Steht Kolumbien vor einem Waffenstillstand?

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Verschiedene Kommuniqués der Guerilla-Fronten der FARC-EP und auch die Mitteilungen der Regierung deuten auf ein Waffenstillstand in der nächsten Zeit hin, um zu Friedensgesprächen zu gelangen.

Die letzten Sondierungsgespräche zwischen Guerilla und Vertretern der kolumbianischen Regierung, aber vor allem die diversen Kommuniqués der Fronten und Strukturen der FARC-EP in den zurückliegenden Wochen versprechen nicht nur die Verhandlungsbereitschaft für neue Friedensgespräche, sondern auch einen Waffenstillstand im Land. Dies wäre der erste Schritt zu den Friedensgesprächen, so zeigt es die Geschichte und vor allem die Mitteilungen aus Guerilla und auch Regierung. Tatsächlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass es in absehbarer Zeit als Geste des Friedenswillens von Seiten der Guerilla zu einem Waffenstillstand kommt, dem sich sicherlich auch die staatlichen Sicherheitskräfte anschließen werden.

Während die Strukturen im Osten um die 1. und 7. Front bereits frühzeitig nach der Präsidentschaftswahl ihren Willen zum Frieden bekundeten und Iván Mordisco als Oberkommandierenden für die Friedensgespräche beauftragten, übermittelten in den zurückliegenden Wochen auch die ihr alliierten Strukturen des Westlichen Koordinationskommandos sowie die Fronten im Norden, wie zum Beispiel die 36. Front in Antioquia, ihre Verhandlungsbereitschaft zum Frieden. Einhergehend wird auf einen bilateralen Waffenstillstand hingewiesen, der von beiden Seiten durchgeführt werden solle. Die Erfahrung zeigt, dass dies tatsächlich einer der Hauptgesten für Friedensgespräche ist.

Bemerkenswert ist, wie breitflächig sich die Strukturen der FARC-EP zu den Friedensgesprächen und einem potentiellen Waffenstillstand äußern. Dies signalisiert eine gute Organisationsstruktur und Kommunikation untereinander und hebt die These auf, dass viele Strukturen der FARC-EP ein Eigenleben entwickelt haben und es keine zentralen Befehlsstrukturen gibt. Im Gegenteil, sowohl im Westen als auch im Osten des Landes wurde zuletzt deutlich, dass es eine gewisse Organisationsstruktur geben muss, wenn auch nicht so wie zu Zeiten der „alten“ FARC-EP vor 2016. Besonders das Westliche Koordinationskommando gab regelmäßig Kommuniqués zu politisch-militärischen Themen heraus und sorgte teilweise für gemeinsame militärische Aktionen.

Doch auch im Norden, wo die Guerilla bei weitem nicht so stark verankert ist, scheint sich zumindest unter der aufständischen Bewegung der Frieden anzudeuten. Die 36. Front der FARC-EP gab unlängst ihre Annahme des von Präsident Gustavo Petro während seines Besuchs in Ituango, Antioquia, vorgeschlagenen multilateralen Waffenstillstands bekannt. „Wir begrüßen den Aufruf zu einem multilateralen Waffenstillstand als humanitäre Geste, und ohne selbst der Frieden zu sein, wie der Präsident sagte, wird er der Situation des wahllosen Krieges, den die Provinz erlebt, enorme Vorteile bringen“, stellte die 36. Front in ihrem Kommuniqué klar. Ein wichtiger Aspekt wird jedoch auch deutlich, um Frieden zu erreichen; die anderen (paramilitärischen) Akteure.

Sie fügen hinzu, dass sie enorme Differenzen „mit den Paramilitärs und den immer noch mit ihnen verbündeten Streitkräften haben, dass ihre Bereinigung ein wichtiger Faktor für die Gewährleistung des totalen Friedens sein wird. Aber trotzdem sind wir bereit, uns unter Vermittlung der Kirche, der Regierung und lokaler und nationaler zivilgesellschaftlicher Organisationen und der internationalen Gemeinschaft an einen Tisch zu setzen, um mit dem Aufbau multilateraler Waffenstillstandsabkommen zu beginnen.“ Tatsächlich wird ein Waffenstillstand von diesen Faktoren abhängen. Wie reagieren die staatlichen Sicherheitskräfte und wie reagieren Paramilitärs besonders in einer Region wie Antioquia, die von paramilitärischen Strukturen beherrscht wird.

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Ergänzungen

Im Laufe des heutigen Tages wurde der Öffentlichkeit ein Kommuniqué der FARC-EP bekannt, in dem der Oberkommandierende Iván Mordisco einen Waffenstilstand an seine Einheiten befiehlt. Das Kommuniqué, welches vom 22. September datiert und am heutigen 23. September auf dem Propagandakanal der FARC-EP hochgeladen wurde, dauert nur dreieinhalb Minuten, ist aber politisch-militärisch von großer Bedeutung. Zum einen wird darin klar, dass Iván Mordisco als Oberkommandierender tatsächlich lebt und nicht bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen ist. Zum anderen wird nun klar, was sich andeutete, dass die Strukturen der FARC-EP um Iván Mordisco, die vor allem im Osten und im Westen sehr stark sind, ihre Angriffe auf die staatlichen Sicherheitskräfte einstellen.

„Die FARC-EP bekräftigt unsere Verpflichtung, mit der nationalen Regierung in ihrer Sondierungsphase offene Dialoge zu führen, um Lösungen für den sozialen und bewaffneten Konflikt zu finden, unter dem unser Land seit Jahrzehnten leidet“, sagt der Oberkommandierende. „Allen Guerillaeinheiten der FARC-EP wurde befohlen, Konfrontationen mit den staatlichen Sicherheitskräften so weit wie möglich zu vermeiden, solange wir nicht angegriffen werden, um ein günstiges Klima zu schaffen und bilaterale Waffenstillstandsvereinbarungen mit der nationalen Regierung einzuleiten, um die von der nationalen Regierung skizzierte soziale, politische und wirtschaftliche Agenda umzusetzen. Wir erwarten Gegenseitigkeit von der Regierung und den Sicherheitskräften“, fügte alias Iván Mordisco hinzu.

Damit wird klar, was wir bereits gestern angedeutet hatten. Die FARC-EP beginnt ihrerseits mit der humanitären Geste und beschließt erstmals einen Waffenstillstand, der wohl demnächst auch auf die staatlichen Sicherheitskräfte ausgeweitet wird. Das Kommuniqué macht es jedoch deutlich, wie schon in den Jahrzehnten davor, handelt es sich zuerst um das Vermeiden von offensiven Aktionen gegen den Gegner bzw. die staatlichen Sicherheitskräfte, also Militär und Polizei. Ein Waffenstillstand ist strategisch für die FARC-EP von enormer Wichtigkeit, da sie dadurch ihre interne Kommunikation ausweiten kann, was vor allem der Kontakt zu den verschiedenen im Landesgebiet zerstreuten Einheiten der Guerilla bedeutet. Nur so kann ein gemeinsamer Weg zu Friedensgesprächen geführt werden. Zudem können strategische politisch-militärische Aufgaben wie politische Arbeit und Ausbildung der Kader ohne Angst vor Militäraktionen durchgeführt werden.

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