(B) Die extreme »Mitte« stören! – Solidarität mit den NoG20-Gefangenen!

Am 5. Juli treffen sich Konservative und Rechte zum gemeinsamen rumopfern über den legitimen G20 Protest im Stasiknast Hohenschönhausen. Gegenseitig wird sich von der gesellschaftlichen Gewalt der sogenannten „Mitte“ reingewaschen und linker Protest mit rechten und sonstigen Terror gleichgesetzt.

Um dieser zutiefst reaktionären Veranstaltung etwas entgegenzusetzen, rufen wir dazu auf bei unserer Gegenkundgebung gefangenen G20 Aktivist*innen Briefe zu schreiben und so ein praktisches Zeichen der Solidarität zu setzen. Gerne könnt ihr aber natürlich auch an andere Gefangene, wie beispielsweise Isa und Nero, Briefe oder Karten schicken.

Die extreme »Mitte« stören! – Solidarität mit den NoG20-Gefangenen!

Gegen-Kundgebung und Gefangenen Briefe schreiben:
Do, 05.07.2018 | 18:00 Uhr | Gedenkstätte Hohenschönhausen (Genslerstraße 66 / Hohenschönhausen)
Vortreffpunkt: 17:30 Uhr | S-Bahnhof Ostkreuz | Gleis 4

Aufrufer*innen: North-East Antifascists [NEA]

 

Am 5. Juli will sich die Extreme Mitte in ihrem Epizentrum, dem Stasi-Knast Hohenschönhausen treffen, um anlässlich des Jahrestages der G20-Riots über den sogenannten Linksextremismus und die »Randalierer« zu diskutieren. Vorher wollen sie (um das ganze Ausmaß der »bürgerkriegsähnlichen Zustände« begreifbar zu machen) noch Filmaufnahmen des »linken Terrors« bei G20 zeigen. Prominenter Teilnehmer des Podiums ist beispielsweise Tom Schreiber, der für die SPD im Berliner Berliner Abgeordnetenhaus sitzt und sich als Sozialdemokrat in seinem Engagement gegen Linke wahrscheinlich in einer Tradition mit dem »Bluthund« Noske sieht. Schreiber diskutiert unter anderem mit Stephan Mayer, einem Bundestagsabgeordneten der CSU, mit Niels Sahling, dem Bundesjugendvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei und mit Cord Wöhlke, dem Geschäftsführer der während der G20-Riots ausgeräumten Drogeriekette Budnikowsky, die im Jahr Jahr 420 Millionen Umsatz macht. Des Weiteren ist der Dersdener Uniprofesser Werner Patzelt geladen, der in Talkshows und Zeitungen als »Pegida-Experte« zu Wort kommt, allerdings immer wieder als deutlicher Symapthisant der Bewegung spricht.

Dieses Law-and-Order-Symposium kann nicht unkommentiert gelassen werden, da viele der Podiumsgäste für eine Verpolizeilichung der Gesellschaft eintreten, weil der Terror der G20, wie Kriege und wirtschaftliche Ausbeutung ebenso wie die Polizeigewalt bei den G20-Protesten keine Erwähnung finden wird. Einen besseren Ort als die Stasi-Gedenkstätte – Hohenschönhausen hätte man für dieses Podium nicht finden können: AfD-Anhänger*innen und notorische Linken-Hasser*innen gehören hier zum Umfeld und zum festen Inventar.
Um dieser zutiefst reaktionären Veranstaltung etwas entgegenzusetzen, rufen wir zu einer Gegenkundgebung auf, bei der auch den G20-Gefangenen Briefe geschrieben werden können. Die Kundgebung stellen wir in den Rahmen der Aktionswoche »Repression, Rechtsruck und Aufrüstung entgegentreten!« und rufen dazu auf sich ebenfalls mit vielfältigen Aktionen zu beteiligen. Unsere Solidarität gilt insbesondere den erst kürzlich verhaftetetn G20-Gegner*innen in Frankfurt am Main und Offenbach!

