KANAILLE – Beiträge für die Umwälzung aller Verhältnisse - NR.6
Die sechste Ausgabe der "KANAILLE – Beiträge für die Umwälzung aller Verhältnisse" ist erschienen. Erhältlich in Berlin in ausgewählten Spätis, Cafes und Kneipen, Infoläden, in der Anarchistischen Bibliothek und manchen Buchläden. Ältere Ausgaben gibt es auch online unter kanaille.noblogs.org.
Inhalt:
- Muss die Krise zur Katastrophe werden?
- Sozialstaatliche Entlastungen - oder Wie die Politik versucht, in der Krise die Kontrolle zu behalten
- Die Krise aller Krisen - Energieknappheit und das Ende unserer Zivilisation
- Weder Rechts noch Links – wir wählen die Revolte
- Rezension zu „Katastrophismus, Desasterverwaltung und nachhaltige Knechtschaft“
- "Zögern heißt Tod" - Wie die deutsche Klimabewegung daran arbeitet, die Welt zu retten
- Müntzer und der neuzeitliche grüne koloniale Ablasshandel
- Sie nennen es Fortschritt
- You will find me if you want me in the garden
- Gegen jeden Nationalismus
- Die anarchistische Internationale und der Krieg
- Die Schildkröte im Netz aus gequirlter Scheiße und Ödnis
- Inflation leicht erklärt. Die oder das Bö(r)se
„Apocalypse now!“ scheint das Leitmotiv einer Epoche zu werden, die sich materiell auf Umstrukturierungen von gigantischem Ausmaß zubewegt. Die klammheimliche Lust am Weltuntergang wird zur metropolenspezifischen Reaktion auf eine neue Ära voller unerträglicher Widersprüche, die nur Vorboten jener Umwälzungen sind. Schon einmal − während der 20er Jahre − erwies sich, was als „Untergang des Abendlandes“ interpretiert und erlebt wurde, als globale Krise der Kapitalakkumulation, die bekanntlich nicht das Ende der Welt, wohl aber einen weiteren Abschnitt kapitalistischer Entwicklung einleitete, an deren Ausgangspunkt Faschismus und ein verheerender Krieg standen.
Diese Zeilen schrieben die Revolutionären Zellen 1983 in einem Beitrag unter dem Titel „Krieg − Krise − Friedensbewegung. In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod“, der kürzlich aufgrund der aktuellen Weltlage wieder aus den Archiven gekramt und herumgereicht wurde. Unschwer sind darin einige Parallelen zur heutigen Situation zu erkennen und erschreckend vieles hat auch 40 Jahre später kaum was an Aktualität eingebüßt.
Der Zeitgeist ist in Anbetracht von Corona, Umweltkatastrophen, Kriegen und Inflation auf jeden Fall wieder voll auf Endzeitstimmung getrimmt. Ein Phänomen, dem durch die Flut an Katastrophenmeldungen, die über unsere Bildschirme flimmern, nur schwer zu entkommen ist. Das wissen auch die Regierungen für sich zu nutzen. Die Kunst der Katastrophenverwaltung ist für sie eine unverzichtbare Disziplin in Sachen Herrschaftssicherung. Eine Rezension in dieser Zeitung beschäftigt sich genau damit.
Der Kapitalismus befindet sich durch die Digitalisierung der Wirtschaft und der Modernisierung der Arbeitsmärkte, wie schon oft in krisenbehafteten Zeiten, mitten in einem Umstruktrurierungsprozess mit erheblicher Tragweite. Die Inflation als Folge von Krieg, Lieferengpässen, Ressourcenknappheit und Spekulationen an der Börse leitet gerade die nächste globale Finanz- und Wirtschaftkrise ein, deren Folgen noch nicht abzuschätzen sind. Dafür hat die Rüstungsindustrie mit 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr wieder Hochkonjunktur, und mit ihr auch der nationale Taumel, der schon immer mit der Kriegstreiberei einher ging. Zwar in neuem Gewand, aber mit altbekannten Parolen, klopft vielerorts der Faschismus wieder an die Tür, oder sitzt sogar schon fest im Sattel der Macht. Wie zuletzt die Wahlen in Italien zeigten. Unsere Antwort darauf kann nur „Gegen jeden Nationalismus“ heißen. Diesen Zusammenhängen wird in dem gleichnamigen Text nachgegangen.
