Autonome Perspektiven auf Wirtschaft, Staat, Coronavirus

Event: 

Zum Verhältnis von Staat – Corona – Wirtschaft und etwas zur autonomen Gesundheitsvorsorge

 „Was nützt einem Gesundheit, wenn man ansonsten ein Idiot ist“ - Adorno

 

#Einleitung

Der Coronavirus und die von ihm ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 stürzen die Menschen auf der ganzen Welt in Chaos und Unglück. Noch nie dürften so viele Menschen zugleich unter Kontakt- und Ausgangssperren und -verboten gelitten haben wie derzeit – aktuell dürften es etwa 25% der Weltbevölkerung sein – Tendenz steigend. Ebenfalls dürfte es eine ganze Weile her sein, dass in den Zentren der sogenannten westlichen Welt kranke und hilfsbedürftige Menschen keinen Platz mehr im Krankenhaus bekommen können, dass ihre Operationen hinausgezögert werden und dass eine Krankheit einen beträchtlichen Teil des Krankenhauspersonals infiziert und so die Versorgungslage weiter verschlechtert. Die weltweiten Todeszahlen mögen in permanent aktualisierten Bodycountern im Internet erschrecken, weisen die Covid19-Pandemie aber noch auf die unteren Ränge der Pandemien; noch sind bisher weltweit ungefähr so viele Menschen gestorben, wie in einem der schlimmeren Grippejahre wie zB 2017/2018 bloß in Deutschland, eine Grippewelle, die Weltweit immerhin zwischen 300.000 und 600.000 Menschen das Leben kostete, ohne das es überhaupt groß aufgefallen wäre, sofern die Toten nicht im persönlichen Umfeld zu beklagen waren. Es soll aber gar nicht darum gehen, Covid-19 und den Schrecken, den die Krankheit verbreitet zu relativieren, indem man sie mit der jährlichen Influenza, den Hungertoten, den Toten des Straßenverkehrs, den jährlichen Selbstmorden, oder welche andere schreckliche Zählung verloschenem menschlichen Lebens jemandem einfällt. Vielmehr ist das Thema hier die Frage, wieso der Staat gerade jetzt ein solches Interesse an der Gesundheit der Menschen in der Gesellschaft an den Tag legt, wo ihm ansonsten das Ableben von Menschen wenig oder gar nicht interessiert, ganz gleich ob es sich um vermeidbares Unheil wie Krankheit, Krieg, Hungertod, Selbstmord und Straßenverkehr oder das Sterben in unvermeidbaren Naturkatastrophen handelt.

Dazu betrachten wir zum einen das Verhältnis vom Staat zur Gesundheit der Menschen und damit zusammenhängend auch das Verhältnis vom Staat zur Wirtschaft. Dazu sei gesagt, dass wir uns Staat, Gesellschaft und Wirtschaft hier in ihrem strukturellen Verhältnis zueinander anschauen und damit nicht die tatsächlichen jeweiligen Regierungen und Firmen, welche die Strukturen ausfüllen, ebensowenig wie die subjektiven Blickwinkel der Menschen in Machtpositionen, sofern sie nichts zur Strukturerhellung beitragen.

Daran anschließend wollen wir noch einen kleinen Beitrag zur autonomen Gesundheitsvorsorge beitragen. Keinesfalls wird es dabei darum gehen, wie und wie oft sich Hände zu waschen sind oder dergleichen, allgemeine Hygieneregeln hierzu sind seit Beginn der Pandemie mehr als ausreichend auf dem Tisch. Vielmehr geht es darum, der gesundheitlichen Verstümmelung entgegenzuwirken, die derzeit durch den autoritären Vorstoß verursacht wird und eben auch darum, zu enthüllen, dass das permanente Wiederholen gesundheitlicher Hinweise keineswegs die Gesundheit fördert, sondern vielmehr Ausdruck der notwendigen Verblödung der Gesellschaft durch den Staat im Interesse seines Machterhalts ist.

