BASKISCHE FRAUEN ALS POLITISCHE GEFANGENE (Teil-1)

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Gefängnis als patriarchales Element - Im Dezember 2016 trafen sich erstmals mehr als 60 Frauen, allesamt ehemalige baskische politische Gefangene, zu einer dreitägigen Klausurtagung. Sie tauschten ihre Erfahrungen aus und lernten sich kennen. Ziel war der Erfahrungsaustausch, gegenseitigiges Kennenlernen und die Analyse ihrer Situation. Mit einem Manifest stellte sich die Gruppe öffentlich vor und leistete einen ersten Beitrag zur Aufarbeitung der besonderen Repression gegen Frauen, geprägt von geschlechtsspezifischer Gewalt.

Normen, die uns sagen, wie Männer und Frauen zu sein haben, sind tief in unserem Unterbewusstsein verwurzelt. Bei diesen Normen geht es sich um Struktur und Hierarchie der Gesellschaft. Rein formal ist die Gleichstellung der Geschlechter eine Regel, die in der Verfassung und in verschiedenen Gesetzen festgeschrieben ist. Aber letztlich ist sie nur Papier. Denn die praktische Umsetzung dieser formalen Gleichstellung ist weder gegeben noch gewünscht. Allein die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern macht deutlich, dass von institutioneller Seite kein Interesse an einer Gleichstellung besteht. Diese Zwei-Geschlechter-Gesellschaft gilt für alle gesellschaftlichen Bereiche zu betrachten. Sie betrifft nicht nur arbeitsrechtliche Faktoren, sondern das gesamte öffentliche Leben, die Art und Weise wie die Freizeit gestaltet wird. Sie ist das Modell einer Gesellschaft, das wir im Kopf haben, und umfasst urbanistische Gesichtspunkte, Körperpflege und Sexualität.

Systemtragende Einrichtung

Das Gefängnis als Institution ist ein weiteres Element dieses systemtragenden Musters. Gefängnis ist eine repressive Einrichtung, sie ist durch und durch patriarchal. Gefängnis, im Gegensatz zu anderen gesellschaftlichen Bereichen wie Gesundheit, Erziehung oder Arbeit, hat sich im Laufe der Zeit nicht maßgeblich verändert. Im Gegenteil: es hat seine verkrustete repressive patriarchale und sexistische Struktur von den Anfängen bis heute beibehalten. Die Institution Gefängnis, wie wir sie heute kennen, begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts.

Gefängnisse gab es bereits im Altertum, ihre Funktion und Bedeutung unterschied sich jedoch stark von heutigen Gefängnissen. Tatsächlich spielte die Inhaftierung von Kriminellen bis zum Beginn der Neuzeit nur eine untergeordnete Rolle im Strafenkatalog. Stattdessen wurde eine Vielzahl verschiedener Sanktionen verhängt, etwa Bußgelder, Schandstrafen (Pranger), Verbannung aus der Stadt (vor allem gegen Landstreicher und Kleinkriminelle), drakonische Körperstrafen (Prügel, Peitschen, Abhacken von Gliedmaßen, Blendung, Abschneiden der Ohren) oder Todesstrafen (Enthaupten, Erhängen, Verbrennen, Rädern), die meist öffentlich vollzogen wurden.

Freiheitsentzug als eigenständige Strafe existierte im Grunde nicht, Menschen wurden meist nur temporär in Gefängnisse gesperrt, entweder im Sinne einer Untersuchungshaft oder bis sie ihre eigentliche Strafe erhielten.

Gefängnis ist ein System vielseitiger Unterdrückung, das drei wesentliche gesellschaftliche Strukturelemente vereint: Kapitalismus, Kolonialismus und Pariarchat. Es ist ein Mikroraum, ein Versuchsfeld für Machtbeziehungen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Gesellschaft, in der wir leben eine patriarchale Gesellschaft ist mit mehrfachen Unterdrückungs-Mechanismen Frauen gegenüber, dann werden diese Mechanismen im Gefängnis ins Unendliche verfielfacht.

Welche Personenkreise finden wir generell im Gefängnis vor? Bei der großen Mehrheit handelt es sich um arme Personen, großenteils nicht von weißer Hautfarbe, im Allgemeinen politische und soziale Dissidenten, Abtrünnige, Andersdenkende, vom gesetzlich und gesellschaftlich vorgegebenen Weg abgekommene: All jene, die von der Gesellschaft, ihren Institutionen und Gesetzen als Abweichler betrachtet werden. Querdenker, die die Gesellschaft nicht sehen oder in ihrer Mitte haben will.

Das Gefängnis ist ein Instrument zur Zerstörung von Persönlichkeit; eine Maschinerie, die Menschen zerstümmelt, erniedrigt, sozial ächtet, auf verschiedenen Ebenen: kulturell, politisch, sozial und emotional. Wenn wir Isolationhaft – und wie im Fall der baskischen poltischen Gefangenen, die Zerstreuungspolitik – dazunehmen, dann betrifft die Strafe nicht nur die von der Justiz bestrafte Person, sondern auch ihr Umfeld, also Familie und Freundeskreis. Diese Politik schafft bei den gefangenen Frauen ein Gefühl von Schuld. Damit arbeitet die Gefängnismaschinerie permanent und übt Druck aus. (Folgt Teil-2)

http://www.baskultur.info/kultur/oekonomie/398-frauen-gefaengnis

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