Roland Simon - Ukraine 2022

Regionen: 

Roland Simon von Théorie communiste zum Krieg in der Ukraine.

Ein Zusammenbruch des Sowjetregimes würde unweigerlich einen Zusammenbruch der Planwirtschaft und damit die Abschaffung des staatlichen Eigentums nach sich ziehen. Die Zwangsbindung der Trusts untereinander und zwischen den Fabriken eines Trusts würde sich lockern. Die erfolgreichsten Unternehmungen würden sich beeilen, selbständige Wege zu gehen. Sie könnten sich in Aktiengesellschaften umwandeln oder eine andere transitorische Eigentumsform finden, etwa mit Gewinnbeteiligung der Arbeiter, Gleichzeitig und noch leichter würden die Kolchosen zerfallen. Der Sturz der heutigen bürokratischen Diktatur, wenn keine neue sozialistische Macht sie ersetzt, wäre also gleichbedeutend mit einer Rückkehr zu kapitalistischen Verhältnissen bei katastrophalem Rückgang von Wirtschaft und Kultur.

Trotzki, Die verratene Revolution, 1957 (1936)

Die Invasion der Ukraine durch Russland ist kein Weltkrieg, aber ein Krieg mit weltweiter Bedeutung.

In der Krise ist die Restrukturierung defekt

Jede Phase der kapitalistischen Produktionsweise enthält ihre militärische Formation, das Ausbeutungsverhältnis als Klassenkampf ist sowohl wirtschaftlich als auch politisch und militärisch. In der reellen Subsumtion der Arbeit unter das Kapital setzen alle Kriege nicht nur zwei antagonistische Ziele verfolgende Feinde einander entgegen, sondern allen voran zwei durch die Polarisierung eines selben Widerspruches konstituierte und konstruierte Feinde, jeder von ihnen repräsentiert einen Pol und trägt in sich selbst die Existenz und die Notwendigkeit des anderen.

Gegenwärtig ist, seit der Krise von 2008, die jene der Produktionsweise war, so wie sie in den 1970er-1980er restrukturiert worden war, der weltweit aufzulösende Widerspruch jener der Entkopplung zwischen der Kapitalverwertung und der Reproduktion der Arbeitskraft, die das Prinzip der Globalisierung selbst war. Es geht darum, weltweit die Kapitalakkumulation und die Reproduktion der globalen Arbeitskraft zu reartikulieren. Es wird keine Rückkehr zu nationalen oder nach Blöcken geordneten Akkumulationsformen geben. In der Konfrontation zwischen den USA, der Europäischen Union, China und Russland geht es darum, herauszufinden, welcher Block, durch die Rivalitäten und Bündnisse zwischen diesen vier Mächten, ein hierarchisiertes, aber weltweit für die „Besiegten“ akzeptables Modell durchsetzen wird.

Das Kapital bringt nie durch sich selbst Lösungen für seine Widersprüche hervor und auch nicht in der alleinigen konkurrierenden Konfrontation zwischen den Mächten. Die Grundlage ist immer die Ausbeutung, die dazu führt, dass diese Konfrontation nur durch die Konfrontation mit dem Proletariat einen Sinn bekommt. Es sind der besiegte Kampf der Klasse und die zum Sieg über sie notwendigen Modalitäten und „gesellschaftlichen Erfindungen“, welche die Eigenschaften einer Restrukturierung skizzieren. Die reelle Subsumtion ist immer noch im Entstehen begriffen [1]. Aber gegenwärtig repräsentieren weder die USA noch Russland, China oder Europa eine kommende Restrukturierung, das Spiel, bis hin zum Krieg zwischen den Mächten, ist nur die offensichtliche Existenz des aufzulösenden Widerspruches und der Widerspruch durchdringt sie, er reproduziert seine Pole in jeder von ihnen. Für alle ist der Widerspruch als Wesen des Staates und Verhältnis zwischen der Verwertung und der Reproduktion der Arbeitskraft auf weltweiter Ebene auf dem Tisch. Doch die Restrukturierung ist defekt.

Die Frage stellt sich heute auf solch heftige Art und Weise, weil wir die Grenze aller „was immer es dazu braucht“ und „Freigiebigkeiten“ der Zentralbanken erreicht haben. Während der Krise 2008 ist die Entkopplung von der Dynamik der Globalisierung zu ihrer Fessel geworden, die Abteilungen I und II der Reproduktion artikulieren sich nicht mehr, die Krise der Überakkumulation ist mit der Unterkonsumtionskrise identisch geworden, das Gleichgewicht der Unterinvestition, das die Profitrate aufrechterhalten hatte, bricht in der monetären Misswirtschaft zusammen und die Inflation verstärkt die Entkopplung. Wenn wir die Entkopplung als Essenz und Dynamik der Globalisierung dieser letzten dreissig Jahre betrachten, dann ist eine Welt in eine Krise eingetreten und sie muss sich erneuern. Diese Welt war jene der amerikanischen Globalisierung.

Die Krise der amerikanischen Globalisierung

Diese Welt, aufgrund des Wesens des restrukturierten Kapitals als Fluidität der Reproduktion entsprechend der Extraktion von Mehrwert in ihrem relativen Modus, war notwendigerweise Globalisierung. Das wurde 1990 durch den Zusammenbruch der UdSSR und des Ostblocks bestätigt. Die Entnationalisierung der zentralen Staaten und das Ende der Internationalisierung, d.h. der Beziehungen zwischen „integrierten nationalen Systemen“, waren auch gleichbedeutend mit dem Ende der Arbeiteridentität, deren Repräsentation die UdSSR staatlich und geopolitisch war: d.h. die Kristallisation einer globalen Struktur des Klassenkampfes (was wir auch immer darüber denken mögen).