 

# Staat und Wirtschaft

Um es kurz zu machen: Das Verhältnis von Staat und Wirtschaft ist gekennzeichnet durch Hilfe zum gegenseitigen Machterhalt. Der Staat schafft für die Wirtschaft möglichst gute Bedingungen für das Erwirtschaften von Gewinnen, dafür stellt die Wirtschaft Geld und Waren zur Verfügung, damit der Staat seine Macht gegenüber der Gesellschaft behält. Die Gesellschaft verkauft beiden ihre Arbeitskraft und erhält dafür Geld, mit welchen sie sich die von ihr selbst produzierten Konsumgüter kaufen kann.

Die Aufgabe des Staates ist es, die Menschen in der Gesellschaft auf diesen „Handel“einzustimmen. Die Instrumente hierfür sind die aktuelle Pädagogik, Soziologie und Psychologie (die sich dann in Erziehung, Werbung, Stadtplanung, Psychotherapie usw ausdrücken); sie liefern das Handwerkszeug, dass der Staat braucht, um die Menschen in der Gesellschaft schon als Kinder von ihren subjektiven Interessen abzulenken, sie zu verunsichern und voneinander zu isolieren, damit sie in der Folge die Interessen von Staat und Wirtschaft für ihre eigenen Interessen halten und den Verkauf ihrer Arbeitskraft im Austausch für Geld und Konsumgüter „freiwillig“, dh ohne größeren Widerspruch durchführen. Gibt es Widerspruch, hat der Staat den Widerspruch zu regulieren, was bedeutet, dass er irgendwelche Maßnahmen finden muss, die die Zufriedenheit in der Gesellschaft wiederherstellen, ohne dass die Wirtschaft nennenswerte Verluste hinnehmen muss. Zufriedenheit wird in der Regel so hergestellt, dass die Teile der Gesellschaft, die sich beschweren, durch eine größere Beteiligung an der Geldausschüttung und in der Folge dann durch eine erhöhte Beteiligung am Konsum befriedigt werden. Durch alle Umstellungen dieser Art wird das grundsätzliche Verhältnis nicht berührt, dh die Menschen in der Gesellschaft müssen weiter ihre Arbeitskraft an den Staat und die Wirtschaft verkaufen und bekommen dafür soundsoviele Konsumgüter.

Dabei ist es für den einzelnen Menschen nicht wesentlich, ob jemand in einem Angestelltenverhältnis seine Arbeitskraft an einen Arbeitgeber verkauft, oder ob er seine Arbeitskraft direkt in Form eines Konsumgutes an einen Kunden verkauft wie in der Selbstständigkeit. Wichtig ist vor allem der Tausch von Arbeitskraft gegen Geld und der dann folgende Tausch von Geld in Konsumgüter und eine allgemeine Zufriedenheit damit.

 

# Staat, Wirtschaft und Gesundheit

Die Menschen, die der Staat formt, um sie an die Wirtschaft weiterzugeben, brauchen bestimmte Qualitäten. Dies sind zum einen ganz konkret fachliche Qualitäten (wie etwa Lesen, Rechnen, Schreiben können), zum anderen ganz allgemeine Qualitäten (wie Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, usw.), damit der Arbeitsprozess in dem sie arbeiten sollen, reibungslos verläuft. Gesundheit ist eine dieser Qualitäten, was bedeutet, dass die Menschen, die der Staat für die Wirtschaft vorbereitet, um sie an sie weiterzugeben, im besten Falle „gesund“ sind. Gesund zu sein heißt in der Perspektive von Staat und Wirtschaft, dass jemand die an ihn gestellten Anforderungen möglichst reibungsfrei ausführen kann, also etwa nicht zu schwach, zu ungeschickt oder eingeschränkt ist, wie auch dass diese möglichst pausenfrei ausgeführt werden kann, jemand also ohne Unterbrechung zu seiner Arbeit erscheint. Die Zeit, die jemand nicht arbeitet, soll im besten Fall ausreichen, um alle Probleme, die ein Mensch an Körper und Geist hat, zu beheben. Ein darüber hinausgehendes Interesse an der Gesundheit der Menschen in der Gesellschaft besteht unmittelbar nicht. Das hat dazu geführt, dass der Staat das Gesundheitssystem weitestgehend an die Wirtschaft abgegeben hat, was wiederum dazu führte, dass Gesundheit in ein Konsumgut transformiert wurde, Gesundheit also etwas ist, was sich käuflich erwerben lässt und in der Regel besser wird, wenn jemand mehr Geld dafür ausgeben kann.

