(F) "OP Namenlos": Weitere Räumungen in der ZAD !

Räumpanzer im Graben – nddl, April 2018

Seit Montag räumen tausende Militärs zahlreiche Besetzungen in der ZAD NDDL/Notre-Dame-des-Landes. Nach dem über ein halbes Jahrhundert erkämpften Erfolg, das Flughafen-Projekt des Vinci-Konzerns zu verhindern, macht der französische Staat offenbar ernst mit der Räumung des größten autonomen Projektes in Europa. Es gab dieser Tage zahlreiche heftige Auseinandersetzungen auf dem Gebiet. Nach der Räumung von mindestens 30 Wohnorten bis Mitte der Woche schien kurzzeitig Entspannung einzusetzen. Doch es scheint als hätte die vor drei Monaten sukzessive Besetzung der ehemaligen "Schikanen-Straße" – deren Räumung von Teilen der Protestbewegung begünstigt und mitumgesetzt wurde – die Basis für eine ungesehene Militäroperation, die die ZAD existenziell gefährden könnte. In diesen Mittagsstunden haben Auseinandersetzungen im westlichen Teil der ZAD begonnen... Ein kurzer Überblick zu Kontext und aktuellen Geschehnissen.

Spaltung trotz Erfolg

Keine drei Monate hatte es also gedauert, bis sie wirklich kamen. Am 17. Januar 2018 verkündete die Regierung noch einen der greifbarsten Erfolge der Umweltbewegung der letzten Jahre: Der Großflughafen, der seit den 70er Jahren umstritten ist, wird nicht gebaut!
30.000 feierten am 8. Februar diesen Erfolg, doch der Staat verkündete, dass nun der Kampf gegen die "Zone des Unrechts" oberste Priorität haben werde.

Die seit Jahren gewachsene Bewegung zerstritt sich in Teilen an der Frage der Kollaboration mit den staatlichen und legalistischen Institutionen. Fast im Alleingang räumten Teile der engagierten Bäuer*innen die Landstraße D281 (für ihre 50 teils bewohnten Barrikaden berühmt und berüchtigt) – Konsensfindung war aus unerklärlichem Druck plötzlich von Gestern.
Zwischen die Stühle geriet das verhandlungsbereite wenn auch radikal linke "CMDO-Bündnis" einiger wichtiger Projekte. Teilweise abgehängt wurde im Geschehen von Medien und Verhandlungs -Krieg der nicht-verhandlungsbereite, teils öko-anarchistische Part, größtenteils im "wilden Osten" der ZAD.

"l’opération sans nom"

Genau auf der D281 war dann den Februar und März über eine schrittweise Besatzung durch Gendarmerie angesagt. Es wurden Drohnenflüge und Kontrollen organisiert, es gab Übergriffe und Durchsuchungenvon Wohnräumen in Abwesenheit der Besetzer*innen.
Mit einem Camp und Aufrufen das Räumungsultimatum der französischen Regierung, dass auf den 31. März lautete, zu kontern, erfolgten weitere Aktivitäten – Internationale Gruppen bauten einen weiteren Versammlungsraum, die "Ambazada", zwischen "Moulin" und "Wardine".

Die Teils wieder-errichteten Barrikaden der D281 hielten nicht lange als am Montag der Staat ernst machte. 2.500 Gendarmen sind angeblich mobilisiert und die Räumungen der ersten 24 Stunden betrafen gut 15 Lebensräume. Unter anderem gehörte der Bauernhof der "100 Noms" dazu – möglicherweise ein folgenschwerer Kunstfehler der Operation. Denn der Hof gehörte zu den Schnittstellen der gespaltenen Bewegung – die eingesetzten Truppen verpassten es nicht im gleichen Abwasch renitente Leute aller Berufe, allen Alters und vielfältigster politischer Prägung gewaltsam zu vertreiben. Die Räumung mündete wie bei den anderen Besetzungen in der Zerstörung der Gebäude und in diesem Fall eines großen Landwirtschaftlichen Hangars einer Schäferei.