Indem sie die Kapitalverwertung und -zirkulation von der Reproduktion der Arbeitskraft getrennt hat, hat die Globalisierung kohärente national und regional voneinander abgegrenzte Reproduktionsbereiche zerschlagen. Dieser Bruch hat eine globale Unordnung kreiert, die kontinuierlich durch Militäroperationen mit Polizeioperationen assimilierende Gewalt reguliert werden musste. Ab dem Verschwinden der UdSSR war die amerikanische Regulierung der Unordnung ihre permanente Verwaltung, gleichgültig gegenüber einer stabilen Formation des Gesellschaftlichen. Die USA strebten nicht danach, die Welt zu erobern, sondern die Unordnung durch ein anderes System als jenes der Konkurrenz zwischen Staaten zu regulieren. Was häufig durch gezielte Massaker als regulierende Akte und dem Ende der Unterscheidung zwischen Krieg und Frieden zum Ausdruck kam, diese Unterscheidung setzte eine lokale Verwaltung des „sozialen Friedens“ voraus. Das war der „globale Krieg gegen den Terrorismus“: global und, von Natur aus, endlos.

„Idealerweise“ sollten die Staaten nur noch einfache Provinzgouverneure sein. Den autonomen lokalen Kriegschefs erlaubte man einige lokale (Wieder-)Eroberungs- oder Balkanisierungskriege (Ex-Jugoslawien, Kaukasus, Naher und Mittlerer Osten – Israel eingeschlossen –, Kolumbien, Zentralamerika, Mexiko, Indonesien), gelegentlich im Bündnis mit diversen mafiösen Netzwerken, dem einzigen globalen Zweig des Kapitals, der sowohl mit dem Finanzkapital als auch mit permanenter lokaler Gewalt umgehen kann.

„Idealerweise“ sollte die Gewalt die Fortsetzung der Wirtschaft mit anderen Mitteln sein, ohne politische Vermittlungen abgesehen von diversen Stufen von Interventionen „mit dem Holzhammer“, „forcierten Friedensmissionen“, Polizeimissionen, humanitären Missionen (welche die Verwurzelung einer Marktwirtschaft begünstigen). In allen Fällen ohne Verhandlungen zur Etablierung „eines akzeptablen Lebens für die Besiegten“. Lokal konnten sich komplexe konfliktreiche Untersysteme (vielfältige Gegner) konstituieren, die keine Intervention des „Anführers“ erfordern.

„Idealerweise“ ging es darum, im Vornhinein den Globalismus der amerikanischen Interessen zu bekräftigen, indem die nationalen Souveränitäten und die Logiken territorialer Nachbarschaften dekonstruiert und die produktiven, nationalen, politischen, religiösen und ideologischen Elemente zu funktionalen transnationalen Zweigen, über die sich die „natürliche Leadership“ der USA entfaltet, neu zusammengesetzt worden sind. Zu diesem Zweck ging es darum, die Staaten oder sozialen Bewegungen, feindliche oder den Markt, den Warenfluss, die Kapitale und die „Befreiung“ der Arbeitskraft blockierende Guerillas zu eliminieren. Einerseits war die wirtschaftliche und militärische Globalisierung, reguliert durch die USA ab dem Ende der 1980er Jahre, „Balkanisierung“ durch die Zerstörung aller nationalen Souveränitäten und Regulierungen und andererseits eine Form der „Entbalkanisierung“, der Wiedervereinigung dieser Welt durch den Aufbau von gemäss nicht souveränen Logiken vereinigten Wirtschaftsräumen. Die amerikanische Globalisierung kombinierte zwei Strategien: „die Clintonsche Erweiterung“ und die „zivilisatorische Ghettoisierung“ der republikanischen Rechten.

Für die USA ging es ausserdem darum, über Bündnisse mit definierter Territorialität hinauszugehen, es war das Moment der „Obsoleszenz der NATO“ und der Partnerschaft mit Russland. Die NATO wurde zu einem neuen offensiven Bündnis gegen wahrscheinliche Unsicherheiten, ohne vorbestimmte Zonen. Es handelte sich nicht um ein Bündnis der USA mit dem „souveränen russischen Staat“, es waren Russland und seine Umgebung selbst, die zu einer „Grenze der Erweiterung“ im amerikanischen Sinne der „Grenze“ geworden waren. In den Begriffen des Abkommens: „Die NATO unterstützt militärisch die Demokratisierung und die Ausbreitung der liberalen kapitalistischen Wirtschaft in Russland und seiner Peripherie.“

Bis „das Ideal“ im Irak und in Afghanistan durch die unvermeidbare Notwendigkeit der Entsendung von Bodentruppen nach den Besatzungen zusammenbricht. In den arabischen Ländern des Mittelmeerraumes waren die proletarischen und interklassistischen Revolten gleichbedeutend mit dem Scheitern einer kapitalistischen Klasse, die als klientelistische Oligarchie aufgebaut worden war, sie ist eins mit repressiven Apparaten des Staates, der jegliche Produktion oder Dienstleistung in Renten produzierende Tätigkeiten verwandelt, die in den Fluss der globalen Kapitalverwertung eintreten können. In gesamten Gebieten wie Zentralasien, Zentralamerika oder Afrika teilten die Bourgeoisie, die Bürokratie, Mafias, die Polizei und die Armee Monopole untereinander auf, sie verwalteten die ausländischen Investitionen und Tätigkeiten, die sich mit der globalen Verwertung artikulieren konnten, und erschufen eine konstante Diskrepanz zwischen der Masse an verfügbarer befreiter Arbeitskraft und deren Absorbierung als solche.