Da wir bekanntlich immer am Puls der Zeit sind, steht diese Ausgabe der Kanaille also ganz im Zeichen der Krise. Dabei wollen wir uns aber nicht auf einen Krisendiskurs einlassen, wie er derzeit in der öffentlichen Debatte vorherrscht. Diese Zeilen verfolgen nicht das geringste Interesse zur Schadensbegrenzung beizutragen. Das wäre heuchlerisch. Umso mehr sind wir aber der festen Überzeugung, dass die Zerstörung des Bestehenden und die Umwälzung aller Verhältnisse unausweichlich sind, um den Weg frei zu machen und mit dem Leben zu experimentieren. Wie auch immer dies aussehen mag. Der Text „You will find me in the garden“ kann im Kleinen vielleicht Inspiration dafür sein, was sich im Hier und Jetzt für Möglichkeiten dazu bieten.
Es wäre falsch, mit Blick auf das Krisengeschehen allein auf die Verantwortlichen der aktuellen Misere zu zielen. Genauso von Bedeutung für das Überleben des Systems sind seine falschen Kritiker*innen, die schon heute unermüdlich daran arbeiten, sich einen Platz in der Politik von morgen zu sichern. Ein Blick auf die Klimabewegung kann hierbei sehr aufschlussreich sein, wie dem Text „Zögern heißt Tod“ zu entnehmen ist. Während Fridays for Future noch immer an Demonstrationen für eine bessere Zukunft festhält und trotz Weltuntergangsstimmung noch nicht von einem Revival des Punks und seinem etwas weniger optimistischen „No Future“ abgelöst wurde, sind die klimabewegten Schwesterorganisationen schon einen Schritt weiter und praktizieren den Zivilen Ungehorsam unter wesentlich dramatischeren Titeln wie „Letzte Generation“ oder „Aufstand gegen das Aussterben“.
Und wenn wir schon dabei sind; auch eine andere Parole der Punks hat in einer mindestens genau so dramatischen Inszenierung seine Gültigkeit nun eingebüßt: „God shave the Queen“ − Königin Elisabeth ist tot. Auch wenn wir nicht auf dem aktuellen Stand sind, was die Trends von Frisuren angeht, halten wir es hier ganz mit den antikolonialen Beileidsbekundungen, die nach ihrem Ableben das Internet fluteten: Fuck the Queen und die Kings natürlich gleich mit! Diesem Kapitel der Weltgeschichte haben wir jedoch aus Rücksicht auf unsere Leser*innenschaft keinen eigenen Text gewidmet. Apropos Queen, Im Gegensatz zu ihr ist der Kolonialismus nicht tot zu kriegen. Vielmehr findet dieser anhand aktueller Verteilungskämpfe um natürliche Ressourcen und Energiequellen seine tödliche Fortsetzung mit grünen Anstrich. Auch dies ein Thema dem wir mit dem Text „Müntzer und der neuzeitliche grüne koloniale Ablasshandel“ unsere Aufmerksamkeit schenken wollen.
Ganz grundsätzlich stellt sich natürlich auch die Frage nach dem wie weiter. Überall sind vermeintlich schlaue Vorschläge zu vernehmen um die Folgen einer Krise abzufedern. Diese richten sich vor Allem an die Politik, deren Aufgabe aber gerade darin besteht, das Desaster zu verwalten um den kapitalistischen Normalbetrieb am Laufen zu halten. Kaum wer ist bereit, die Ursachen die dem Ganzen zu Grunde liegen, in aller Konsequenz in Frage zu stellen und als solche zu bekämpfen. Das aus gutem Grund. Denn es würde bedeuten mit dem Narrativ des Fortschritts ein für alle mal zu brechen. Hierzu gibt es einige Gedanken entlang aktuellen technologischer Entwicklungen, die zeigen sollen, dass das Festhalten am westlichen Fortschrittsdenken nur immer tiefer in eine Abhängigkeitsspirale führt.
In dem Beitrag „Die Krise der Krisen“ gibt es dann weiterführende Analysen zur der Frage der Energie, welche, wie kein anderes Thema seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine, zum Inbegriff der Krise wurde und uns gleichzeitig in aller Deutlichkeit die Doppelmoral der Herrschenden vor Augen führt. Die Russen sind böse, zumindest das ist soweit sicher. Ansonsten scheint mal wieder der individuelle Verzicht die Gunst der Stunde zu sein. Wie uns der Waschlappen himself, Robert Habeck, mit seinen jämmerlichen Spartipps weismachen will. Zur Befriedung des Gemüts gibt es dann kleine Häppchen à la 9-Euro-Ticket und allerlei Prämien um davon abzulenken, dass viele schon bald tief in der Schuldenfalle stecken werden, oder noch schlimmer. Der Text „Entlastung in der Krise, oder wie die Politik versucht in der Krise die Kontrolle zu behalten“ entlarvt diese Strategie der Ampelkoalition.
