Zusammensetzen - Widersetzen - Besetzen
Demobericht zur #Mietenwahnsinn -Demonstration am 14.04.2018 in Berlin.
Vielversprechender Aufschlag eines heißen stadtpolitischen Frühsommers bei der #Mietenwahnsinn Widersetzen-Demonstration. So schön auch die hohe Beteiligung an der Demonstration war, weitaus wichtiger war die Breite des Teilnehmer*innenspektrums und der Themen, die sie dort artikulierten.
Zusammensetzen – Widersetzen – Besetzen
(von: https://besetzen.noblogs.org/ )
Vielversprechender Aufschlag eines heißen stadtpolitischen Frühsommers bei der #Mietenwahnsinn Widersetzen-Demonstration.
Ob es schlussendlich 20.000, 25.000 oder gar mehr Menschen waren, die gemeinsam gegen den Wahnsinn der neoliberalen Stadt demonstrierten, ist am Ende gar nicht so wichtig. Sicher ist, es waren viele. Sehr viele. Während die Spitze der Demonstration den Anfang Kreuzbergs erreicht hatte, warteten immer noch Menschen auf dem Startpunkt, dem Potsdamer Platz, darauf, auch loslaufen zu können. Obwohl eine hohe Teilnehmer*innenzahl im Vorfeld erwartet wurde, übertraf das Bild am 14. April dann doch viele Erwartungen.
So schön auch die hohe Beteiligung an der Demonstration war, weitaus wichtiger war die Breite des Teilnehmer*innenspektrums und der Themen, die sie dort artikulierten. Mitarbeiter*innen, Kinder und Eltern des Kinderladens „Wilde Bande“ aus Kreuzberg, demonstrierten ebenso gemeinsam für den Erhalt ihrer Einrichtung, wie die älteren Semester des Schmargendorfer Mieter*innenprotestes, oder Mieter*innen des Immobilienriesen „Deutsche Wohnen“, die sich als eigener Block beteiligten. Neben einer Vielzahl an Hausgemeinschaften, Kiezinitiativen und stadtpolitischer Gruppen, die durch Transparente, Schilder und das ein, oder andere mobile Kunstwerk auf ihre jeweiligen Kämpfe und Themen aufmerksam machten, demonstrierten auch Aktivist*innen von selbstverwalteten, sozialen Räumen, wie den akut bedrohten Jugendzentren Potse & Drugstore aus Schöneberg, oder des besetzten, sozialen Zentrums „Hasi“ in Halle, gemeinsam in einem Frei(t)räume Block. Die rasante Aufwertung der umliegenden Bezirke, durch die forcierte Ansiedlung innovativ-ausbeuterischer Start-Ups und Technologiefirmen wurde am Beispiel des geplanten Google Campus im Kreuzberger Umspannwerk ebenso thematisiert, wie die fortschreitende Kommerzialisierung und Vertreibung alternativer Kunst- und Kulturprojekte in einem eigenen „Kunst Block“.
Auf Flyern wurde ebenso zum Protest gegen die kommende Aktionärsversammlung der deutschen Waffenschmiede Rheinmetall aufgerufen, wie zur Verteidigung des queerfeministischen Wohnprojekts Liebig34 in Friedrichshain, oder zur Störung der Verleihung des Axel-Springer-Preises an den Chef des Internetriesen Amazon.
Auch kursierten zigtausende Flyer, in dem „selbstbestimmte Berliner*innen“ für das laufende Frühjahr unter #Besetzen eine radikale Intervention in das Prinzip von spekulativem Leerstand und renditeorientierten Eigentumsverhältnissen ankündigten.