Eine Ausbeutungsweise der Arbeitskraft auf globalem Niveau und eine Kapitalverwertungsweise sind ausser Atem und brechen in ihrer Erschöpfung zusammen.

Die Übereinstimmung, in der gegenwärtigen Krise, zwischen Überakkumulations- und Unterkonsumtionskrise bedeutet, dass die Entkopplung zwischen Kapitalverwertung und Reproduktion der Arbeitskraft zu einem Problem geworden ist. In dieser Übereinstimmung der Krise wird die Entkopplung, die während einer Phase der Produktionsweise funktional war, widersprüchlich für ihren eigenen Fortbestand. Das sowohl auf der Ebene der globalen Architektur der Realisierung, die aus den USA den Konsumenten in letzter Instanz macht, als auch auf der genauso wichtigen und vielleicht künftig noch wichtigeren Ebene der „nationalen“ Entwicklung der „Schwellenkapitalismen“.

Das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Gewalt war durch die Erschaffung der Nationalstaaten vom 17. bis ins 19. Jahrhundert und danach durch die Bipolarität Ost/West während der ersten Phase der reellen Subsumtion vereinfacht worden. Die amerikanische Verwaltung der Unordnung der Globalisierung, die darin besteht, die nationalen Souveränitäten und Nachbarschaftslogiken zu dekonstruieren, hat zu einer überbordenden, unkontrollierbaren und entropischen Situation geführt.

Die gesamte Geographie der globalen Reproduktion des Kapitals und ihre Zonenunterteilung als Bild im Bild zerfallen. Was ein System ausmachte, tut das nicht mehr: Die Sparpolitik und die Lohnsenkung unter den Wert der Arbeitskraft halten die Zuweisungen über eine künftige Verwertung des sich selbst an der „Notenpresse“ nährenden Finanzkapitals nicht mehr in Gange. Es wird kein Zurück geben, aber die Globalisierung kann in eine momentan undefinierbare andere Richtung gehen und diese könnte nur eine Funktion der neuen Modalitäten der Verwertung, d.h. des Ausbeutungsverhältnisses, sein.

Diese Entkopplung war ein globales System. Im Zusammenbruch dieses Systems (eine chaotische Situation, in welcher das Chaos nicht mehr reguliert wird) kommt die Notwendigkeit einer Rekonfiguration des globalen Zyklus des Kapitals an Stelle der gegenwärtigen Globalisierung zutage. Eine Renationalisierung der Volkswirtschaften, welche die Globalisierung überwindet oder an ihr festhält, eine Entfinanzialisierung des produktiven Kapitals oder neue Modalitäten der Integration und Reproduktion der Arbeitskraft im eigentlichen Kapitalzyklus sind bis anhin nur Eventualitäten und Hypothesen.

Die Restrukturierungen der kapitalistischen Produktionsweise folgen nie einem Plan, sondern sie sind ein Resultat der internen Konfrontationen der globalen kapitalistischen Klassen und allen voran der Konfrontation mit dem Proletariat. Die Fraktion der kapitalistischen Klasse, die sich gegen die anderen durchsetzen und eine akzeptable Hierarchie für die Gesamtheit der globalen Klasse erschaffen kann, ist jene, welche das Ausbeutungsverhältnis klärt und rekonfiguriert. Die internen Kämpfe der kapitalistischen Klasse national und global, bis hin zum Krieg, der nur eine Fortsetzung davon darstellt, haben nur den einen Sinn, eine bessere Lösung der Erneuerung der Ausbeutung für die Gesamtheit des Kapitals zu finden.

Putin ist nicht alleine

„Wenn eine Nation während Jahrhunderten ihren Willen zu existieren und sich als staatliche Entität zu konstituieren unter Beweis stellt, können alle Versuche, die zum Ziel haben, auf die eine oder andere Weise eine solche Entwicklung zu ersticken, nur zu einer chaotischen Dimension im Gesamtprozess der universellen Geschichte führen.“ [2]

