Mietrebellen in Dortmund, Neapel und Berlin

Haeuserfassaden und Waescheleinen in Neapel

In den vergangenen Wochen gab es eine Vielzahl von Aufführungen und Veranstaltungen mit dem MIETREBELLEN-Film, unter anderem im Ruhrgebiet und Italien.

Ende Juni wurden die MIETREBELLEN im Revierpark Wischlingen In Dortmund auf dem zwei-jährlichen Unsere Zeit-Pressefest aufgeführt. Im Kino-Zelt der weitläufigen Veranstaltungsareals kamen Menschen aus der ganzen Bundesrepublik zusammen, um gemeinsam den Film zu sehen. Nach der Vorführung merkte eine Frau aus Hannover an, dass sie beeindruckt sei, wie umfassend die Mieter in Berlin ihre Protestaktivitäten entfalten. Coers bemerkte, dass sich die Lage in Berlin um das Thema Wohnen derzeit massiv zuspitze, gleichzeitig viele Menschen in der Stadt seien, die auch zurückliegende Erfahrungen - sei es 1968 oder aus den Haubesetzungsbewegungen - gesellschaftlich einbringen. Die derzeitige Situation, dass sich zunehmend auch die Mittelschicht das Wohnen nicht mehr leisten kann, führe dazu, dass viele Menschen an ihre früheren Erfahrungen anknüpfen, um sich mit ihren Nachbarn zusammen zu tun.

 

 

Aus Dortmund wurde berichtet, dass in einigen Nachbarschaften teilweise gute Erfahrungen in Auseinandersetzungen gegen steigende Mieten gemacht werden konnten, dass es allerdings nicht gelungen sei, den Zusammenhalt über die Zeit der konkreten Auseinandersetzungen aufrechtzuerhalten. Das Filmteam konnte ähnliche Erfahrungen aus Berlin bestätigen, allerdings seien mit dem Aufbau von Vertrauen durch regelmäßige Treffen, Kaffee&Kuchen, Straßenfeste oder Aktionen bei gleichzeitiger thematischer Diskussion zu den Ursachen der Mietsteigerungen auch Ansätze langfristiger solidarischer Strukturen sichtbar. Eine anwesende Gruppe von Aktiven aus Dortmund, die RaumRäuber, planen angesichts hoher Leerstände bei gleichzeitig nicht sinkenden Mieten im Ruhrgebiet, Gelände und Häuser auf unkonventionelle Weise den Stadtbewohnern verfügbar zu machen.

Von Dortmund aus ging es ins südliche Italien zum Ischia Film Festival auf die Insel im Golf von Neapel. Hier wurden die MIETREBELLEN für den Wettbewerb in der Sektion Location negata ausgewählt. In einer Burg auf einer durch Vulkanaktivität entstandenen Felsformation, die über die Jahrhunderte als Herrschaftssitz und Gefängnis genutzt wurde, kamen unter Sternenhimmel italienische und internationale Spiel- und Kurzfilme vor internationalem Publikum zur Aufführung.

 

 

Auf dem Festival wurde unter anderem gezeigt der Dokumentarfilm L’uomo del fiume über einen zurückgezogenen Mann, der sich aus einem Stadtfluss sein Abendessen fischt und in einer besetzten Wohnung lebt. Terrapromessa ist ein spannender Dokumentarfilm, der den Zuschauer in eine Roma-Siedlung in Giugliano in Campania in der Region von Neapel mitnimmt. Die Roma-Community mit rund vierhundert Bewohnern wurde in eine ökologisch kontaminierte Region zwangsumgesiedelt. Erzählt wird, wie die Bewohner Aufmerksamkeit erzeugen und die Politik konfrontieren, um ihre missliche Lage nicht länger hinzunehmen. Ein Film namens Wangki - Il silenzio delle sirene dokumentiert die Situation der indigenen Miskitos an der Grenze zwischen Honduras und Nicaragua. Trotz unaufgearbeiteter kollektiver Kriegstraumata, des vertrocknenden Fluss Wangki und patriarchaler Gewaltstrukturen kämpfen sie für den Erhalt ihrer Lebensgrundlagen.

