Weder geheimnisvoll noch zwielichtig – Die BDS-Kampagne für die Rechte der Palästinenser*innen

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Stellungnahme der Redaktion von www.bds-kampagne.de zu dem Artikel von Tobias Lill in der Huffington Post am 9. Juli 2016 zur internationalen BDS-Kampagne

Der Artikel von Tobias Lill enthält eine Reihe von Diffamierungen des sogenannten Experten Sebastian Mohr und einer nicht namentlich genannten Sprecherin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Beide Quellen sind für die uneingeschränkte Unterstützung der Politik Israels bekannt. Ihre Haltung zur internationalen BDS-Kampagne ist daher folgerichtig, denn die Kampagne richtet sich gegen die Politik Israels. Zur Aufklärung darüber, was die BDS-Kampagne ist, sind diese beiden Quellen demzufolge gänzlich ungeeignet. Sie helfen nur, wenn es darum geht die Kampagne zu diffamieren. Und diesen Eindruck haben wir.

Mit professionellem Journalismus hat der Artikel von Tobias Lill nichts zu tun. Es ist eher eine Hetzschrift, wie sie aus dem sogenannten antideutschen Spektrum bekannt ist. Lässt man die Äusserungen aus den besagten Quellen eines Experten und einer Sprecherin des Zentralrates der Juden in Deutschland aussen vor, besteht der Rest des Artikels aus fragwürdigen  Zuordnungen, Verdrehungen, Entstellungen und falschen Angaben. Für eine Richtigstellung aller in dem Artikel angestellten Mutmaßungen müsste ein völlig neuer geschrieben werden. Wir möchten daher im Folgenden nur auf einige Punkte eingehen.

 

Schon die Überschrift macht aus diesem Artikel eine Hetzschrift. In ihr wird die internationale BDS-Kampagne als geheimnisvolle Bewegung beschrieben. Den einzigen Hinweis auf das Geheimnisvolle finden wir dann in folgender Aussage:

 

„In Deutschland ist die BDS-Bewegung bislang der breiten Öffentlichkeit komplett unbekannt.“

 

Und weil die BDS-Bewegung der breiten Öffentlichkeit in Deutschland komplett unbekannt ist, ist sie geheimnisvoll? Doch nur dann, wenn es keine Hinweise darüber gibt, wofür diese Kampagne steht. Dazu fragt man jedoch besser nicht Mohr und Co., sondern recherchiert wie es sich für professionellen Journalismus gehört und findet zahlreiche Webseiten, die Informationen und mehr zur BDS-Kampagne zur Verfügung stellen – sogar in deutscher Sprache: www.bds-kampagne.de.

 

Auf den Webseiten wird keineswegs geheimnisvoll, sondern klar und deutlich und völlig offen über die Ziele und Methoden der Kampagne berichtet, viele Aktionen und Hintergründe beschrieben und mit zahlreichen Bildern dokumentiert. Selbstredend ist es darüber hinaus sinnvoll, wenn man einen Artikel über die BDS-Kampagne zu schreiben gedenkt, auf die Webseiten der Initiator*innen der Kampagne zurückzugreifen, die offen und für jeden, der der englischen Sprache mächtig ist, zugänglich im Netz stehen: www.bdsmovement.net und www.pacbi.org. Zahlreiche weitere Webseiten der weltweiten BDS-Kampagne ließen sich hier auflisten – eine Fülle von Informationen steht zu der Kampagne zur Verfügung. Diese Mühe hat sich Tobias Lill nicht gemacht.

 

Stattdessen wird die Absicht des „Artikels“ bereits in der Überschrift deutlich: „Diese geheimnisvolle Bewegung befeuert den Judenhass unter deutschen Linken“.

 

Kein Zitat der Kampagne, kein Hinweis auf deren Veröffentlichungen belegen diese Unterstellungen. Da müssen Äusserungen, die auf der Berliner 1. Mai Demonstration gefallen sein sollen, dafür herhalten. Ob sie im Namen der BDS-Kampagne oder von Mitgliedern von BDS-Gruppen gerufen worden sind oder nicht spielt in der Argumentation von Lill keine Rolle. Das wäre so, als würde jemand die Huffington Post für die Artikel in der BILD Zeitung kritisieren.

 

Warum bezieht sich Lill auf diese Äusserungen? Weil er in der internationalen BDS-Kampagne keine Belege für seine Unterstellungen findet! Im Gegenteil. Er könnte, so er denn wollte, auf den benannten Webseiten zahlreiche Hinweise dafür finden, dass die BDS-Bewegung immer einen auf Rechten basierenden Ansatz vertreten und auf der Basis einer Anti-Rassismus-Plattform gearbeitet hat, die alle Formen von Rassismus, einschließlich antimuslimischem Rassismus und Antisemitismus ablehnt. Doch diese Form von Recherche, dem journalistischen Handwerk nicht eben fremd, scheint Lill nicht vertraut zu sein.