Krise der amerikanischen Globalisierung: Diese Krise siedelt sich auf globaler Ebene auf zwei zentralen Zysten an: Russland und China und einer dritten auf regionaler Ebene, dem Iran. Es muss in den drei Fällen betont werden, dass der Staat die Wirtschaft dominiert und nicht die Existenz eines getrennten Staates erreicht hat. In Russland ist der Staat nicht der Staat der kapitalistischen Klasse, ihre Generaldirektion, sondern es ist die kapitalistische Klasse (die Oligarchen), welche die kapitalistische Klasse des Staates ist. Die sowjetische Bürokratie hat, sogar nach dem Zusammenbruch der UdSSR, ihren langen Marsch mit dem Ziel, eine gewöhnliche, ihrer revolutionären Ursprüngen entledigte kapitalistische Klasse zu sein, noch nicht abgeschlossen. Was die Europäische Union betrifft, geht es für die USA und Russland nur darum, ihre Spaltungen zu unterhalten, sie ist kein zentraler Streitgegenstand oder potentieller Rivale mehr, auch wenn sie im Krieg in der Ukraine eine bedeutende Rolle spielt. Das zuerst einmal durch die territoriale Kontinuität, die sie der Ukraine mit dem Transit der Militärhilfe anbietet, aber auch durch die inneren politischen Unstimmigkeiten zwischen Staaten oder innerhalb von Staaten betreffend des Verhältnisses zu Russland, die vom Krieg offengelegt worden sind. Der Verlust geopolitischer Zentralität hängt im gegenwärtigen Moment mit ihrer Unfähigkeit zusammen, eine einheitliche Macht zu sein, doch die geopolitische Frage zeigt auf, dass sie keinen Pol des zu überwindenden Widerspruchs darstellt. Weder grosse souveräne Macht, noch Speerspitze der Globalisierung, weder das eine noch das andere, weil die EU bei der in den 1970er Jahren initiierten Restrukturierung der Ausbeutung auf halbem Weg stecken geblieben ist, trotz aller Anstrengungen Sarkozys, Hollandes, Macrons, Schröders, Majors, Johnsons (ohne bis zu Thatcher zurückgehen zu müssen…).

Aber wenn diese Krise sich in der Konfrontation des „Westens“ mit diesen beiden Zysten kristallisiert, dann allen voran, weil die Globalisierung für sich selbst kontraproduktiv geworden ist: Ihre Grenzen und Widersprüche stehen ihr in ihrem Verhältnis zu dem gegenüber, was in der Krise als ihr Anderes entsteht und sich konstituiert. Der „Westen“ und Russland hatten nicht die geringste innere Essenz, welche sie dazu gebracht hätte, sich als Pol eines selben Widerspruchs der existierenden Globalisierung zu definieren, höchstens gewisse Veranlagungen aufgrund ihrer hierarchischen Stellung im System, es ist das Verhältnis zwischen den Polen des Widerspruchs, das graduell ihre Kristallisation hervorbringt und jedem Pol eine nationale Existenz verleiht, durch welche der Widerspruch Geopolitik wird.

In der Konfrontation USA (Westen)/Russland, aber auch Iran, Türkei usw., noch auf einem anderen Niveau, China, werden die möglichen Lösungen für eine globale Rekonfiguration der Ausbeutung entschieden. Kein Staat (kein Protagonist) repräsentiert einen einzigen Pol, aber in jedem spielt ein Pol die Rolle der Dominanten im Verhältnis.

Die aktuelle Krise hat die absolute Übereinstimmung zwischen der Überakkumulation des Kapitals und der Unterkonsumtion der Arbeiter als allgemeiner Prozess der Krisen dieser Produktionsweise zutage gebracht. Die Armut ist zu einem Problem geworden. Wenn diese Krise die Form dieser Übereinstimmung annehmen und sie zutage bringen konnte, dann weil die Reproduktion der Arbeitskraft, wie wir es gesagt haben, Gegenstand einer doppelten Entkopplung gewesen war. Einerseits Entkopplung zwischen der Kapitalverwertung und der Reproduktion der Arbeitskraft, andererseits Entkopplung zwischen Konsumtion der Arbeiter und dem Lohn als Einkommen.

Die Fragen sind nun auf dem Tisch: das Wesen des Staates; das Verhältnis zwischen Kapitalverwertung und Reproduktion der Arbeitskraft; die Mobilisierungsweisen dieser Arbeitskraft durch das Kapital; die Modalitäten des Lohnverhältnisses in den Beziehungen zwischen Anstellung/Arbeitslosigkeit/Prekarität; die Beziehungen zwischen Lohn/Einkommen/Kredit. Der Fall der Profitrate ist immer konjunkturell, ausführlich und determiniert, sowohl historisch als auch lokal.

Auf einem ganz anderen Niveau bezüglich des Ausmasses und der Konfliktualität als der laufende Krieg in der Ukraine mit der direkten und globalen Konfrontation der im Scheitern der Globalisierung auf dem Spiel stehenden Pole brachten schon die Klassenkämpfe in Griechenland nach den Krawallen 2008 in den Griechenland spezifischen Modalitäten die Widersprüche und Sackgassen der soeben in die Krise eingetretenen Kapitalverwertungs- und -akkumulationsweise zutage.

Die Pole des Widerspruchs, die man in Griechenland einerseits als die Rettung des Finanzsystems und andererseits als die Reproduktion der Arbeitskraft durch das Kapital selbst karikieren konnte, waren nur tote Momente, jeder Pol konnte dem anderen nur vorwerfen, zu sein, was er war. Jeder blieb in den Polen selbst der Krise eingesperrt und wiederholte stets seine spezifische Rolle. Das Verhältnis von Syriza zu den europäischen Institutionen hatte der gegenwärtigen Krise allerdings eine Form gegeben. Im Namen der kapitalistischen Produktionsweise hatte Tsipras Draghi gesagt, dass das nicht mehr funktionieren könne. Es ist in diesem Sinne und nur in diesem Sinne, dass die sechsmonatige Konfrontation zwischen der „radikalen populistischen Linken“ und den weisen und ehrwürdigen Institutionen der Krawattenträger in Brüssel, Frankfurt und Washington eine wirkliche Konfrontation war. Die Widersprüche waren da, ausgesprochen und polarisiert, aber ohne eine massive Konfrontation mit dem Proletariat sind sie leblos und dazu verdammt, sich selbst zu karikieren. Die Pole waren nur einseitig widerspiegelt, im Kapital, und zeigten nur das Auftauchen des Problems.

