[B] Erdogan not Welcome - Aufruf aus Rojava
Recep Tayyip Erdogan kommt Ende September nach Berlin. Während der Mörder und Dieb aus Ankara sich auf die Reise zu seiner Komplizin Angela Merkel vorbereitet, befinden wir uns in Nordsyrien, kurdisch: Rojava, und lernen. Wir lernen von jener Revolution, die Erdogan und Merkel vernichten möchten.
Wir haben dutzende Orte besucht, zahllose Menschen getroffen, diskutiert, Interviews geführt und fotografiert. Rojava kannten wir zuvor aus Büchern und Zeitungsartikeln, die davon berichteten, wie die kurdischen Milizen YPJ und YPG den Islamischen Staat zerschlugen, und aus theoretischen Abhandlungen darüber, was hier aufgebaut wird. Dieses Lernen ist wichtig, um ein erstes Verständnis davon zu bekommen, was im Norden Syriens seit mehr als 30 Jahren organisiert wird. Wir können lesen und diskutieren über das System der Kommunen, die Arbeitsweise der Kooperativen und den Aufbau der ökologischen Ökonomie in Rojava. Wir können die Ideen von Abdullah Öcalan, den Demokratischen Konföderalismus, den Paradigmenwechsel innerhalb der Arbeiterpartei Kurdistans PKK oder Methoden wie Kritik und Selbstkritik diskutieren. Wir können Bücher über Jineoloji und die Frauenbefreiung lesen und versuchen, unsere Theorien zu Kapitalismus und Imperialismus zu aktualisieren.
All das können wir von Europa aus tun. Und es ist wichtig. Denn Solidarität, unsere gemeinsamen Aktionen von kurdischer Bewegung und lokalen linksradikalen Kräften, unsere direkten Aktionen gegen die Kriegsprofiteure: Sie werden hier wahrgenommen, positiv bewertet und wertgeschätzt.
Die theoretische und historische Weiterbildung ist die Pflicht eines jeden revolutionären Menschen, denn nur so können wir es schaffen, uns dem Chaos der Welt in einer geordneten Weise anzunähern und unsere Ideen für eine andere Welt zu skizzieren. Aber eine der ersten Erkenntnisse, die wir in Kurdistan erlangten, ist: Ein tolles, großes Theoriegebäude macht noch lange keine starke Ideologie.
Denn eine besondere Stärke der Freiheitsbewegung in Nordsyrien liegt genau darin, dass sie eine schlüssige Theorie entwickelt und diese dann direkt im Alltag praktisch werden lässt. Es ist der beständige Versuch, keine Lücke zwischen Theorie und Praxis entstehen zu lassen. Eine der Gründerinnen der kurdischen Frauenbewegung, Sakine Cansiz, beschrieb dieses Prinzip einmal so:
„Wir haben uns dem Sozialismus nie utopisch angenähert. Er war für uns nie irgendetwas ganz weit Entferntes. Stattdessen haben wir angefangen, unsere Hoffnungen und Utopien im Hier und Jetzt umzusetzen“.
Und genau das ist es, was die Revolution in Rojava ausmacht: diese alltägliche und praktische Annäherung auf einer starken revolutionären Basis. Es sind diese unzähligen kleinen und großen Momente, die wir hier erleben, die kein Buch, keine Diskussionsveranstaltung, kein Film und kein Interview erlebbar machen. Die kapitalistische Moderne hat uns viele menschliche Seiten vergessen lassen. Fühlen ist eine davon. Wenn wir diese Revolution verstehen wollen, müssen wir sie auch fühlen.