Aber worin besteht eigentlich der Zusammenhang von Inflation und Krieg. Es lohnt sich durchaus etwas genauer hin zuschauen, als blindlings den Erklärungen der Regierung zu glauben. Das tun wir mit der Frage: “Die oder das Bö(r)se?“ Denn die aktuellen Preissteigerungen sind viel eher auf Spekulationen an den Finanzmärkten zurück zu führen, als dass es eine tatsächliche Knappheit an Rohstoffen gäbe. Das Ergebnis bleibt aber dasselbe. Die Armen zahlen drauf während die Reichen weiter Gewinne einstreichen. Btw, der Lidl Gründer Dieter Schwarz ist aktuell der reichste Deutsche. Dieser Fakt sollte auch die letzten Unentschlossenen von einem schlechten Gewissen befreien, um sich mal schön auf seinen Nacken die Taschen zu füllen. Der organisierte Ladendiebstahl, wie das von manchen auch schon vorbildlich praktiziert wurde, bietet sich sowieso an, um die Umverteilung von oben nach unten selbst in die Hand zu nehmen und sich von staatlichen Almosen ein Stück weit unabhängiger zu machen.
Währenddessen tönt Brechmittel-Olaf „You never walk alone“ aus dem Kanzleramt und man wundert sich wie das genau aussehen soll. Die Vorstellung jedenfalls, dass der Bundeskanzler im Namen der guten Sache fröstelnd in seiner Luxusvilla am Stadtrand sitzt, erscheint äußerst unwahrscheinlich. Ist es wohl auch. Aber hey, jetzt wo die Regierung im Namen von Demokratie und Menschenrechte politisch korrekt mit Aserbaidschan und Katar neue Gas-Verträge anstrebt, ist das ja auch gar nicht mehr nötig. Was soll da schon schief gehen. Wer sich eine Fußballweltmeisterschaft erkaufen kann, wird schon nicht verkehrt sein. Vergessen sind die tausenden migrantischen Arbeitssklav*innen die sich auf den Baustellen Katars für die FIFA zu Tode schufteten. Für wie dumm halten die uns eigentlich…? Wobei, hört man sich um, stimmen erschreckend viele in den Kanon von Regierung und Massenmedien mit ein. Die moralische Erpressung funktioniert erneut, und die Herrschenden machen sich die genau gleichen Reflexe zu nutzen, die schon bei den Corona-Maßnahmen angesteuert wurden. Wer drauf reinfällt, ist selber schuld...
Für alle anderen, die wie wir, den von der Bundesregierung angekündigten Wutwinter kaum erwarten können und schon gierig Benzinkanister und leere Weinflaschen im Keller preppern, lohnt es sich ein paar Gedanken über Möglichkeiten und Perspektiven von Protesten zu machen. Wie kommt es, dass sich heute so viele positiv auf Volk und Nation beziehen, während gleichzeitig kaum noch ein Klassenbewusstsein zu erkennen ist? Die Welt hat sich verändert und es ist an der Zeit, die Logik der Politik hinter sich zu lassen. Eine Einordnung von Konstellationen auf der Straße nach einem klassischen links/rechts Schema, wird uns ohnehin nicht weiter helfen, aktuelle Ereignisse begreifen zu können. Klar ist, es gilt sich einzumischen. Versprechen tun wir uns aber weit mehr von Momenten, die diffus, wild und unkontrolliert zu Tage treten, statt den selben alten Schuh immer wieder aufs Neue zu wiederholen. Einfache Antworten wird es zwar nicht geben, aber eines steht fest: „Weder Rechts noch Links, wir wählen die Revolte“.
Unter anderem an diesen Orten in Berlin gibt es die Kanaille:
- Kalabal!k (Reichenberger Str. 63a)
- Schwarze Risse (Gneisenaustr. 2a)
- Müßiggang (Oranienstr. 14a)
- Kad(t)erschmiede (Rigaer Str. 94)
- New Yorck im Bethanien (Mariannenplatz 2A)