Im gleichen Sinne bedeutet der Krieg in der Ukraine, dass die Fragen immer noch da sind, aber sie befinden sich nun auf einem anderen Niveau, die Metastasen sind global und bis anhin kann keine kapitalistische Lösung die Auflösung der gesetzten Probleme vereinheitlichen. Die Geschichte besteht aus Momenten, Situationen und Ereignissen, die Widersprüche zu einer Synthese zusammenfassen, welche bis dahin ihr eigenes Dasein führten. Die Widersprüche verlieren nicht ihre Besonderheiten, doch sie treffen und durchdringen sich. Die russische Invasion der Ukraine ist diese Art von Ereignis. Das Prinzip ist einzigartig, es ist die Globalisierung als grundlegende Krise der Entkopplung, doch die Manifestationen davon sind in ihrer Anordnung, ihren Eigenschaften und ihren eigenen Dimensionen vielfältig. Alles gerinnt: Klassenkämpfe, politische Krise der Politik, geopolitische Konfrontationen.

Was seit 2008 auf dem Spiel steht, ist eine Rekonfiguration der Globalisierung, welche die Staaten und ihre nationale Organisation zur Existenz und Einflussnahme betrifft. Wir erleben ein notwendiges „nationales Moment“, es ist nicht eine „Lösung“, es ist ein Moment der Krise und nur ein Hinweis auf die Perspektive. Es wird „momentan“ (?) nichts an der Stärkung der Staaten oder Staatsblöcke vorbeiführen, daher kommt die Bedeutung der Ukraine für Russland, ohne sie ist es wirtschaftlich, politisch und ideologisch kein Staat. Ohne die Ukraine existiert Russland nicht als Staat und existierte nie als solcher [3]. Um in der Rekonfiguration der Globalisierung, wovon es nun sowohl geopolitisch als auch strukturell (konzeptuell) einen blockierenden Pol darstellt, ein Gewicht zu haben und eine Rolle zu spielen, muss Russland dem Fluch des Rentierstaates entfliehen und dabei im wesentlichen seinen Nachschub an Devisen und die Zufuhr für sein Budget aufrechterhalten. Eine schwierige Gleichung, womöglich unlösbar, ausser es bringt all sein militärisches Gewicht ins Spiel (aber, wie Napoleon sagte, man kann „mit einem Bajonett alles machen, aber [man kann] nicht darauf sitzen“).

Es ist hier notwendig, Thomas Gomart (Direktor des Französischen Instituts für internationale Beziehungen IFRI) ausführlich zu zitieren, er skizziert ein stichhaltiges Panorama des von der Gewalt beschleunigten gegenwärtigen globalen Spiels:

„Es ist eine zentrale Krise für das internationale System, denn sie prallt auf das Gleichgewicht der Kräfte, nicht nur auf der Ebene Europas, sondern auch auf jener Eurasiens, die von Brest bis nach Wladiwostok reicht. Für Russland ist die Ukraine ein Schauplatz unter anderen. Der Zyklus der westlichen Interventionen endete in Kabul im August 2021 mit dem amerikanischen Debakel. Im Sicherheitsrat wird die Handlung Russlands weder von China, noch von Indien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten verurteilt. Halten wir anbei fest, dass diese beiden Länder die ‚strategischen Partner‘ Frankreichs in der indopazifischen Region sind. Auf einer tieferen Ebene kann die Annäherung zwischen China und Russland durch die Umsetzung der westlichen Sanktionen gegenüber Russland nur beschleunigt werden. Indem es die Ukraine annektieren will, braucht Russland China immer offensichtlicher als wirtschaftliche, finanzielle und technologische Alternative. Die neue Phase wird durch einen traurigerweise klassischen europäischen Invasionskrieg eröffnet, doch sie kündigt wahrscheinlich konkurrierende geoökonomische Koalitionen, sowie eine globale Reorganisation der maritimen, finanziellen und Datenflüsse an.

Es kommt zu einer Beschleunigung des Kampfes um die globale Vormacht zwischen den USA und China. Dank Russland kann China Washington dazu zwingen, zwei Fronten offen zu halten: Chinesisches Meer und Schwarzes/Baltisches Meer […]. Zur Zeit des Kalten Krieges hatten die Volkswirtschaften des sozialistischen Blocks und der kapitalistischen Länder kaum Beziehungen zueinander. Heute sind sie zutiefst miteinander verbunden, allen voran mit China, aber auch mit Russland. Daher kommt die Bedeutung der Kontrolle über die Küstengebiete dieses zusammengehörigen kontinentalen Gebietes. Dort, wo Europa und die an Russland grenzende Zone zwischen dem Baltischen und dem Schwarzen Meer (baltische Länder, Moldau, Ukraine, Georgien) aufeinandertreffen, kommt es zu den grössten Spannungen. Auf der Seite des Pazifiks sind es das Chinesische Meer, Taiwan, die beiden Koreas und Japan, wo es zu Reibungen kommt […]. Die Zankäpfel sind die Beherrschung des globalen Produktionsapparates in einem Kontext der Akzentuierung der ökologischen Zwänge und die Beschleunigung der Digitalisierung der Welt.“ [4]

