Libertatia in Flammen

Emailadresse: 
SPAMSCHUTZredaktion@revoltmag.orgBITTEENTFERNEN
Regionen: 

In Griechenland riefen am heutigen Sonntag rechte und rechtsradikale Gruppen zu einer nationalistischen Großdemonstration gegen Mazedonien auf. Dabei griffen faschistische Gruppen unter Schutz der griechischen Riot-Einheiten MAT besetzte Häuser an und brannten das anarchistische Libertatia nieder.

Der Konflikt währt schon seit Jahrzehnten. Zehntausende Demonstrant*innen nahmen heute an der landesweiten Kundgebung mit der Forderung, den Begriff Mazedonien nicht in den Namen der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien aufzunehmen, teil. Griechenland solle dies in keinem Fall zulassen, weil dies die griechische Geschichte diskreditieren und zur Destabilisierung der Region beitragen würde. Die letzte große nationalistische Ansammlung mit tausenden Teilnehmer*innen zum selbigen Thema fand zuletzt 1992 statt. Damals fand diese inmitten eines nationalistischen Aufruhrs gegen die 1991 erfolgte Gründung des kleinen Nachbarstaats nach Ende des Jugoslawienkriegs statt. Wegen des schwelenden Streits wird Mazedonien bei der UNO mit dem sperrigen Namen Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien geführt. Seit 2008 blockiert Griechenland auch den NATO-Beitritt des südosteuropäischen Landes. In der Zwischenzeit setzte auch Mazedonien selbst, zumindest aus Sicht Griechenlands, auf eine Politik der Provokation, indem Flughäfen und andere Wichtige Orte nach Alexander dem Großen benannt wurden. Seit 2014 liegen die Verhandlungen über den Namensstreit praktisch still. Zuletzt zeichnete sich eine Einigung zwischen den Regierungen beider Länder ab. Der UN-Vermittler in dem Streit, Matthew Nimetz, zeigte sich kürzlich in New York "sehr optimistisch, dass der Prozess in eine positive Richtung geht". Nimetz hat verschiedenen Medienberichten zufolge fünf Namensvorschläge unterbreitet, die alle das Wort Mazedonien enthalten, unter anderem Nord-Mazedonien und Neu-Mazedonien.

 

Seit Tagen wurde für die Großkundgebung am heutigen Tag von verschiedenen Seiten aus kräftig die Werbetrommel gerührt: Rechte Parteien und Organisationen, gewisse konservative und christliche Kreise, Goldene Morgenröte, Fussballklubs, bekannte Persönlichkeiten wie der Komponist Mikis Theodorakis machten in Erklärungen und social media posts klar: „Macedonia is Greek“. Die Rede war bislang von 400 Bussen die sich griechenlandweit nach Thessaloniki auf den Weg machten. Regierungschef Alexis Tsipras mahnte den nationalistischen Wahnsinn ab und versprach eine gute Lösung für sein Land zu erzielen. Thessalonikis Bürgermeister Giannis Boutaris positionierte sich gegen die nationalistische Mobilisierung, ebenso wie antifaschistische und antiautoritäre Gruppen aus der nordgriechischen Stadt. Letztere organisierten schon in den Tagen vor dem nationalistischen Spektakel Motorraddemos und Kundgebung zur Sicherung der Gegenöffentlichkeit und Warnung vor der aufkommenden nationalistischen Rage .

 

Die rechten Organisator*innen der heutigen Großkundgebung sprechen zwar von über 400.000 Teilnehmern. Ganz so viele waren es aber sicherlich nicht: Etwa 50.000 Menschen kamen an einem der zentralsten Plätze Thessalonikis unter der Statue vom Alexander den Grossen in der Nähe vom Weissen Turm, mit Griechenland Fahnen, Transparenten, sowie kreativer und traditioneller Verkleidungen zusammen. Darunter auch ein größerer organisierter Block der neonazistischen Partei Goldene Morgenröte, die inzwischen als kriminelle Vereinigung vor Gericht steht. Der Block hatte eigene Schutztruppen, die vom Parlamentsmitglied und bekannten Kader Ilias Kasidiaris angeführt wurden. Schon in den Tagen zuvor organisierten sie Flashmobs und kündigten die Kundgebung auf dem Titelblatt ihrer Partei-Zeitung an. Anwesend waren auch der konservative regionale Gouverneur der Region Zentralmazedonien Apostolos Tzitzikostas, Parlementarier der Unabhängigen Griechen und die Zentrumsunion, zahlreiche ehemalige konservative Parlamentsabgeordnete und Bürgermeister Nordgriechenlands.

 

Antiautoritäre Gruppen warnten schon die Tage davor vor Angriffen auf Gegendemonstranten und linker bzw. anarchistischer Infrastruktur. Schon auf dem Weg zur Kundgebung wurden schon die Besetzung Scholio (Schule) unter Schutz und Mitwirkung der MAT-Einheiten angegriffen, aber von den Anwesenden erfolgreich verteidigt. Etwa 150 Vermummte haben während der Kundgebung versucht die Polizeiabsperrungn zu überrennen und die antifachistische Demonstration am zentralen Platz Thessalonikis Kamara anzugreifen. Die Riotpolizei MAT setzte Tränengas ein um ein Aufeinandertreffen der Gruppen zu verhindern. Im Anschluss der nationalistischen Kundgebung hat eine Gruppe von über 100 Menschen den anarchistischen und antifaschistischen Squat Libertatia angegriffen und schließlich angezündet. Gerüchten in sozialen Medien zufolge handelte es sich bei den Täter*innen um eine Gruppe von nationalistischen Anhänger*innen von PAOK, dem Fanclub Makedones. Das Gebäude von Libertatia ist mittlerweile komplett abgebrannt. Motorradgruppen der Goldenen Morgenröte sind zurzeit mit Knüppeln unterwegs; andere Besetzungen befinden sich weiterhin in höchster Alarmbereitschaft. Ob es eine Koordination zwischen den faschistischen Gruppen und den Fussballfans gab bleibt unbestätigt, kann aber nicht ausgeschlossen werden.

 

Die größten Befürchtungen haben sich hiermit bestätigt. Am heutigen Sonntag gehörten die Strassen Thessalonikis den Faschist*innen und den Tausenden, die ihnen mit ihrer Präsenz im nationalistischen Spektakel Schutz gewährten. Die Faschist*innen bewegten sich regelrecht wie Fische im Wasser. Die griechischen Medien bringen die Niederbrennung erst langsam im Zusammenhang mit der Kundgebung. Tatsächlich betitelte die größte griechische Tageszeitung Kathimerini einen aktuellen Artikel, der sich mit dem Angriff auf die Gegenkundgebung befasste: „Auseinandersetzung zwischen Antiautoritären und MAT Einheiten“. Die nächste nationalistische Massenkundgebung findet am 28. Januar in Athen am geschichtsträchtigten Syntagma Platz statt. Der Nationalismus darf erstmal weiter leben – Libertatia wohl nicht.

Bilder: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen