Besonderer Hohn – Gegen die staatliche Coronapolitik

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Mitte November 2020 veröffentlichte die deutsche Regierung eine Reihe von Videoclips, welche junge Menschen dazu anregen sollten, im Angesicht der aktuellen Pandemiewelle zu Hause zu bleiben und „Nichts zu tun“. In den Videos berichten vermeintlich ehemalige Studierende im Jahr 2060 davon wie sie im Winter 2020/2021 besondere Held*innen gewesen sein, indem sie „Nichts getan“ hätten.

Mitte November 2020 veröffentlichte die deutsche Regierung eine Reihe von Videoclips, welche junge Menschen dazu anregen sollten, im Angesicht der aktuellen Pandemiewelle zu Hause zu bleiben und „Nichts zu tun“. In den Videos berichten vermeintlich ehemalige Studierende im Jahr 2060 davon wie sie im Winter 2020/2021 besondere Held*innen gewesen sein, indem sie „Nichts getan“ hätten.

Situation von Studierenden

Tausende von Studierenden waren/sind während der Pandemie gezwungen entweder ihr Studium aufzugeben oder sich zu verschulden. Der Rest ist gezwungen während der extrem belastenden Situation der Pandemie und der Isolation weiter für die Uni zu arbeiten. Teilweise wurden die Leistungensanforderungen noch verschärft. Das Bild von dem*der Student*in die*der faul ist und nichts tut ist also nicht nur falsch, es ist reiner Hohn.

Situation fast aller Anderer

Der isolierte Blick auf (nicht-arbeitende) Student*innen ist aber ein noch größerer Hohn. In einem der Videos wird von unsichtbaren Gestalten Pizza angeliefert – ob die auch einfach zuhause bleiben und „nichts tun“ können? Als Held*innen werden sie allerdings von den Videos nicht gefeiert. Diese Unsichtbarmachung aller, die für die bestehende Ordnung schuften müssen, ist kein Fehler des Systems – es ist Ausdruck des Systems.
Wer nicht Teil der (zukünftigen) Ober- und Mittelklasse ist, ist nach dieser Logik kein vollwertiger Mensch. Die staatlich-kapitalistische Ordnung braucht Milliarden Menschen, die so abgewertet werden. Deren Leiden und Bedürfnisse werden von Regierungen teils aus Ignoranz (Politiker*innen leben oft in einer elitären Blase), teils absichtlich (damit die staatliche Ordnung nicht delegitmiert wird) unsichtbar gemacht.

 

Neben der Krankheit selbst beobachten wir drei gesellschaftliche Problemfelder, in denen Menschen durch die Pandemie noch mehr Leid erfahren:

1. Wachsende Armut: Diese betrifft vor allem alle, die vorher schon arm waren wie Obdachlose, Erwerbslose, Niederiglöhner*innen, Alleinerziehende.
2. Wachsende Isolation: Hiervon betroffen sind alle, die vorher schon vereinsamt waren oder ihre Soziale Kontakte für ihr Wohlgehen brauchen. Hinzukommen Menschen, die alleine Leben, keine Familie haben und deren soziale Kontakte hauptsächlich bei Veranstaltungen oder im öffentlichen Raum stattfanden.
3. Wachsender Stress: Neben der wachsenden Armut und Isolation gibt es noch viele weitere Ursachen für wachsenden Stress. So musste und muss z.B. die Kinderbetreuung aufgrund der Schließung der staatlichen Schulen von vielen Menschen vollständig selbst übernommen werden.Ein andere Ort in dem der Stress wächst ist im Gesundheitswesen und der Pflege.
All diese Menschen werden vom Regierungsvideo verhöhnt, dass zum „Nichts-tun“ auffordert.

Rassismus und Klassismus

Die Ungleichwertigkeit der Menschen in unsere Gesellschaft zeigt sich auch daran, welche Leben als rettenswert angesehen werden. Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Hunger, durch Luft- und andere Umweltverschmutzung, Arbeitsunfälle, staatliche und patriarchale Gewalt. Für deren Rettung wird nicht der gleiche Aufwand betrieben, wie bei der Bekämpfung der Pandemie.
Grund dafür ist, dass alle diese Todesursachen nur beseitigbar wären, wenn grundsätzliche Institutionen unserer Gesellschaft abgeschafft würden.
Ein satirische Version des „besondere Helden“ Video vom Neo Magzine Royal trifft den Rassismus unser Gesellschaft im Bezug aufs Lebenretten den Nagel auf den Kopf. Deutschland und andere europäische Staaten ermorden aktuell tausende Menschen im Mittelmeer, indem sie Seenotrettung bekämpfen und verweigern. Die Aufforderung währenddessen „Nichts zu tun“, ist dabei eine Aufforderung zur Mittäter*innenschaft, schließlich profitieren sehr viele Menschen hier von der globalen, kolonialen Ordnung, die anderswo Menschen zwingt vor Hunger und Krieg zu fliehen.

