Stellungnahme der feministischen Kampagne “Gemeinsam Kämpfen” nach Nord-Ostsyrien zu den aktuellen politischen Entwicklungen

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Aufgrund der aktuellen Ereignisse halten wir es für wichtig aus Nordsyrien/Rojava zu berichten und unsere Einschätzung und die der Freudinnen hier vor Ort mit euch zu teilen. Wir sind momentan im Rahmen einer feministischen Delegation in Nord-Ostsyrien.

 

 

Wie ihr wahrscheinlich mitbekommen habt, hat Erdogan vor zwei Tagen mit einer erneuten Militäroffensive in Nordsyrien östlich des Euphrats gedroht. Unmittelbar danach gab es erste türkische Militärbewegungen bei Serêkaniyê auf türkischer Seite der Grenze. Am 13.12. wurden Mexmûr und ein Dorf in der Şengal-Region in Südkurdistan bombardiert. In Mexmûr wurden durch die Luftschläge vier Frauen ermordet. Die erneuten Androhungen und Angriffe sehen wir als Fortführung der faschistischen Teile und Herrsche - Politik der Türkei gegen den Aufbau des alternativen Gesellschaftmodells in Nord-Ost-Syrien und die kurdische Befreiungsbewegung. Insbesondere ist das auch ein Angriff auf die autonome Selbstorganisierung der Frauen und damit der Frauenbewegung, die gegen das Patriarchat kämpft.

Dass Erdogan den Zeitpunkt für die Offensive jetzt wählt, ist nicht verwunderlich, da die QSD den Kampf gegen Daesh um Derazor (Dair ez Zor) mit Erfolg fortführen und die letzte Hochburg von Daesh, Hajin schon zur Hälfte befreit haben. Um das endgültige Ende von Daesh zu verhindern, greift die Türkei jetzt an, damit die QSD (Demokratische Kräfte Syriens) sich zurückziehen. Die Angriffe stehen auch im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen im Frühjahr 2019 in der Türkei. Um Nationalismus mittels Kriegspropaganda zu stärken und von den wirtschaftspolitischen Problemen abzulenken, verfolgt Erdogan auch jetzt wieder dieselbe Strategie wie bereits bei den Angriffen 2016 in Bakur und 2018 auf Afrin. Ein weiterer Grund für die aktuelle Drohung mit einer Militäroffensive ist der Versuch, eine Spaltung zwischen arabischer und kurdischer Bevölkerung zu erzeugen. Damit wird die Umsetzung der Teile und Herrsche Politk sowie die demographische Veränderung der Bevölkerung im Norden Syriens weiter verfolgt. Wie wir hier während unserer Delegation gesehen und in vielen Gesprächen erfahren haben, gibt der Aufbau eines neuen Gesellschaftsmodells den Menschen hier viel Kraft und Perspektive. Gerade in den neu befreiten Gebieten wie Minbic, Tabqa und Raqqa, wo die Bevölkerung fünf Jahre lang unter der Besatzung Daeshs leben musste, zeigt sich, dass das neue Gesellschaftsmodell eine Alternative für ganz Syrien darstellt.

Diese Entwicklung knüpft an vorkoloniale Verhältnisse an, in denen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen weitgehend konfliktfrei zusammen lebten. Ein friedliches Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsgruppen jedoch erschwert es den regionalen und internationalen Mächten ihre Interessen im Mittleren Osten durchzusetzen, da diese sich das Ausspielen verschiedener Bevölkerungsgruppen immer wieder zu Nutze gemacht haben. Das wird auch heute noch fortgeführt, was unter anderem an der Rolle der USA in der jetzigen Situation deutlich wird.

Wie ANF News veröffentlichte, ist davon auszugehen, dass die USA einer begrenzten Militäroffensive der Türkei zugestimmt haben. So haben vor der Ankündigung Erdogans gegenseitige Treffen zwischen Vertretern der beiden Staaten stattgefunden. Den USA geht es bei der Unterstützung der Türkei darum, deren Verbindung zu Russland zu schwächen. Sie selbst hat, wie auch andere Staaten, ein Interesse daran, ein Gesellschaftsmodell zu zerstören, das eine Alternative zum Nationalstaat darstellt. Auch andere Staaten wie Deutschland profitieren von dem Krieg in Syrien gegen die autonome Selbstverwaltung Nord-Ost-Syriens.

Für uns ist die Revolution und vor allem die Frauenrevolution eine klare Perspektive im Kampf gegen Faschismus und Patriarchat für eine geschlechterbefreite und solidarische Gesellschaft und eine wirkliche Alternative zum Kapitalismus. Die Menschen lassen sich nicht mehr das nehmen, was sie sich erkämpft haben und leisten Widerstand gegen jegliche Angriffe.

Bereits gestern sind in Rojava und weltweit zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. Seit 37 Tagen ist die HDP Abgeordente und Co-Vorsitzende des Demokratischen Gesellschaftskongresses. Leyla Güven im Hungerstreik, um durchzusetzen, dass der Kontakt zu Abdullah Öcalan, hergestellt wird. Tausende in den Gefängnissen und überall haben sich ihrer Forderung angeschlossen.

Die Angriffe auf Abdullah Öcalan und Rojava /Nordsyrien betreffen uns alle, denn auch wir brauchen die Alternative, die hier aufgebaut wird, dringend.

Daher sagen wir: Jin Jiyan Azadi! Lasst uns Schulter an Schulter gegen Faschismus kämpfen, denn Widerstand ist Leben!

Wir fordern alle Menschen, die sich nach Freiheit sehnen dazu auf, gegen die Bedrohung der Revolution in Nordsyrien auf die Straße zu gehen und die Revolution in Nordsyrien/Rojava zu verteidigen.

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