»Aufmarschplatz für die AfD«

In der Gedenkstätte und deren Umfeld sind rechte Positionen keine Seltenheit. Erst vor kurzem sorgte die Entlassung einens langjährigen Gedenkstättenmitarbeiters für Aufsehen: Siegmar Faust, der als Zeitzeuge lange Führungen durch den Stasi-Knast leitete, hatte Nachsicht für den Holocaust-Leugner Horst Mahler erbeten und mit Blick auf die sechs Millionen von den Nazis ermordeten Juden gefragt warum »die Zahl sechs Millionen heilig« sei. In Folge dessen wurde auch Kritik an Jörg Kürschner, dem Leiter des Fördervereins der Gedenkstätte laut: Der Burschenschaftler und frühere MDR-Redakteur schreibt seit rund einem Jahr regelmäßig für die neurechte Wochenzeitung »Junge Freiheit«, unter anderem mit AfD’lern wie dem Pankower Ronald Gläser. Er war es auch der sich im letzten Jahr für die Aufnahme, des Berliner AfD-Landesvorsitzenden Georg Pazderski in den Förderverein einsetzte. Kürschner mache den Verein »zu einem Aufmarschplatz für die AfD«, so der SPD-Bundestagsabgeordnete Stephan Hilsberg in einem Schreiben an den Gedenkstättenleiter Hubertus Knabe. Knabe reagierte auf dessen Kritik des ehemaligen DDR-Oppositionellen und setzte die Kooperation mit dem Förderverein aus. Mit Sorge beobachte Knabe die »inneren Konflikte« im Verein. Er mache sich Sorge um den Ruf der Gedenkstätte und hoffe, »dass der Verein sich wieder auf seinen eigentlichen Auftrag besinnt, die Gedenkstätte zu unterstützen«. Doch auch die aktuelle Distanz zum Förderverein (die scheinbar eher an der öffentlichen Rufschädigung liegt, als den Positionen) ändert nichts am radikal antikommunistischen und antilinken Kern der Gedenkstätte: So pflegt die Gedenkstätte beispielsweise eine gute Zusammenarbeit mit der »Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft« (UOKG), die laut dem Historiker Martin Jander »rechtsradikale Aktivisten aus NPD und DVU« anzieht. Über den Ex-Stasi-Häftlings Carl-Wolfgang Holzapfel sagte Knabe 2009, dass er diesem Mann seine Hochachtung zolle. Holzapfel war unter anderem Mitglied im ultrarechten Witikobund und Kandidat der neofaschistischen Partei »Die Republikaner« für den bayerischen Landtag. Auch die bekannte CDU-Politikerin Vera Lengsfeld arbeitete viele Jahre in der Gedenkstätte. Lengsfeld ist aktive AfD-Unterstüterin, Mitinitiatorin der islam- und geflüchtetenfeindlichen »Erklärung 2018« und Unterstützerin des rechten »Frauenmarsches« am 9. Juni in Berlin. Dies sind nur einige Beispiele für ein Phänomen, das dort alle Strukturen und Ebenen durchzieht. Knabe selbst ist es der den ehemaligen Stasi-Knast in relativierender Weise als »Dachau des Kommunismus« bezeichnet und Veranstaltungsangebote wie das G20-Podium absegnet, die nichts dem Thema Stasi-Knast zu tun haben. Gegenüber dem Tagesspiegel gab Sigmar Faust an, dass es in der Gedenkstätte nur »wenige« gebe, »die anders denken« als er selbst.