Die Analyse ist exakt, aber prinzipienlos. Was „auf das Gleichgewicht der Kräfte prallt“, sind die Pole der Blockade der Akkumulation auf globaler Ebene. Alles wird in diesen paar Zeilen auf den Punkt gebracht, ausser der Widerspruch der Globalisierung als Totalität, der die Sache existieren lässt und ihre Pole national gesondert darlegt. Die Pole der Konfrontation existieren nicht sui generis, sie werden durch das Wesen der Totalität gesondert dargelegt. Innerhalb der Krise der amerikanischen Globalisierung kommt die westfälische Realität der Beziehungen zwischen Staaten zurück, aber nur als Moment der internen Krise der Globalisierung. Im Gegensatz zu den westfälischen Konfrontationen ist es nun die Totalität, die an erster Stelle steht und sich national polarisiert, wobei sie jeden der Pole durchdringt. Alles wird neu definiert: Der „Illiberalismus“ Ungarns unter Orbán und Polens hat seine Absolution erhalten, es gibt in der Ukraine keine Oligarchen mehr, die „faschistischen“ Milizen des Maidan 2014 haben sich in heldenhafte patriotische Selbstorganisationen zur Verteidigung verwandelt und der Fernsehnarr in eine Ikone der Demokratie, sogar Israel, der Staat der hemmungslosen Kolonialisierung und der institutionellen Apartheid, jener, der am meisten Verurteilungen durch die UNO kumuliert, wird auf den Rang eines „Vermittlers“ befördert.

Ohne dass das Resultat vorbestimmt wäre, aber was als gewiss erscheint, ist die Tatsache, dass jeder Staat, als allgemeiner Repräsentant seiner kapitalistischen Klasse, der in der kommenden Rekonfiguration der Globalisierung eine Rolle spielen will, sich als souveräne Grossmacht über einen nationalen Raum mit einer relativ kohärenten Reproduktion konstituieren muss, obwohl die Rekonfiguration der Globalisierung nicht die Rückkehr der Internationalisierung sein können wird, sondern eine noch unbestimmbare Mischung, welche die Kapitalverwertung und die Reproduktion wieder, nicht notwendigerweise national, miteinander verbinden muss. Seit 2004 und der Erweiterung der NATO an den Grenzen Russlands (die auf die unilaterale Intervention der USA im Irak folgt), dann 2008 mit der Annexion eines Teils von Georgien spielt Russland so um seinen Platz in dieser Rekonfiguration. Um die Terminologie von Clausewitz zu übernehmen, dieses Spiel besteht aus einer Unzahl von Gefechten [5]. Sei es in Syrien, Libyen, etlichen Ländern der Sahelzone, der Konfrontation mit der NATO an seinen Grenzen (wir werden nicht versuchen, die Frage zu beantworten, wer zuerst seine Verpflichtungen nicht eingehalten hat), sei es mit der Annexion der Krim, der polizeilichen Intervention in Weissrussland, dann der militärischen in Kasachstan, der Anerkennung der separatistischen Republiken im ukrainischen Osten, der Aufrechterhaltung eines schwelendes Krieges im gesamten Donbass und jetzt der Invasion der Ukraine, in der Unzahl von Gefechten ist das letztendliche Ziel ein politisches. Dieses Ziel ist mit einer derartigen Menge an Bedingungen und Betrachtungen verbunden, dass das Ziel nicht durch einen einzigen Akt grossen Ausmasses erreicht werden kann, sondern nur durch eine grosse Anzahl mehr oder weniger bedeutender Akte, die ein Ganzes konstituieren. Jedes dieser besonderen Gefechte ist Teil einer Gesamtheit und enthält ein spezielles Ziel, das es mit dieser Gesamtheit verbindet. Die besonderen Gefechte können nur ausgehend von gemeinsamen Ursachen erkennt werden, aus welchen sie entstehen.

Die Invasion der Ukraine ist nur ein besonderes Gefecht, das jedoch, um weiterhin wie Clausewitz zu sprechen, den „Kulminationspunkt des Angriffs“ repräsentiert. Doch „der Angriff“ ist eine kontinuierliche Schwächung des Gegners je mehr er fortschreitet, jedes Vorrücken entfernt ihn von seinen Stützpunkten, die „Form der Verteidigung“ ist ihrerseits stärker als die „Form des Angriffs“, „die Verteidigung [ist] eine stärkere Form des Kriegführens“. Die Invasion der Ukraine ist dieser Kulminationspunkt, dem ersten Anschein nach auf dem militärischen Terrain mit dem Getrampel der russischen Armee, aber allen voran und in erster Linie in Bezug auf das politische Ziel. „Kulminationspunkt des Angriffs“ mithilfe einer „Unzahl von Gefechten“ im Streben nach einem politischen Ziel: Ein Pol zu sein gegenüber dem Westen in der Kristallisation der Pole des Widerspruchs, in welche sich die Globalisierung festgefahren hat, und dadurch im grossen Spiel ihrer Rekonfiguration teilzunehmen. Wie es auch immer ausgehen mag, Russland wird verlieren; es wird nur ein zerstörtes und von einem Viertel seiner Bevölkerung geleertes Territorium unterjochen.