Sowohl die Vielzahl der vertretenen Themen, als auch die gegenseitige Solidarität während der Mobilisierung und auf der Demo selbst, hat zweierlei deutlich gemacht:
Zum einen hat die vielseitige gemeinsame Arbeit und Diskussion der letzten Jahre dazu geführt, dass die alte Sponti-Parole „ob friedlich oder militant, wichtig ist der Widerstand“ im großen, folkloristischen Jubiliäumsjahr der 68er Proteste, nichts an Richtigkeit und Aktualität verloren hat. Die Spaltung in „legitimen“ bürgerlichen Protest für etwas niedrigere Mieten, besseren Bestandsschutz, oder mieter*innenfreundlichere Gesetze und „radikale“ Formen des Widerstands durch Besetzungen, Enteignungen und lokale Selbstverwaltung von Unten, hat nicht funktioniert. Auch wenn Teile der (rechts-)konservativen Öffentlichkeit, wie die fleischgewordene Stammtisch-Parole Gunnar Schupelius, in allerlei Horrorszenarien davor warnten, dass „linksradikale Staatsfeinde“, „militante Hausbesetzer“ oder „Kämpfer der linksextremistischen IL“ die Demo „unterwandert“ hätten, sorgte dies vor Ort nur für Belustigung und nicht etwa für das massenhafte Fernbleiben.
Zum anderen wurde deutlich, dass die Frage „Wem gehört die Stadt?“ nicht mehr nur durch ein bisschen mehr Mieter*innenschutz, ein bisschen weniger Miete und das ein, oder andere „soziale Projekt“ beantwortet werden kann. Die Aufwertung unserer Stadt ist in vollem Gange, da ändern auch einige kommunal gekaufte Häuser und unterzeichnete Abwendungserklärungen nichts dran. Auch wenn jede individuelle Verdrängung, die durch diese Instrumente (vorerst) abgewendet werden kann, erst einmal ein Grund zur Freude sein darf.
Doch alle Instrumente von Seiten der Politik haben eng gesteckte Grenzen, wenn sie denn überhaupt ausgeschöpft werden. Alle kleineren und größeren Erfolge gegen Verdrängung, Aufwertung und eine neoliberale Stadtpolitik von Oben, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Puzzleteil für Puzzleteil weiterhin an dem Wunschbild einer innovativen, sterilen, einheitlichen und vor allem teuren Stadt gebaut wird. Immernoch verschwinden täglich altbekannte Geschäfte, soziale Treffpunkte, oder unkommerzielle Räume aus dem Bild der Kieze. Immer noch werden tagtäglich Menschen dazu gezwungen, ihr gewohntes Lebensumfeld zu verlassen, werden mit brutaler Gewalt aus ihren Wohnungen und Läden geräumt, oder finden erst gar keine Wohnung und sind gezwungen in halber Obdachlosigkeit von Couch zu Couch zu tingeln. Anstatt gegen Investor*innen vorgegangen wird, die Menschen aus kaltem Profitstreben aus ihrer angestammten Existenz treiben, wird allerorts lieber in das „subjektive Sicherheitsgefühl“ investiert, das Ordnungsamt aufgestockt, oder sichtbare Ausdrücke der steigenden Armut, wie Obdachlose, oder Trinker*innen aus dem eigenen Blickfeld verdrängt.
Die Stadt von Unten kann nur direkt von uns, denen die dort wohnen und leben, erkämpft und gelebt werden. Selbstbestimmt, selbstorganisiert und im besten Sinne des Wortes, radikal anders. Dazu bedarf es sowohl vielfältigem Widerstand gegen die Misere des neoliberalen Alltags, als auch der Verteidigung bestehender, emanzipatorischer und kollektiver Projekte und die Erkämpfung neuer.
#Besetzen ist ein Beitrag dazu. Stay tuned.
Und jetzt heißt‘s weitermachen im Wedding:
Antikapitalistische Demonstration: Widerständig und solidarisch im Alltag – Organize!
30. APRIL 2018 – 16 UHR – U-SEESTR. – BERLIN-WEDDING
Besucht auch die Aktionstage von von Hände Weg vom Wedding, der Berliner Obdachlosenhilfe, Basta – der Erwerbsloseninitiative, der Freien Arbeiter*innen Union, Berlin Postkolonial, Ban Racial Profiling, Berlin Migrant Strikers und anderen.
Termine gibt‘s unter: organizeberlin.blogsport.eu/termine