Der Staat hat uns mit in die Scheiße geritten

Um es klar zu sagen: die staatlich-kapitalistische Ordnung ist eine zentrale Verursacherin der aktuellen Pandemie. Ohne die vom Staat und Kapitalismus vorangetriebene Ausbeutung der Umwelt wäre (Massen-)Tierhaltung und eine Globalisierung bei der die Reichen und Weißen sich frei und schnell um den Planeten bewegen, während die Armen und Nicht-Weißen dafür arbeiten und kaum Bewegungsfreiheit haben, unmöglich. Wir sind für eine Welt ohne Grenzen in der sich alle Menschen frei bewegen können, lehnen aber Fortbewegungsmittel wie Flugzeuge!, die nur durch die Ausbeutung der Umwelt und Menschen nutzbar sind, ab. Würde der globale Verkehr langsamer (z.B. per Zug oder Schiff) und nicht in der Form von Massentourismus stattfinden, hätten wichtige Monate zur Impfstoffentwicklung gewonnen werden können. Ohne Tierhaltung wäre das Virus wahrscheinlich nie auf Menschen übergesprungen. Ein Großteil der Pandemien der letzten Hundert Jahre z.B. auch die „Spanische Grippe“ waren Zoonosen – Viren, die vom Tier auf den Menschen übergesprungen sind. Schlussendlich zwingt der Staat die Menschen zu arbeiten und verhindert so freiwillig Selbstisolation.

Staatliche Lösungen: Patriarchat, Nationalismus, Ausbeutung

Nichts zeigt die gesellschaftliche Ordnung so gut wie die Maßnahme der Kontaktbeschränkungen. Während Menschen die persönlichen Beziehungen opfern müssen, werden sie von Staat und Kapitals gezwungen weiter zu arbeiten, zu studieren oder zur Schule zu gehen.
Kontaktbeschränkungen bevorzugen auch klar die patriarchale Kleinfamilie gegenüber allen anderen Formen des Zusammenlebens. Wer allein, in Wohngemeinschaften oder einer Großfamilie lebt ist von privaten Kontaktbeschränkungen härter betroffen als andere, weil mensch bereits alleine schon als ein Haushalt ist oder schon in einer so großen Gruppe lebt, dass sie*er sich legal nicht mit anderen Menschen treffen kann. In vielen Bundesländern z.B. NRW (Stand 13.12.2020) gelten die Kontakbeschränkungen nur für die Öffentlichkeit, die staatliche-kapitalistische Presse stellt sie aber auch gültig in Privatwohnungen da. Beschränkungen in privaten Räumen würden mit einigen der letzten gesellschaftlicher Einschränkung staatlicher Kontrolle berechen Wir können nicht genau voraus sagen, was zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dies Textes “geltendes Recht” ist.

Die Sache mit Weihnachten

Nach aktuellem Stand sollen die Kontaktbeschränkungen für Weihnachten gelockert werden. Hierin zeigt sich eine klare Bevorzugung christlich-kapitalistischer Kultur, während zu Festen anderer Glauben keine Lockerungen zu sehen waren und teils Familienzusammenkünfte skandalisiert wurden, während alles darauf ausgelegt werden sollte, eine „Normalität“ zu Weihnachten zu ermöglichen. Dies stellt auf rassistische Art die deutsch-christlich sozialisierte Mehrheitsgesellschaft über etwa jüdische und muslimische Mitmenschen und Gemeinschaften. Dazu kommt, dass durch die Bevorzugung des Weihnachtsfests wieder einmal die Form der Kleinfamilie vor allen anderen Lebensformen bevorzugt wird. Damit ist diese Maßnahme auch patriarchal und queerfeindlich. Auch in den Jahren vor der Pandemie war Weihnachten bereits ein Fest an dem Menschen, die nicht Zeit mit ihrer Kleinfamilie verbringen wollen oder können, isoliert waren, weil es kaum Alternativen gibt die Zeit anders zu verbringen.

Mit der Begründung „wir müssten uns jetzt einschränken“, sollen/sollten Menschen dazu gebracht werden ihre anderen sozialen Kontakte für ein patriarchales Fest zu opfern.
Wir haben daher vollstes Verständnis wenn Menschen unter Reflektion der Risikos und ihrer eigenen Bedürfnisse, die Kontaktbeschränkungen brechen.

Alle gegen Ausgangssperren und Versammlungsverbote!