Der Westen setzte nicht auf die Strategie des taktischen Rückzuges (Kutusow gegenüber Napoleon; MacArthur gegenüber den Russen und dann den Chinesen in Korea; etliche Beispiele zeigen, dass diese Strategie nicht notwendigerweise die Tiefe des russischen Raumes erfordert), sondern auf jene des „politischen Rückzuges“: Laissez-faire. Mit den vorerst beruhigenden Erklärungen Bidens, Macrons und des Generalsekretärs der NATO hat der Westen Russland in eine nicht „tödliche“ (auf keinen Fall), sondern in eine schwächende und devitalisierende Falle „gelockt“ (Anführungs- und Schlusszeichen, da es nicht besonders schwierig war, wenn man will, dass jemand fällt, muss man ihn in jene Richtung stossen, in welche er ohnehin schon neigt) [6]. In allen Parlamenten bekommt Selenski via Videokonferenz stehenden Applaus, man kopiert sogar seine khakifarbenen Kapuzenpullover, doch er weiss, dass er nur ein Bauer ist und es ist ausgesprochen selten, dass der Bauer die Königin erreicht, bevor ein Läufer oder ein Turm, manchmal ein lauerndes Pferd, ihn verspeist. Alle westlichen Anführer machten, bevor sie Beifall spendeten für ihren „Widerstand“ (der sorgfältig innerhalb gewisser Grenzen gehalten wird [7]), Druck auf die Ukraine, damit sie die Minsker Abkommen (2014) akzeptiert, diese sahen eine Verfassungsrevision und die Repräsentation der sezessionistischen Regionen vor. Der Westen hat die Verhängung einer Art „Patt“ zum Ziel, das für Russland zermürbend wäre und eine ungewisse Dauer hätte, die Ukrainer und Ukrainerinnen hingegen sind dabei zu einer Art Kollateralschaden geworden. Die Erreichung des anfänglich „begrenzten“ Ziels (die Ukraine) hat nun für Russland nicht die geringste „Erfolgsaussicht“ ohne es auf die baltischen Staaten und/oder Polen auszuweiten. Je mehr der Feind vorrückt, desto mehr verliert er seine Stützpunkte, desto mehr muss sich sein politisches Ziel ausweiten bis ihn zu Positionen, die nicht seine waren und die er nicht halten oder übernehmen kann. Russland kann nur noch hoffen und auf den chinesischen Rettungsring warten, aber, wie in jedem Bündnis, liebt jener, welcher es dominiert, seine Komparsen allen voran, wenn sie geschwächt sind (China hatte sehr gute Beziehungen mit der Ukraine [8]).

Man kennt die berühmte Formel von Clausewitz: „Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“, diese Formel entspricht nicht genau jener des Textes: „Man weiß freilich, daß der Krieg nur durch den politischen Verkehr der Regierungen und der Völker hervorgerufen wird [Clausewitz bleibt in einer westfälischen Konzeption des Krieges gefangen, obwohl er irgendwo beiläufig bemerkt, dass man die Besatzung einer Nation nur erfolgreich aufrechterhalten kann, wenn die Besatzungsmacht in den inneren Konflikten der besetzten Macht ein Echo findet, AdA]; aber gewöhnlich denkt man sich die Sache so, daß mit ihm jener Verkehr aufhöre und ein ganz anderer Zustand eintrete, welcher nur seinen eigenen Gesetzen unterworfen sei. Wir behaupten dagegen, der Krieg ist nichts als eine Fortsetzung des politischen Verkehrs mit Einmischung anderer Mittel. Wir sagen mit Einmischung anderer Mittel, um damit zugleich zu behaupten, daß dieser politische Verkehr durch den Krieg selbst nicht aufhört, nicht in etwas ganz anderes verwandelt wird, sondern daß er in seinem Wesen fortbesteht, wie auch seine Mittel gestaltet sein mögen, deren er sich bedient, und daß die Hauptlinien, an welchen die kriegerischen Ereignisse fortlaufen und gebunden sind, nur seine Lineamente sind, die sich zwischen den Krieg durch bis zum Frieden fortziehen.“ Die innere Logik der Politik für Clausewitz (1780-1831) ist jene der Überwindung, der Resorption der Konflikte, so wie sie durch die gesellschaftlichen Verhältnisse der „Zivilgesellschaft“ ausgelöst worden sind, die Politik löst eine Konfliktsituation auf, wovon sie stets abhängig ist. Er ist in jeglicher Hinsicht eine Zeitgenosse Hegels, obwohl die Dialektik zwischen dem „reinen Begriff des Krieges“ und dem „wirklichen Kriege“ (die beiden Teile von Vom Kriege) nichts mit der Hegelschen Selbstverwirklichung des Konzepts zu tun hat, sondern sich eher, mit Machiavelli, auf die den Umständen entsprechende Recherche nach einer Verwirklichung der Notwendigkeit in den konjunkturellen Unwägbarkeiten bezieht.

Der Krieg repräsentiert den äussersten Moment der Konflikte, ihren Höhepunkt, ohne sich jedoch im Wesen von ihnen zu unterscheiden: Als entscheidender Moment der Totalität der gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und ideologischen Konflikte, auch als Überarbeitung des Klassenkampfes, woraus er entsteht, fasst sie der Krieg im „Bruchelement“ der organisierten Gewalt zusammen.

Die Dinge wären sehr einfach, wenn die Konflikte und Kriege direkt die in der Kapitalakkumulation und in der Produktionsweise im allgemeinen auf dem Spiel stehenden Widersprüche ausdrücken würden. Aber all das existiert nur durch alle Vermittlungen der Reproduktion des Kapitals, wovon die nationalen Strukturen und ihre Geschichte ein Teil sind. Die Staaten existieren als notwendig in der kapitalistischen Produktionsweise, während deren Entstehung sie sich konstituiert haben (17. und 18. Jahrhundert bis England alle Elemente der Entstehung des Kapitals als Produktionsweise synthetisiert [9]). Die Staaten als solche verfolgen ihre eigenen Ziele und diese Verfolgung derselben ist gänzlich Teil der Reproduktion und der Restrukturierung der kapitalistischen Produktionsweise, die nicht eine Entität ist, die sich ohne alle ihre Determinationen reproduziert, sie sind nicht Selbstdeterminationen des Konzepts, sondern sorgen dafür, dass die Dinge wirklich existieren.