Es sind die Momente des gemeinsamen Singens mit Kindern in den Ruinen von Kobane. Die Gespräche mit Kämpfern und Kämpferinnen, die den Islamischen Staat aus Kobane vertrieben. Das Gefühl, in einem der Häuser zu stehen, die das letzte Bollwerk gegen die Kopfabschneider bildeten, bis sich der Krieg endlich zu unseren Gunsten wendete. Das Lachen der Kinder und Jugendlichen in einem Waisenhaus, von denen gut ein Drittel aus dem von deutschen Leopard-II-Panzern zerstörten Afrin geflohen sind, deren Eltern durch deutsche Waffen ermordet wurden. Die Gespräche mit den kurdischen Familien, die dich selbstverständlich in ihren Häusern schlafen lassen und dich behandeln wie ein Familienmitglied. Dieses Gefühl, dass die Aussage „Du bist für uns genauso wie unsere eigenen Kinder“ keine Floskel ist.
Wir erleben die revolutionäre Disziplin und Ernsthaftigkeit von tausenden Menschen. Familien, die seit den 1980ern Waffen und Menschen über die Grenze schmuggeln, klandestine und öffentliche Aufgaben erledigen und Infrastruktur aufbauten. Die blitzenden, glücklichen Augen von Frauen, wenn sie über die Frauenbefreiung und die konkreten Veränderungen für sich selbst sprechen.
Diese Mischung aus Trauer, Wut und Widerstand, wenn du die Familien von Gefallenen besuchst, für die der Tod ihrer Kinder eine Mahnung zum Weiteraufbau der Revolution ist. Wenn du durch die Friedhöfe von Derik, Qamislo oder Kobane läufst und realisierst, dass ein Großteil der Gefallenen nicht älter, sondern meist jünger war als du selbst, und du dir die Frage stellst: Wo war ich damals?
Das Gefühl, wenn du in das Haus der Verwundeten gehst und die Freunde und Freundinnen siehst, die im Krieg schwer verletzt wurden, viele ohne Arme oder Beine. Und trotzdem werden sie dich anlachen, über ihre Amputationen scherzen. „Wenn wir irgendwann wieder nach Afrin gehen, hole ich mir auch meine Beine zurück“, sagt einer.
In den wenigen Wochen, die wir bislang hier verbrachten, ist ein Gefühl der Verbundenheit entstanden. Es ist die Einsicht, dass das hier auch unsere Revolution ist. Und wenn nun der Oberbefehlshaber der Armee, die seit Beginn der Revolution versucht, sie im eigenen Blut zu ertränken, nach Deutschland kommt, denken wir an Euch – unsere Genossinnen und Genossen Zuhause. Denn wir hoffen, dass ihr die Menschen Zuhause aufklärt, ihnen erklärt, wie die Untätigkeit dort hier das Leben von Menschen kostet.
Und wir hoffen, dass der Besuch des Verbrechers einen Preis haben wird.
Einige Genoss*innen der radikalen linken | berlin aus Rojava
Ergänzungen
Info - und Mobi-Veranstaltung in Hamburg geg. den Erdogan-Besuch
Moin, einige GenossInnen aus Berlin kommen rum und erzählen von der Aktivitäten gegen den Erdogan-Besuch. Vom 27. bis zum 29. September 2018 kommt Erdogan zum Staatsbesuch nach Berlin. Der Besuch und die damit verbundenen Gespräche, mit der deutschen Bundesregierung, dienen einer weiteren Verstärkung der Waffengeschäfte sowie den Ausbau der repressiven Politik der beiden Staaten. Für die Tage des Besuchs sind u.a. verschiedene Empfänge und eine symbolische Kranzniederlegung beim Denkmal für die Opfer von Krieg und Faschismus geplant.
Aus antifaschistichen und emanzipatorischen Kreisen aus Berlin wurde sich ein anderes Programm für das Wochenende überlegt. Bei der Veranstaltung werden sowohl Hintergründe des Treffen beleuchtet, als auch über den aktuellen Stand der geplanten Proteste gegen den Besuch des Diktators informiert.
Kommt Alle !
Sonntag, 23. September 2018 von 18:00 Lüttje Lüüd
Bernhard-Nocht-Straße 69, 20359 Hamburg (St.Pauli)