Aktiv gegen Presse, Ökos und Kontrollverlust

Nachdem sich am Donnerstag auf Zerstörungen im östlichen Teil und das weitere fernhalten von Journalist*innen konzentriert wurde, galt nach der Räumung von mittlerweile 30 Objekten ein Hauptaugenmerk der weiträumigen Abriegelung der Zone. Teilweise wurden Presseschaffende weggeschickt, teilweise mit TNT-Granaten von der Gendarmerie beworfen. Die Einsatzkräfte boten Journalist*innen – deren nationale Union mittlerweile ein "Polizeigewaltkritisches" Communiqué veröffentlicht hat – Bildmaterial an. "Die 200 Kameras der Polizei werden zu einer kontrollierten Berichterstattung beitragen" erklärte heute erneut Innenminister Gérard Collomb. auch der wie ein Cocain-Yuppie gestern im Mittagsmagazin befragte Präsidenten Macron ist mehr schlecht als recht um mediale Erfolge bemüht.
Auch scheint die überregionale Lageeinschätzung die Behörden gut zu beschäftigen. In 80 Städten hatte es noch am Montag spontane Demos gegeben, mit Auseinandersetzungen unter anderem in Nantes und Rennes. Teilweise wurden Rathäuser und Kreuzungen besetzt und blockiert – der französische Staat scheute nicht einmal den Aufwand seine Behörden nach Freiburg im Breisgau zu mobilisieren, um sich einen Eindruck einer Solikundgebung von 30 Linken am Mittwoch zu machen.
In vielen Ländern gab es Solidaritätsbekundungen und auch die Mobilisierung zur Großdemo in Nantes am morgigen Samstag und der ZAD-Rückhol-Demo auf dem "Chemin de Suez" am Sonntag wird mittlerweile von weiten Teilen der Bewegung auch außerhalb des radikalen Spektrums getragen. Und das auch bei Bildern die brennende Räumpanzer und Berge von Granaten zeigen – Sanitäter*innen berichten über zahlreiche ärztliche Notfälle, durch ein Wunder ist noch kein Mensch gestorben...

Seit Freitag dem 13. April hat der Staat nun eine weitere rote Linie, die der zweiten wichtigen Landstraße die NDDL mit Vigneux-de-Bretagne verbindet, gen Westen überschritten. Am Vormittag meldeten die autonomen Medien aus der Zone immer wieder Auseinandersetzungen, das Piratenradio sendet auf der Autobahnfrequenz und Voküs wie Pennplatzbörsen organisieren sich auf der ZAD und in Nantes. Für einen großen Lacher sorgte die Präfektin, die nach vier Tagen der exzessiven Polizeigewalt nun erneut eine 10 Tägige Frist zur Legalisierung der Squats und landwirtschafts-Projekte gesetzt hat – und das obwohl laufende Anträge während den Räumungen bereits ignoriert wurden. 

Macron gegen den Rest der Welt

Ganz überraschend kam der Beginn der Räumung in der ZAD nicht. Dennoch sucht die Härte mit der der französische Staat derzeit gegen soziale Bewegungen vorgeht ihres Gleichen. Dabei ist die Situation vielerorts alles andere als stabil. Nachdem kurz nach der Flughafenabsage im Februar Atommüllgegner*innen in Bure in Lothringen mit einem großen Militäreinsatz geräumt wurden und der Staat um die Akzeptanz von Reformen im Arbeitsmarkt und im öffentlichen Dienst ringt, eröffnet er nun noch eine Front. Nebenbei gab es noch zahlreiche Hausdurchsuchungen gegen Anarchist*innen – eigentlich gäbe es für den Staat vermutlich im Bereich des religiösen Fanatismus genug zu tun.

Verzettelt sich angesichts bestreikter Unis und Verkehrswege der frischgebackene Präsident, oder ist auch eine Strategie in dessen Vorgehen zu erkennen?
Vielleicht sollen Kräfte gebündelt werden, damit die Großstädte in zwei Wochen angesichts 50 Jahren '68-Revolte nur halb so sehr in Flammen stehen. Vielleicht ist es auch eine große Ablenkung, um großmäulige Syrienkommentare, Antiterror-Schlappen oder Misserfolge der Tarnac-Prozesse zu übertünchen. Darüber lässt sich diskutieren und spekulieren.
Wie steht es um die Tragweite der aktuellen Geschehnisse und wie kann es sein, dass die Ereignisse auch wie Räumungen in den Unis Nanterre, Tolbiac oder Sorbonne hierzulande ignoriert werden ? Wäre es nicht Zeit für einen Aufschrei gegen die verlogenen Militärregimes in demokratischer Kleidung hier und anderswo ?

In jedem Fall sind akut Solibekundungen und Mobilisierungen nach Frankreich gefordert.

Verfolgt die Auseinandersetzungen und bezieht euch aufeinander, denn die ZAD ist überall !

Solidarität mit den von Repression und Staatsgewalt betroffenen !

Nous referons des Barricades et la vie, nous la gagnerons !

nantes.indymedia.org/
zad.nadir.org/

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