 

Oder liegt es daran, dass die englischsprachige Debatte ihm gänzlich unbekannt ist? Nur so lässt sich erklären, dass ein folgender Satz zustande kommt: Zudem behaupteten BDS-Sympathisanten, dass Israel eine ethnische Säuberung betreibe.“

 

Hier wird deutlich, dass die Diskussion um die Entstehung und Gründung Israels und der damit einhergehenden Vertreibung der einheimischen palästinensischen  Bevölkerung Lill völlig unbekannt ist. Schon seit vielen Jahren diskutieren Historiker*innen den Prozess der Vertreibung der Palästinenser*innen als ethnische Säuberung, die 1948 nicht abgeschlossen wurde, sondern bis heute anhält. Eines der bekanntesten Bücher dazu stammt von dem israelischen Historiker Ilan Pappe (The Ethnic Cleansing of Palestine), der ausführlich und mit zahlreichen Hinweisen belegt, warum in diesem Zusammenhang von ethnischer Säuberung gesprochen werden kann. Das Buch ist auch auf Deutsch erschienen.

 

In dem Artikel von Lill heißt es weiter:

 

„Auch der BDS-Begründer, Omar Barghouti, erklärt ganz offen, dass das Ziel nicht zwei Staaten seien.“

 

Warum nur macht es sich Lill so schwer? An keiner Stelle in der BDS-Kampagne wird gesagt, dass eine Ein-, Zwei-  oder sonst viele Staaten als Ziel anvisiert werden. Die BDS-Kampagne, die von einer breiten Koalition zivilgesellschaftlicher palästinensischer Organisationen ins Leben gerufen wurde, fordert, dass Israel seiner Verpflichtung nachkommt, den Palästinenser*innen das unveräußerliche Recht der Selbstbestimmung zuzugestehen, und zur Gänze den Maßstäben internationalen Rechts entspricht, indem es:

 

  1. Die Besetzung und Kolonisation allen arabischen Landes beendet und die Mauer abreißt;
  2. Das Grundrecht der arabisch-palästinensischen BürgerInnen Israels auf völlige Gleichheit anerkennt; und
  3. Die Rechte der palästinensischen Flüchtlinge, in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum zurückzukehren, wie es in der UN Resolution 194 vereinbart wurde, respektiert, schützt und fördert.

 

Zur Frage einer Lösung des Konflikts hat sich die Kampagne nicht geäussert. Dafür hat sie auch gar nicht das Mandat, wenn man demokratische Grundsätze ernst nimmt (Wahlen, Verhandlungen …). Dass sich einzelne Aktivist*innen und auch Gründungsmitglieder der Kampagne individuell zu möglichen Szenarien für ein Zusammenleben in der Zukunft äussern, ist ihr gutes Recht und wird in der Regel ausdrücklich als persönliche Stellungnahme betont. Warum Lill diese Feinheiten nicht kennt, zeigt sein bescheidenes Wissen darüber.

 

Am Ende seines Artikels schreibt Lill, dass der „Berliner BDS“ für eine Stellungnahme der Huffington Post nicht erreichbar war. Wir wissen nicht, ob die Einbeziehung von BDS Berlin in den Artikel geholfen hätte, mehr Klarheit über die tatsächlichen Anliegen der internationalen BDS-Kampagne zu schaffen. Zu sehr scheint der Diffamierungswille von Tobias Lill im Vordergrund zu stehen.

 

Der Artikel reiht sich ein in eine lange Reihe von Hetzschriften gegen die BDS-Kampagne. Statt einer inhaltlichen Auseinandersetzung über die Forderungen der Kampagne, die Diskussion um eine mögliche Anwendung des Begriffs „Ethnische Säuberung“ auf Grundlage der Verwendung in den Erklärungen der Vereinten Nationen oder die Frage nach den sozialen und politischen Verhältnissen in Israel / Palästina nutzt Tobias Lill in seiner Funktion als Mitarbeiter der Huffington Post seine Möglichkeiten zur Diffamierung und Mystifizierung einer völlig offen agierenden internationalen, emanzipatorischen Kampagne.

 

Sein Artikel erschien am 9. Juli 2016. Bezeichnenderweise geht Lill nicht darauf ein, dass dieses Datum den 11. Jahrestag des Beginns der BDS-Kampagne markiert, ein Jahr nach dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag über die legalen Konsequenzen eines Mauerbaus in besetztem palästinensischem Gebiet.

 

In dem Gutachten heißt es unter anderem:

 

Alle Staaten sind verpflichtet, die illegale Situation, die Ergebnis des Baus der Mauer ist, nicht anzuerkennen und keine Hilfe dabei zu leisten, die Situation aufrecht zu erhalten, die durch den Bau der Mauer entstanden ist“

 

Das Versagen der internationalen Staatengemeinschaft, einschließlich der deutschen Regierung und der EU besteht darin, den eigenen Ansprüchen in keiner Weise entsprochen zu haben, ein Zustand der bis heute anhält. Das ist der Grund für die BDS-Kampagne. Doch darüber verliert Lill kein Wort. Stattdessen schreibt er von einer „zwielichtigen Gruppierung“ und einer „geheimnisvollen Bewegung“ – ganz im Sinne einer neuen Verschwörungstheorie. Wenn das das neue Niveau der deutschsprachigen Huffington Post sein soll, dann macht sich diese ‚linksliberale‘ kommerzielle Online-Zeitung schnell überflüssig.

 

Mittwoch, 13. Juli 2016, Redaktion von www.bds-kampagne.de

 


The Huffington Post
9. Juli 2016 Diese geheimnisvolle Bewegung befeuert den Judenhass unter deutschen Linken

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