Inzwischen planen oder haben immer mehr Bundesländer Ausgangssperren und Versammlungsverbote beschlossen. Ausgangssperren und Versammlungsverbote bringen gesundheitlich nichts, weil sie kaum Risiken vermeiden. Im Freien ist das Risiko einer Ansteckung viel geringer als drinnen. Wenn Menschen sich treffen, sollten sie das möglichst draußen tun. Menschen immer mehr nach drinnen zu drängen erhöht daher sogar einige Ansteckungsrisiken. Außerdem schadet zu wenig Bewegung der Gesundheit und erhöht somit das Risiko einer schweren Erkrankung. Das während der Ausgangssperren weiter gearbeitet und zur Schule gegangen wurde/werden soll, zeigt einmal mehr den autoritären Kern unserer Gesellschaft. Die Funktion eines Großteils von uns ist Staat und Kapitalismus laufen zu lassen – uns für deren Eliten ausbeuten zu lassen. Alles andere ist Nebensache.
Ausgangssperren setzen außerdem insbesondere Obdachlose und alle von Rassismus betroffenen noch mehr Gewalt und Kontrolle durch die Polizei aus.
Ausgangsspeeren und Versammlungsverbote einfach zu akzeptieren ist auch gefährlich, weil sie so als Mittel normalisiert werden und der Staat wird in den kommenden Krisen diese Mittel mit Sicherheit nicht nur zur Pandemiebekämpfung einsetzen.
Wir freuen uns über jede*n die*der sich nicht von der Straße verdrängen lässt!

Für Lösungen ohne und gegen den Staat

Wie das Anwachsen der rechten „Querdenken-Bewegung“ zeigt, ist es fatal keine eigenen emanzipatorischen/antiautoritären Positionen und Handlungsideen zu entwickeln.
In anderen Teilen Europas waren antiautoritäre Linke und Anarchist*innen in der Lage ihre Positionen in den Protest gegen autoritäre staatliche Maßnahmen zu bringen und Rechte sind nicht zentraler Bestandteil dieser Bewegungen geworden.
Es gibt durchaus Beispiele von selbstorganisierter Pandemiebekämpfung. In Hong Kong wurden entscheidende Schritte zur Pandmiebekämpfung von Sozialen Bewegungen übernommen, lange bevor die Regierung aktiv wurde. In Deutschland haben Menschen (u.a. Virolog*innen wie Christian Drosten – siehe Coronavirusupdate Folge 17) während der ersten Schließungen kleine feste Lern- und Betreungsgruppen für Kinder organisiert. Wie in jeder anderen katastrophalen Situation haben wir die Wahl mit der Selbstorgansation unserer Leben zu beginnen oder weiter die autoritären Strukturen des Staates zu stärken.

Jetzt aktiv werden

Umso wichtiger ist es jetzt aktiv zu werden. Abschließend wollen wir deshalb noch auf einige Handlungsformen aufmerksam machen, die vielleicht inspirierend sein können:

Aufbau selbstorganisiert Medien:

In Englischer Sprache gibt es das tolle anarchistische Channel Zero Network – einen Zusammenschluss von Podcasts. Außerdem gibt es inzwischen mit Kolektivemedia einen eigenen anarchistischen Videohoster. Eigene Plattformen zur Vernetzung und Verbreitung eigener Inhalte sind immer wichtig, egal ob Pandemie herrscht oder nicht.

Gegenseitige Hilfe:

Gegen die Wachsende Armut und teilweise auch die mangelnde Gesundheitsvorsorgung entstanden in vielen Ländern Projekte gegenseitiger Hilfe. Ein Bericht über Gegenseitige Hilfe in den von den USA beanspruchten Gebiet findet ihr hier. Auch in Deutschland entstanden eigene Initiativen z.B. Nachbarschaftshilfen. Ein neues Projekt in Bochum das wir gerne nochmal bewerben wollen, ist die anarchistische Lebensmittelhilfe.

Schulstreiks und Uni- und Schulbesetzungen:

In Griechenland und Frankreich gibt gab/gibt es große Schulstreiks und Schulbesetzungen gegen den Schulzwang trotz mangelnden Gesundheitschutzes. In einigen Fällen wurden Schüler*innen unter Einsatz der Polizei gezwungen wieder den Normalbetrieb aufzunehmen. Schulbesetzungen- und Unibesetzungen sind auch eine wunderbare Gelegenheit Bildung selbst zu organisieren. Auch in Deutschland gibt es vereinzelte Schulstreikaktionen, etwa in Mönchengladbach oder Bochum.

Antiautoritäre Bildung:

Für den Aufbau einer revolutionären Bewegung und die Organisation einen herrschaftsfreien Gesellschaft ist ist selbstorgansierte Bildung sehr wichtig. Wir hoffen daher, ab dem Sommersemster 2021 wieder unsere radikalen Bildungskurse anbieten zu könnnen und würden uns sehr freuen, wenn noch mehr Menschen Ähnliches organisieren!

Das wir hier nur auf bestimmte Handlungen aufmerksam machen, hängt mit dem Fokus unserer Gruppe zusammen und heißt nicht, dass wir Andere verurteilen oder ablehnen. Um alles zu verändern, fangt irgendwo an!

1Die einzige Ausnahme in unsere Ablehnung von Flugzeugen sind Notfälle wie Krankentransport oder wen wer z.B. sterbende Angehörige/Freund*innen schnell erreichen muss.

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