[ Urteil im Parkbank Verfahren ] Gegen den Extremismus der Mitte

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Ein Kommentar aus autonomer Perspektive zum heutigen Urteil gegen die Drei von der Parkbank und die anstehenden weiteren Verfahren im Zusammenhang mit G20. Das Verfahren gegen die drei von der Parkbank ist mit Haftstrafen von 22, 20 und 19 Monaten ohne Bewährung in erster Instanz zu Ende gegangen. Die Haftbefehle wurden vorübergehend ausgesetzt. Das Urteil ist noch nicht rechtswirksam. Klar ist aber, mit dem heutigen Urteil im Parkbankverfahren endet der politische Prozess nicht. Die große Freude über die längst überfällige Aufhebung der Haftbefehle mischt sich mit der Wut und Besorgnis über die hohen und teilweise erst noch anstehenden Haftstrafen und die anhaltenden Repressionen und Verfahren nach dem G20 Gipfel.

Alle diese Prozesse stehen beispielhaft für eine Stimmungsmache gegen linke Strukturen, die abschrecken und Angst verbreiten soll. Während Nazis morden und sich Waffenarsenale anschaffen, wird mittels einer angeblichen Menschengefährdung durch linke Aktivist*innen eine neue terroristische Dimension inszeniert. Doch es besteht ein gewaltiger Unterschied, ob Sachen beschädigt oder Wohnhäuser in Brand gesetzt werden. Ersteres ist Teil gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und Proteste, als Sabotage uraltes gewerkschaftliches Kampfmittel, letzteres ein Teil der Dimension faschistischer Gewalt gegen Andersdenkende oder Menschen mit Migrationshintergrund.

Ob Leipzig, Berlin oder Hamburg, Die Mittel der Repression und Überwachung ähneln sich derzeit. Paragraph 129 Verfahren oder „Gefährder“*innen-Einstufungen gehen einher mit einer Dämonisierung von Protesten, die sich gegen Wohnungsleerstand oder globale Ungerechtigkeiten richten. Der Kampf gegen faschistische Strukturen, welche weit in staatliche Organisationen und Behörden hineinreichen, wird mittels Hufeisentheorien gleichgesetzt.

Was besoffen klingt, ist ein Extremismus der Mitte, der faschistische Verbrechen bewusst verharmlost, um die bestehenden Realitäten als Beste aller möglichen Welten darzustellen.

Kapitalismus und Parteienpolitik sollen als unveränderbare Ordnung und letzte Grenze vor der Barbarei verinnerlicht werden. Eben nicht perfekt, aber am Ende der Geschichte scheinbar doch unverzichtbar. Mit dem Stempel eines „gesunden“ Menschenverstandes und der Hegemonie einer „Ratio der Verwertbarkeit“ versehen, neben der scheinbar nur noch Irrationalität, Unvernunft oder „Extremismus“ existieren kann.

Was damit verhindert werden soll, sind Fragen, die gerade in Pandemie-Zeiten wichtiger sind denn je. Wem gehört die Stadt und weshalb? Und was brauchen wir, um dies zu ändern? Wo sind die gesellschaftlichen Wurzeln von Rassismus, Sexismus oder Antisemitismus und wie können wir Gewaltverhältnisse im Alltag wirksam bekämpfen?

Es ist und bleibt wichtig, sich in der gesamten Breite sozialer Bewegungen aufzustellen und solidarische Netzwerke zu bilden. Gemeinsame emanzipatorische Debatten zu führen, unterschiedliche Widerstandserfahrungen zu machen, andere Perspektiven wahrzunehmen, Haltung zu zeigen und auch Grenzen unserer Solidarität zu zeigen, wo gesellschaftliche Diskurse in der Verteidigung von Privilegien, Männerkumpanei, Rassismus oder Antisemitismus münden.

Corona-Leugner*innen und Rechtspopulist*innen, die sich am Griff nach der Macht sehen, gilt es ebenso entgegenzutreten wie der Zuspitzung herrschender Ungerechtigkeiten. Denn mehr als bei der ersten Welle greift im Rahmen der aktuellen Corona-Verordnungen ein Primat kapitalistischer Verwertbarkeit und wird ein neues Klassensystem sichtbar.

Es ist eben ein riesiger Unterschied, in einer großen Eigentumswohnungen mit Garten in eine notwendige Quarantäne zu gehen oder in einer menschenunwürdigen Unterkunft ohne Balkon, im Knast oder einem Lager. Während Arbeiter*innen und Schüler*innen sich in vollbesetzte Busse quetschen, herrscht Ruhe im Home-Office und die Putzkräfte wischen leise den Staub. Während Pflegepersonal ohne Symptome auch mit Corona infiziert zur Arbeit gehen soll, läuft in den Autofabriken das Band ungerührt weiter.

Abgeschafft und als Feind erklärt wird stattdessen die Freizeit, die ebenso wie Kultur als verzichtbar und unwichtiger als die Fabrik angesehen wird. Bei Beschränkungen von sozialen Kontakten werden patriarchale und heterosexistische Familienverhältnisse protegiert und andere Beziehungsverhältnisse marginalisiert.

So vertiefen sich in der Pandemie herrschende Normen und Vorstellungen zu einer repressiven Normalität. Zumindest wenn wir nicht entgegenwirken und auch unter diesen Bedingungen für gleiche Rechte, Emanzipation und Selbstermächtigung kämpfen.

Wir fordern in einer Welt, welche die Warenproduktion zum Kern und Inhalt des Zusammenlebens erklärt, das Überfüssige und Nutzlose. Nicht weniger.

Eine Parkbank macht noch keinen Sommer. Aber sie zeigt uns auf dem Weg zwischen Wohnung, Einkauf und Arbeit, dass da draußen noch Leben ist, Freizeit keine Zeitverschwendung, sondern ganz offenbar gefährlich ist.

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