Baskale Kulturverein in Bilbao
Der in Bilbao ansässige baskisch-deutsche Kulturverein Baskale feiert 2017 sein sieben-jähriges Bestehen. Sieben Jahre von Aktivitäten verschiedenster Art: feministische Projekte, Ausstellungen, Filme, antifaschistische Erinnerungsarbeit, alternativer Tourismus. Die Redaktion Baskinfo hat Amaia Urrutikoetxea vom Kulturverein Baskale zu den bisherigen Ergebnissen befragt.
Baskinfo: Sechs Jahre Kulturverein Baskale und fast vier Jahre Webportal Baskultur.info ist Grund genug nachzufragen, wie die bisherige Erfahrung war. Amaia Urrutikoetxea von Baskale Elkartea – wie waren die ersten Jahre?
Amaia: Im Großen und Ganzen sind wir zufrieden.Unsere Projekte laufen gut, wir sind integriert in Bilbo und Bizkaia. Mittlerweile hat der Verein 40 Mitglieder, von denen die Hälfte regelmäßig aktiv ist, das ist eine gute Voraussetzung für kontinuierliche Arbeit.
Baskinfo: In welchen Bereichen ist Baskale aktiv?
Amaia: Unsere Arbeit findet in vier Bereichen statt. Zum einen die Erinnerungsarbeit, also die historische Aufarbeitung von Krieg und Faschismus im Baskenland. Sie stellt einen wichtigen Schwerpunkt dar. Zweitens Alternativ-Tourismus, eine unserer wenigen Einnahmequellen. Zum dritten die Arbeit an der Webseite Baskultur.info, die auf wenigen Schultern liegt. Vierter Bereich sind Veranstaltungen und Aktivitäten unterschiedlicher Art, bei denen wir mit anderen zusammenarbeiten, allem voran die Rosa-Luxemburg-Konferenz.
Baskinfo: Was genau müssen wir uns unter Historischer Erinnerung vorstellen?
Amaia: Der Begriff ist im deutschen Sprachgebrauch nicht üblich, daher kann er irritieren. Es geht um antifaschistische Erinnerungsarbeit, um die bisher nur ungenügend erfolgte Aufarbeitung des Krieges von 1936 und der Franco-Diktatur. Es geht um die Opfer dieser Epochen, für die im spanischen Staat wenig bis gar nichts getan wird. Stichworte Gernika und Legion Condor.
Baskinfo: Was bedeutet das konkret?
Amaia: Konkret heißt das, wir haben aus dem Raum Hannover eine Ausstellung übernommen, die die Geschichte der Legion Condor und ihre Kriegsverbrechen im Baskenland darstellt. Diese Expo haben wir in 28 Städten gezeigt. In diesem Jahr wird es viele 80. Jahrestage geben, Bombardierung, Vernichtung und Besetzung – die Ausstellung wird also erneut auf Reisen gehen. Gleichzeitig haben wir einen Dokumentarfilm gemacht zum Thema Legion Condor – übrigens unser einziges Projekt, das öffentlich gefördert wurde. Über die Ausstellung sind wir in Kontakt mit lokalen Gruppen, die sich der Aufarbeitung ihrer Geschichte widmen, an die Opfer des Franquismus erinnern oder auch Leichen ausgraben.
Baskinfo: Die Gruppen graben Leichen aus?
Amaia: Im Baskenland liegen nach wie vor Hunderte von baskischen Soldaten und zivilen Erschossenen in anonymen Massengräbern – im gesamten spanischen Staat sind es mehr als 100.000. Das ist eine ungeheure Zahl! Die baskische Regierung bemüht sich zumindest und hat eine Landkarte erstellt, auf der alle Orte eingezeichnet sind, wo Tote vermutet werden. Ausgraben ist natürlich nicht Aufgabe der Gruppen, das macht die wissenschaftliche Gesellschaft Aranzadi im Auftrag der baskischen Regierung. Es vergeht kaum ein Wochenende, an dem nicht irgendwo zwischen Navarra und Bizkaia gegraben wird.
Baskinfo: Was ist eure Rolle bei diesen Bemühungen?