Schulungszentrum gegen Links

Die Geschäftsgrundlage für die Arbeit der Gedenkstätte, zu der auch Veranstaltungen wie die am 5. Juli zum regelmäßigen Programm gehören, ist der Extremismusbegriff. In der meist verwendeten Definition wird sich auf die der Wissenschaftler Uwe Backes und Eckhard Jesse berufen. Backe und Jesse haben so mitunter den Veldensteiner Kreis zur Erforschung von Demorkatie und Extremismus einberufen: Ein Referent dieses Think-Tanks ist auch eben jener Hubertus Knabe. In der Definition der »Extremismustheorie« wird davon ausgegangen, dass es eine gemäßigte Mitte gäbe, die auf dem Boden der Verfassung und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht. Die extremistischen Ränder hingegen stehen einer freiheitlichen oder demokratischen Gesellschaft im Wege. Damit werden Probleme wie Rassismus verharmlost und externalisiert, da schließlich nur die undemokratischen rechten Ränder rassistisch seien. Vom staatlichem Rassismus (Racial Profiling, Abschiebungen) ist keine Rede, ebens wenig von Armut und Sozialaabau. Dies wird schließlich nicht von den »extremistischen Rändern«, sondern vom Staat selbst produziert wird und ist damit scheinbar in Ordnung. Zudem werden durch die »Extremismustheorie« Linksradikale, die eine andere Vorstellung von Demokratie haben als den Parlamentarismus, mit Neonazis verglichen und mit ihnen gleichgesetzt. Obwohl sich die Verteter*innen dieser Pseudo-Theorie darüber im Klaren sind, dass durch die DDR keine industrielle Massenvernichtung stattfand, es also gravierende Unterschiede zwischen Staatssozialismus und deutschem Faschismus gab, hindert es die »Extremismus«-Spezialist*innen nicht an ihrer Gleichsetzung der »zwei Dikaturen auf deutschem Boden«.
Mit dem Kontakt zu einem wohlgesonnenen Wissenschaftsbetrieb, der Beschäftigung ehemliger Stasi-Häftlinge und dem Umstand, dass mensch selbst ja schon Lange DDR- und Stasi-Experte sei, konstruiert sich die Gedenkstätte die eigene moralische Legitimation um gegen alles Linke vorzugehen, was es heute gibt. In Seminarangeboten wie »Linksextremismus in Geschichte und Gegenwart« in der Gedenkstätte geht es um verschiedene linke, antikaptialistische und antifaschistische Bewegungen, auch solche, für die der Staatsozialismus gar kein positiver Bezugspunkt ist. Eine der neusten pädagogischen Raffinessen sind Virtual-Reality-Brillen, mit denen sich Besucher*innen die Auschreitungen während des G20 ansehen können um den »Terror« nachempfinden zu können. Hier wird deutlich, dass es eben nicht allein um die Aufarbeitung der Geschichte des Ministeriums für Staatssicherheit geht, sondern darum die Gedenkstätte weiter zu einem Kompetenzzentrum gegen Links umzubauen. Allein die politisch durchmischte Zusammensetzung des Anti-G20-Protestes oder auch die anarchistische Ausrichtung vieler Militanter, sollten die Frage aufwerfen, was der NoG20-Protest mit der DDR zu tun hat. »G20-Krawall in der Hamburger Schanze – von der Stasi organisiert?« – wäre immerhin ein knackiger Titel für das nächste Podium.

»Extremismustheorie« und Radikalenerlass

Dieser Begriff im Zusammenspiel mit klassischer Law & Order Politik sind der Schlüsselpunkt für den ersten Schulterschluss der bürgerlich konservativen Rechten und der AfD, wie man auch in dem Untersuchungsausschuss »Linksextremismus« in Sachsen-Anhalt sehen konnte. Die »Extremismustheorie« betrifft und trifft uns alle. Bei jeder weiteren Verschäfung der Repression gegen linke Bewegungen und Gruppen in der Bundesrepublik, vorangetrieben durch CDU/CSU, AfD, Teile der SPD, Verfassungsschutz und Bullen, liefert die »Extremismustheorie« die Grundlage. Schon jetzt ist zu sehen, dass Urteile, die bisher nur auf faschistische Strukturen angewendet wurden, auch jederzeit Linke betreffen können: Die juristische Grundlage für das Verbot von »linksunten indymedia« lieferte das Verbot von Nazikameradschaften in den 90er und 00er Jahren. In der Zukunft wäre auch eine wieder Inkraftsetzung des Radikalenerlasses denkbar, der in den 80er Jahren dafür sorgte, dass in Lohnarbeitsverhältnissen eine Art »Gesinnungsprüfung« gemacht wurde, was letzten Endes zu Berufsverboten für Linke führte. Ein gutes Beispiel dafür dass die Reaktivierung des Radikalenerlass jederzeit möglich ist, ist das Anne-Frank-Haus in Frankfurt Main. 2017 kam die Bildungsstätte nach einer Überprüfung in die Schlagzeilen, weil eine Mitarbeiterin Gründungsmitglied einer Initiative ist, die das Klapperfeld, ein ehemaliges Frankfurter Polizeigefängnis, seit 2009 als selbstverwaltetes Zentrum nutzt. Zu den Aktivitäten des Klapperfelds gehört auch eine Ausstellung zur Geschichte des Polizeigefängnisses, die sich kritisch mit Kriminalität und Kriminalisierung auseinandersetzt. Zudem wird das Klapperfeld als Ort linker Subkultur genutzt. Hier wird deutlich, dass die »Extremismustheorie« linke Menschen und Personen isolieren soll, damit diese nicht mehr in die Gesellschaft hineinwirken können. Wenn uns sowohl individuell, aber auch als Bewegung die Infrastruktur genommen wird und bürgerliche Grundrechte immer weiter abgebaut werden, stehen wir am Ende ohne gesellschaftlichen Backup mit dem Rücken zur Wand. Deshalb dürfen wir aber nicht zum Verteidigen des Status Quo übergehen, sondern müssen aufklären und sensibilisieren. Denn eine widerständige, linksradikale Antwort auf kapitalistische, rassistische und patriarchale Unterdrückung wird ohne ein Bewusstsein für die Problematik des Extremismusbegriffs durch die gesellschaftlichen Isolation nicht angenommen werden.