Darüber hinaus ist das Interesse an gesunden Menschen von der Wirtschaft her in Zahlen zu bestimmen. Es hängt zusammen mit der überhaupt benötigten Arbeitskraft. Wenn also eine bestimmte Zahl von Stunden gearbeitet werden muss, braucht die Wirtschaft gesunde Menschen, die genau diese Zahl an Stunden arbeiten können; in der Regel erhöht sich diese Zahl noch um weitere Menschen, die die Arbeit ebenfalls machen könnten, diese sind die Bedrohung für die bereits arbeitenden Menschen, dass sie jederzeit ersetzt werden könnten. Gibt es zu viele Menschen, die zwar theoretisch arbeiten könnten, aber von der Wirtschaft gar nicht gebraucht werden (auch nicht, um anderen Angst zu machen), entsteht ein Missverhältnis. Der Staat müsste weniger Menschen zur Verfügung stellen, dies jedoch hat nichts damit zu tun, wie viele Menschen tatsächlich in der Gesellschaft leben und die vom Staat selbst erzeugte Erwartung hegen, dass sie nun eine Arbeit erhalten. Hierdurch entsteht das strukturelle, ziemlich schreckliche Interesse bei Wirtschaft und Staat, dass menschliches Leben vergeht, anstatt dass es gesund gelebt wird, sofern es keinen Trend dahin gibt, dass immer mehr Arbeitsstunden von Menschen gearbeitet werden müssen.

Ein weiteres Interesse bezüglich des Lebens und der Gesundheit der Menschen seitens Staat und Gesellschaft findet sich bezüglich der Dauer des Lebens; scheidet ein Mensch aus dem Arbeitsleben aus, bezieht er Rente. Je länger dieser Abschnitt dauert, desto länger muss für diesen Menschen in der Regel Geld ausgegeben werden, ohne dass er jedoch seine Arbeitskraft zu Markte trägt. Daher besteht in der Wirtschaft kein unmittelbares Interesse am hohen Alter der Menschen, seitens des Staates nur insoweit, dass eine hohe Lebenserwartung seine Rolle als Staat gegenüber der Gesellschaft festigt. Abgesehen davon machen alte Menschen nur Scherereien, was an den anhaltenden Debatten über Rentenfinanzierung und -alter unter dem Stichwort „Überalterung der Gesellschaft“ aktuell zu erkennen ist (oder sagen wir erstmal „war“, weil die Corona-Krise alles überschattet).

Hinzu kommt derzeit noch ein neues Problem und zwar das Klima: Die Warenproduktion für den Konsum hat ein solches Ausmaß angenommen, dass das Klima der Welt daran zuschande geht. Gäbe es nur einen Bruchteil der Menschen, würde bei gleichem weltweiten Konsumniveau deutlich weniger Schaden am Klima angerichtet werden. Würde nur ein Bruchteil der Menschen leben, könnte das bisherige Gefüge von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft erhalten bleiben.

Wir sehen also, dass Staat und Wirtschaft zwar ein Interesse an gesunden Menschen, die ihre Arbeitskraft verkaufen, haben, dass sie aber kein generelles Interesse an der Gesundheit der Menschen haben, oder wie in der gegenwärtigen Zeit, sogar ein gegenläufiges Interesse haben können.