Amaia: Wir begleiten sie, sind Teil von regionalen Plattformen, die zum Beispiel gegen die franquistische Straflosigkeit klagen. In einem Fall haben wir veranlasst, dass überhaupt etwas in Gang kam. Es ging um das Dorf Baranbio in Araba, in den dortigen Hügeln waren Schützengräben und Artillerie-Stellungen, die den Vormarsch der Faschisten verhindern sollten. Diese Stellungen hat der deutsche Internationalist Fritz Teppich in seiner Autobiografie „Der rote Pfadfinder“ erwähnt, wir sind der Sache nachgegangen. Mit Freiwilligen, unter anderem mit deutschen Jugendgruppen, haben wir begonnen, die verfallenen Anlagen zu säubern. Mittlerweile hat sich eine professionelle Gruppe dieser Arbeit angeschlossen, die arbeiten mit Metall-Detektoren.
Baskinfo: Mit Unterstützung öffentlicher Stellen?
Amaia: Die Stadtverwaltung, auf deren Gebiet die Schützengräben liegen, ist bereit, das Gelände zugänglich zu machen und Schilder aufzustellen. Das verstehen wir unter Erinnerungsarbeit: Vergessenes aus der Versenkung holen und allgemein zugänglich machen. Sowohl für Gruppen aus Europa, alsauch für Schulklassen aus der Gegend.
Baskinfo: Wie ist die Reaktion im Ort?
Amaia: Die Leute sind erstmal verwundert, dass sich ein baskisch-deutscher Verein darum kümmert, aber sie sind dankbar, wir sind zu einem festen Bestandteil der Arbeit in Baranbio geworden. Wenn etwas gemacht werden soll, werden wir um Rat gefragt. Für Leute aus der Gegend sind diese Aktivitäten oft ein Anlass, ihre persönliche Geschichte zu erzählen. Ich habe schon wiederholt erlebt, dass 80-Jährige dazukommen und sagen: „Das erzähle ich zum ersten Mal in meinem Leben“. Da kommen Horrorgeschichten ans Tageslicht, unglaublich! Insofern ist die Arbeit doppelt wichtig: in politischer und persönlicher Hinsicht.
Baskinfo: Kommen wir zum Tourismus. Wie ist die Situation in Bilbao bzw. im Baskenland? In Europa ist überall vom Guggenheim-Effekt die Rede?
Amaia: Politiker sind mittlerweile dazu übergegangen, vom Bilbao-Effekt zu sprechen, weil sie gemerkt haben, dass die Fokussierung auf das Museum Stagnation bedeutet. Zum Tourismus generell: die Situation wächst uns langsam über den Kopf. Donostia – also San Sebastian – war letztes Jahr Europäische Kulturhauptstadt, da muss ich nicht erzählen, welche Massen das in die Stadt geführt hat. Freunde berichten, es sei kaum noch auszuhalten. Dabei ist die Stadt viel mehr an Massentourismus gewöhnt als Bilbao, u.a. wegen der Nähe zur französischen Grenze. In Gipuzkoa gibt es erste Transparente, auf denen Tourismus abgelehnt wird. Das gab es bisher nur in geschundenen Städten wir Barcelona. Dass sogar der christdemokratische Bürgermeister von Donostia von „touristischer Sättigung“ spricht, mitten im Hauptstadt-Jahr, ist ein Alarmzeichen, denn seine Partei steht für dieses Konzept von Verkaufen-was-das-Zeug-hält.
Baskinfo: Letztendlich sind wir alle Mal Touristen …
Amaia: Darum geht es nicht. Wir sind nicht gegen Tourismus, wir alle reisen gerne, und sei es nur von Bilbo nach Santander, auch das ist Tourismus. Was wir in Frage stellen ist unkontrollierter Massentourismus. Unsere Städte hier im Baskenland sind klein, die Altstadtstrassen eng und der übliche Tourismus konzentriert sich an wenigen Punkten. Im Sommer können die Leute aus der Bilbo-Altstadt kaum mehr auf die Straße, die Markthalle ist voller Fotografierlustiger, die Gassen verstopft mit riesigen Führungs-Gruppen. Das ist weder sozialverträglich noch positiv, für keine Seite.
Baskinfo: Wie sieht eure Alternative aus?
Amaia: Wir müssen im Tourismus ein Gleichgewicht finden zwischen den berechtigten Interessen der Besucher/innen und den berechtigten Interessen der Besuchten. Davon sind wir momentan weit entfernt. (…)