Man kann immer sagen, und es ist nicht falsch, dass die Proletarier nicht ihre Ausbeuter wählen sollen und sie haben ohnehin keine Wahl. Aber wie alle leben, existieren und werden sie in dieser sie definierenden Produktionsweise hervorgebracht und sie denken und handeln gemäss der Gesamtheit der sie definierenden gesellschaftlichen Verhältnisse. Es ist möglich, dass sie sich aufgrund der besonderen Situation dieser gesellschaftlichen Verhältnisse in einer Konjunktur befinden, die sie dazu bringt, sie abzuschaffen, und dass nur sie sich in dieser Situation befinden. Doch gegenwärtig, wenn die „Restrukturierung“ unvermeidlich Klassenkampf bedeutet, so hat das Kapital, im Widerspruch, so wie er sich präsentiert, unter der Form der Nation (Souveränität, Populismus, Staatsbürgerschaft), die „Politik“ des Proletariats schon vorweggenommen. Die Würfel sind gezinkt und die Pétanque-Kugeln gefüllt.

Die Krise der Globalisierung verwandelt sich überall (Zentrum und Peripherie) in eine politische Krise (man kann nicht darüber hinwegsehen, indem man sagt, dass das, was zählt, die wirtschaftlichen Interessen sind, denn diese haben eine „Form“). Im restrukturierten Kapital liegt das Verschwinden der Arbeiteridentität dieser Krise zugrunde, sie hat die Gesamtheit der politischen Funktionsweise des demokratischen Staates total destabilisiert, diese ist gleichwesentlich mit der Anerkennung einer gesellschaftlichen Spaltung und ihrer Befriedung. Gegenwärtig ist der Klassenkampf (zentrale und periphere Überschüssige eingeschlossen) geprägt von der Teilung zwischen Nation und Globalisierung in Form einer soziopolitischen Spaltung, wovon das Thema der Ungleichheiten und der Legitimität des Staates der Kern geworden ist. Die Krise der Globalisierung drückt sich bis anhin durch populäre Bewegungen aus, die bezüglich der Themen der Einkommensverteilung, der nationalen Souveränität, der Familie, der Werte und der Staatsbürgerschaft mehr oder weniger nationalistisch sind.

Präziser betreffend der Ukraine kann man sagen, dass jene, welche den Nationalismus schlichtweg als eine Entgleisung oder eine Manipulation der Arbeiterklasse betrachten, diese nicht als Klasse dieser Produktionsweise betrachten, sondern als wesentlich konform mit ihrem „Sein-Sollen“, wenn auch mit kontingenten „Vernebelungen“. Ein „Sein-Sollen“, wovon sie, das ist ihre Daseinsberechtigung, die permanenten und invarianten Repräsentanten sind, aber immer frustriert bis zum nächsten Mal.

Russland hat sich als ideologischer, politischer und kultureller Repräsentant und in seiner Konfrontation mit dem Westen als Pol der Forderung nach nationaler Souveränität in Anbetracht der westlichen Globalisierung herausgestellt, es hat sogar eine zerbrechliche Reorganisation seiner Produktionen, seiner Währungsreserven und seines Zahlungssystems auf unabhängige Art und Weise eingeplant und antizipiert. Das führt dazu, dass sich in der gesamten Welt vielfältige und verschiedene Freundschaften kristallisieren. Putin ist nicht alleine, er repräsentiert auf immer unilateralere Art und Weise einen Pol des zu überwindenden Widerspruchs. Am 28. Januar versammeln sich die souveränistischen und rechtsextremen Parteien in Madrid, man findet dort Marine Le Pen, aber auch Viktor Orbán, den tschechischen und den polnischen Premierminister, letzterer ist der einzige, der sich explizit kritisch gegenüber Russland zeigt. All die Schmusereien Chevènements, Mélenchons, Salvinis, Beppe Grillos, Schröders, Zemmours, Le Pens (die das russische Darlehen immer noch nicht zurückgezahlt hat), der Vox in Spanien, der AFD in Deutschland usw. mit Putin sind allseits bekannt, die Liste muss mit Beispielen aus den USA selbst ergänzt werden, Trump vor nicht allzu langer Zeit und ein Starmoderator von Fox News. Vorübergehend werden wir nicht mehr in den Genuss der wunderbaren Ausstellungen der Stiftung Louis Vuitton kommen, mit welchen uns Bernard Arnault, dank seinen oligarchischen Investitionen und seinen Freundschaften vor dem Hintergrund des Château d‘Yquem, ausgehend von den Reserven der russischen Sammler, verwöhnte. Aber, zum Teufel mit dem Château d‘Yquem, Macron hat uns gewarnt, dass wir für die „Verteidigung unserer Werte“ künftig den Gürtel enger schnallen und Trottinett fahren müssen.

R. S.

23. März 2022

Übersetzt aus dem Französischen von Kommunisierung.net

Quelle

English

Español

Datei: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-nc-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen - nicht kommerziell