue Praxis zu vermeiden sondern auch diejenigen (besonders weissen Leute), die politische und ideologische Titel wie "Anarchist*in" als Entschuldigung misbrauchen sich nicht zu Fragen wo es ihnen an tatsächlich revolutionärer Praxis mangelt.

Zuletzt, "autonome dezentralisierte" soziale Bewegungen die keine wirkliche (anonyme) Infrastruktur für die Beteiligten haben um sicher und intern Bedenken oder Kritiken zu äußern ist keine "autonome dezentrale" Bewegung. Es wird oft möglich sein einen "unsichtbaren" Vorhang zurückzuziehen und diejenign mit mehr Macht und Zugang zu Resourcen als die "Hauptentscheidungsfällenden" zu erkennen, während diejenigen die sich in einer Bewegung organisieren (aber nicht hinter unsichtbaren Vorhängen versteckt sitzen) und nicht ideologisch geschult wurden diesen Vorhang festzustellen, die perfekte Illusion von "Entscheidungsmacht" haben.

Kann eine Bewegung geführt von größtenteils Besatzern und/oder mit starker 501c3 Beteiligung eine wahre " dezentrale autonome soziale Bewegung" oder eine wahrhaftig revolutionäre Bewegung sein, die eine niedagewesene Veränderung herbeiführt..- die Antwort ist nein. Das bedeutet nicht das die Bewegung zu existieren aufhören sollte : lediglich dass sie der Vereinnahmung revolutionärer Konzepte und mililtanter Praxis der Widerstands zu Opfer gefallen ist.

-o.mars

 

[1] Fed-Jacketing , Positionen und Personen diskreditieren indem sie als Bundesagenten portraitiert werden

 

 

 


 

Auch relevant und lesenswert in diesem Kontext, die kürzlich erschienene Broschüre 
"Decomposition - for insurrection without vanguards" mit einer Zusammenstellung an Analysen und Kritiken Appellistischer Positionen und ihrer Vereinnahmungsversuche.

Für einen weiteren Einblick in Appello Treiben in Frankreich, die Broschüre "Gegen die Phagozytose der Kämpfe durch die Soulèvements de la Terre"

Der Text "Ohne Sieg noch Niederlage" erschienen 2018 in Ausgabe 7 der "Avis de Tempêtes", übersetzt ins englische in TheLocalKids #2 Herbst 2018

 

Diese Sammlung gibt es hier und weiter unten als Brochüre

 

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