 

 

In Neapel wurden die MIETREBELLEN in der Architektur-Fakultät zusammen mit Aktiven aus den Neapolitaner Stadtbewegungen aufgeführt. Eine große Runde aus Stadtplanern, Architekten, Journalisten und politisch Engagierten fand sich zur Projektion ein und verfolgte gespannt die Aktivitäten der Berliner Mieter. Im Anschluss gab es eine intensive Diskussion. Unter anderem wurde angesichts der aktuellen europäischen Krisenpolitik Berlin als das neue Rom, das Zentrum des Imperiums bezeichnet. Da sich in Neapel - anders als in anderen Städten Italiens - bisher noch keine massive Aufwertung der Innenstadt und Vertreibung der Stadtbevölkerung durchsetzen konnte, obwohl auch hier die Wohnkosten von Jahr zu Jahr steigen, wurde gefragt, wie in Berlin das Verhältnis von alternativer Kunst, Politik und Kultur zu Aufwertungsprozessen gesehen werde. Das Filmteam charakterisierte Künstler als eher unfreiwillige Scouts für Immobilienunternehmen. Die Gesellschaft müsse auf den mangelnden Wohnraum und steigende Mieten mit einer sozialen Wohnraumpolitik reagieren. Angesichts der europaweiten Profitorientierung privater Eigentümer wurde die Frage debattiert, inwiefern Wohnen überhaupt eine Ware sein sollte. In Neapel entsteht derzeit eine neue Hausbesetzungsbewegung, da mit der sich verschärfenden Krise und den ohnehin schon hohen Wohnkosten viele vor allem jüngere Menschen keine andere Möglichkeit sehen, ihren Alltag zu bewältigen.

 

 

Zurück in Berlin gab es in der Villa Neukölln eine Aufführung mit den Mitgliedern von 100% Tempelhofer Feld. Der Erfolg der Initiative wirkt noch immer nach, was an euphorischen Kommentaren der Zuschauer zu merken war. Auch die Resonanz zum Film war sehr positiv und es wurde mit Aktiven diskutiert, wie an den gewonnenen Volksentscheid in Bezug auf das Thema soziale Wohnraumversorgung angeknüpft werden könne. Diese Idee wird zur Zeit in Mieterkreisen mit der Unterstützung von THF100 diskutiert und geprüft. Eine Dame von der IG GroKa in der Schöneberger Großgörschen-/Katzlerstraße stellte zudem eine Bundestagspetition gegen den Höchstpreisverkauf durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben BImA vor und warb um Unterstützung dafür.

Es wurde deutlich, dass alle die Einschätzung teilen: die massiven Veränderungen der Stadt führen auch dazu, dass immer mehr Menschen von der Mitgestaltung der Entwicklung nicht ausgeschlossen werden wollen.

 

 

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Ergänzungen

Fr. 25.7., 20.00 Uhr mit dem Mietshäuser-Syndikat | b-ware!-Ladenkino, Gärtnerstraße 19
Sa. 26.7., 18.00 Uhr mit der KvU | Lichtblick-Kino, Kastanienallee 77
So. 27.7., 18.00 Uhr mit dem Runden Tisch gegen Gentrifizierung Moabit | Filmrauschpalast, Lehrter Straße 35
 

Weitere Aufführungen finden im Moviemento in Kreuzberg statt.
Alle Termine finden sich unter www.mietrebellen.de/termine.

Weitere Informationen: www.mietrebellen.de

Außerdem möchten wir auf ein aktuelles Ereignis zum Thema hinweisen:
Sa., 26.7., 15.00 Uhr: Hin­ter dem Fi­nanz­amt liegt der Strand - Das Bünd­nis Stadt von unten lädt ein | Mehringdamm/Obentrautstraße