Bilbao: Fußball-Ausnahmezustand

Antifa-Demo gegen russische Neofaschisten von Spartak in Bilbao

Bilbao befindet sich im unsportlichen Ausnahmezustand: weil 2.500 russische Fans erwartet werden, ein Drittel davon potenziell rassistische Gewalttäter, hat das normale Leben aufgehört zu funktionieren: Schulen werden geschlossen, Kneipen machen zu, die Polizei warnt in jeder Hinsicht.

 

Das Schlimme an der Sache ist, dass die ganze Geschichte absehbar war. Nicht nur absehbar, sondern vorprogrammiert. Denn wer auch nur einen kurzen Blick auf die jüngste Fangeschichte des Fußballclubs Spartak Moskau wirft, weiß, das die entsprechende Auslosung ein Teufelslos ist. Hunderte von gewaltbereiten Fans, rassistisch, faschistisch orientiert und echte Machos, machen sich auf den Weg, wohin immer es auch gehen soll: nach Sevilla, Marseille, Maribor, Manchester – und regelmäßig passiert dasselbe: Straßenschlachten, Zerstörungen, physische Angriffe. 

Doch die Verantwortlichen reagieren nicht, sie haben ihre (politischen und kommerziellen) Gründe. Denn aus demselben Grund wurden in den 1990er Jahren alle englischen Teams aus allen europäischen Fußball-Wettbewerben ausgeschlossen: unerträgliche Gewalt, Hooliganismus, Rassismus.

Rufer in der Wüste

Eine einzige Stimme war es,die bereits vor Wochen in Bilbao vor dem warnte, was kommen würde: das Antifaschische Netz „Sare Antifaxista“. Nüchtern und ohne Übertreibung. Diese Leute sind einfach gut informiert, was in anderen europäischen Stadien und Städten bereits alles passiert ist. Sie wurden abgetan als Radikalinskis, als Übertreiber. Manche hielten ihnen vor, die Stimmung anheizen zu wollen und einheimische Fans aufzuhetzen. Das ist weder nötig noch möglich. In Bilbao gibt es einen solchen Hooliganismus nicht, aufgehetzt kann niemand werden. Denn die Ultra-Fans sind eher linksorientiert, verorten sich in der Antifa-Szene und haben nicht nur einen antirassistischen, sondern auch antisexistischen Diskurs. Das ist im Fußball leider noch selten, so wichtig es auch sein mag.

Kleinreden

Bis zwei Tage vor dem Spiel, das von dem Fußball-Institutionen als „Spiel von höchstem Risiko“ eingestuft worden war, wiegelten Polizei und Presse ab, wollten nichts von Risko und Neonazis wissen. Als die ersten Ultras in Gasteiz, der baskischen Hauptstadt ankamen, und es gleich Prügel gab, war die „Untertreibungs-Linie“ nicht mehr zu halten. Die Interpretation kippte in ihr Gegenteil. Fortan waren alle Publikationen von Katastrophen-Meldungen geprägt: Zahlen, Übergriffe und Alarmwarnungen. Obwohl noch fast 24 Stunden zum Anpfiff fehlen.

Antifa-Demonstration

500 sogenannte „Ultras“ aus Bilbao haben am Mittwoch Abend (21.2.) gegen den anreisenden Faschismus demonstriert, ohne Zwischenfälle. Wie die Fans von Bilbao drauf sind, hat bereits das Hinspiel in Moskau vor einer Woche gezeigt: nicht ein einziger Zwischenfall. Im Gegenteil, die baskischen Fans mussten geschützt werden vor etwaigen Übergriffen der dortigen Brutalos. Die Ultras von „Herri Norte“ aus Bilbao reisen sowieso nicht gerne, was sollten sie auch eine Stadt wie Moskau aufmischen.

Die bürgerlich-katalanische Tageszeitung Lavanguardia brachte zu später Abendstunde noch einen neuen Aspekt in die Alarm-Debatte: ob nicht auch Real-Madrid-Ultras an der Mobilisierung für Bilbao beteiligt sein könnten! In antifaschistischen Kreisen ist dies kein Geheimnis, es wäre nicht der erste und sicher auch nicht der letzte Fall. Denn die Hass-Strukturen unter den Ultra genannten faschistischen Fans haben verschiedene Ebenen. Die erste ist eine schwer nachvollziehbare, teilweise irrationale Feindschaft zwischen bestimmten Orten. Die zweite hat einen politischen Hintergrund: gegen das katalanische Barcelona, gegen baskische Clubs. Hier paart sich der Schlägermythos (gegen alle) mit einer gezielt politischen Stoßrichtung.

Bündnisse zwischen Ultras

Das hat Geschichte: als Marseille, Austria Wien oder holländische Teams in Bilbao zu Gast waren, gab es über Internet (wie einfach heutzutage, alles nur noch ein Sprachproblem) jeweils Kontakte mit ultrarechten spanischen Gruppen, die ein Interesse daran hatten und immer haben, den Basken eins überzubraten. Das ist ein Teil der heutigen Funktionsweise des Hoologanismus. Sollte eines Tages Celtic Glasgow zu einem Spiel in Bilbao ausgelost werden, kann die Polizei getrost zwei Tage frei nehmen. Denn zwischen diesen beiden Fangemeinden – so groß die Entfernung auch schinet – gibt es nichts als Freundschaft und Good-Understanding. Solche Situationen sind die Ausnahme.

Spartak sind keine Spartakisten

Die Neonazis von Spartak – ein Club mit ausgerechnet diesem wohlklingenden Namen – wollen Blut sehen und sich in den internationalen Nachrichten wiederfinden. Die Verantwortlichen bei der Polizei und der UEFA spielen das Spiel mit. Für Gastronomie und Hotelgewerbe in Bilbao steht nicht die potentielle Gewalttätigkeit im Vordergrund, sondern profane Einnahmen, denn auch Ultras essen und schlafen irgendwo. Selbst wenn sie bei der Gelegenheit die Hotels oder Hostels zu Kleinholz machen.

Die Botschaften

„Wir wehren uns gegen Gewalt, Faschismus, Sexismus und Rassismus in den Straßen von Bilbao und auf den Rängen des Stadions. Die Stadt hat andere Probleme, als dass sie Millionen investieren könnte in ein beispielloses Sicherheits-Planspiel“. So lautete verkürzt die Aussage der antifaschistischen Demo-Organisator*innen gegen den Spartak-Aufstand. Für die Polizei ist es nicht nur eine Schicht extra, es ist auch ein Planspiel (vielleicht sogar auf Verlust programmiert, das wäre kein Wiederspruch und keine Premiere). Und die bilbainische Tourismus-Industrie schert ohnehin nichts als Profit.

 

Bilbao geifert seit 20 Jahren nach internationalen Schlagzeilen, warum nicht auch einmal mit einer Scherben-Stadt. Den Opferkult zu barem Geld zu machen ist ein bekannter Wert in baskischen Breiten. 

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