Solidarität mit den G20-Gefangenen

Die Gefangenen, die seit G20 in Haft sind und auf ihre Prozesse warten, sind dort, weil ihnen vorgworfen wird auch außerhalb des Rahmens, den der Hamburger Senat ihnen eingeräumt hat, gegen die G20 demonstriert und autonom agiert zu haben. Gegen die Proteste wurden 31.000 Polizist*innen mit Wasserwerfern, Räumpanzern, Pfefferspray, Knüppeln, aber auch Gummigeschossen und Spezialeinheiten eingesetzt. Dabei wurden tausende Aktivist*innen verletzt, hunderte festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Einige von ihnen sitzen nun im Knast und wurden zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Wir dürfen die jenigen, denen wegen der NoG20-Protesten nun Repression entgegenschlägt nicht alleine lassen. Beteiligt euch darum an den Aktionswochen. Kommt zur Kundgebung nach Hohenschönhausen und schreibt dort den Gefangenen Briefe und setzt ein praktisches Zeichen der Solidarität. Gern könnt ihr Briefe oder Karten an andere Gefangenen wie Isa und Nero schicken.

Die Kriminellen sind nicht die, die derzeit wegen den Protesten gegen die G20-Staaten im Knast sitzen. Nein. Es sind die jenigen die auf Nahrungsmittel spekulieren, rohstoffreiche Länder ausbeuten und Menschen im Mittelmehr ersaufen lassen. Der Widerstand dagegen bleibt weiterhin legitim und notwendig. In Zeiten von Armut und steigenden Mieten, in Zeiten wo der Parlemantarismus keine Antworten mehr zu bieten hat und nur noch die Funktion von Krisenverwaltung ausübt sind Bewegungen, sie sich basisorientiert und möglichst hirarchiefrei gegen diese Zustände organisieren weiterhin notwendig. Ihr wollt also über den G20 ohne Aktivist*innen diskutieren? Macht das. Wir laden uns einfach selber ein. Kritische Stimmen vor der Gedenkstätte und drinnen, während der Veranstaltung sind bestimmt gerne gesehen.

Unser Antwort auf ihre Repression – Solidarität!
Weg mit Verfassungsschutz, Polizeisaat, dem Veldensteiner Kreis und extremismustheoretischer Scheiße!

Gegen-Kundgebung und Gefangenen Briefe schreiben:
Do, 05.07.2018 | 18:00 Uhr | Gedenkstätte Hohenschönhausen (Genslerstraße 66 / Hohenschönhausen)

Vortreffpunkt: 17:30 Uhr | S-Bahnhof Ostkreuz | Gleis 4

North-East Antifascists [NEA] | www.antifa-nordost.org
(Juli 2018)

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