 

# Staat, Wirtschaft, Covid-19

Unter dieser Perspektive stellt sich die Frage, ob denn Staat und Wirtschaft derzeit überhaupt ein strukturelles Interesse daran haben, die Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern, beziehungsweise die Auswirkungen von Covid-19 auf die Gesellschaft zu begrenzen. Covid-19 scheint das Potential zu haben, viele Menschen zu töten, ohne dass es dafür Krieg geben müsste, zudem werden vor allem alte Leute davon getroffen. Wieso aber nimmt zum einen die Wirtschaft dann derzeit Schaden und wieso unternimmt der Staat Maßnahmen, die dem Zweck dienen, die Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern beziehungsweise zu verlangsamen?

Antworten wir zuerst auf die Frage nach der Wirtschaft: Wenn der Tod von vielen Menschen kein genereller Schaden für die Wirtschaft ist, wieso herrscht an den Börsen weltweit dann derzeit eine solche Panikstimmung? Dies liegt daran, dass hier das strukturelle Interesse der Wirtschaft an ihrem eigenen Erhalt und das konkrete Interesse der Akteur*innen in der Wirtschaft auseinanderfallen. Denn die Produktion von Konsumgütern orientiert sich zu einem Teil am zu erwarteten Absatz: Wird die Anzahl der Konsument*innen plötzlich reduziert gibt es eine „Übersättigung“ des Marktes, was in der Regel zu massiven Verlusten führt (eine Übersättigung des Marktes wurde im Übrigen von einer Reihe von Wirtschaftswissenschaftler*innen ohnehin bereits beobachtet, insofern hat die Covid-19-Pandemie dies nur beschleunigt). Wir sehen das Problem für die konkrete Wirtschaft schon jetzt, die Konsument*innen werden temporär reduziert, dass alleine reicht für Billionenverluste. Während es also für die Struktur der Wirtschaft relativ egal ist, ob derzeit massenhaft Unternehmen Verluste machen oder sogar schließen, wehren sich die tatsächlichen Unternehmen natürlich mit Händen und Füßen dagegen. Dabei ist zu sehen, dass es eine Reihe von Unternehmen gibt, die auf eine baldige Wiederaufnahme der Betriebe sowie auch des öffentlichen Lebens drängen, also die Maschinerie von Produktion und Konsum wieder ans Laufen bringen wollen, da jeder Tag, der verstreicht, es unwahrscheinlicher macht, dass es überhaupt zur Wiederaufnahme kommt. Alternativ wird vom Staat gefordert, dass er die Kosten, die durch die autoritären Maßnahmen entstehen, übernehmen, den Unternehmen also ordentlich Finanzen bereitstellen soll. Die Wirtschaft zeigt damit, dass es ihr nicht um das Leben oder das Überleben der Menschen geht, sondern um bloß um ihr eigenes Überleben und dem Fortbestehen ihrer Produktionsbedingungen. Daneben ergeben sich für die Wirtschaft sogar einige Vorteile und zwar im Bereich der Digitalisierung. Angesichts der tatsächlichen technischen Möglichkeiten, besteht in vielen Bereichen eine faktische Rückständigkeit. Diese Rückständigkeit stört in der Wirtschaft insofern es bedeutet, dass auf bestimmte Einsparmöglichkeiten verzichtet werden muss, wie etwa die Miete für Büros und Konferenzräume, wenn Angestellte genausogut zuhause arbeiten könnten und nötige Treffen in digitalen Räumen abhalten würden, oder etwa bei der Abschaffung des Bargeldes, was als Zahlungsmittel unter anderem einige konsumhemmende Effekte hat und unnötige Verwaltungsprobleme mit sich bringt; zudem lassen sich die durch digitalen Zahlungsverkehr anfallenden Daten wesentlich besser abschöpfen als etwa durch relativ anonymes Bargeld. Abgesehen davon bleibt die aktuelle Lage für die Wirtschaftsvertreter*innen schwer abzusehen, im Allgemeinen jedoch wird davon ausgegangen, dass Produktion und Konsum nach der Corona-Krise wieder deutlich anziehen werden, weswegen es für die konkreten Unternehmen vor allem darum geht, möglichst schadlos (also verlustlos) die Krisenzeit zu überdauern und zu überstehen.

Gegenüber der Wirtschaft hat der Staat völlig andere Interessen an einem glimpflichen Ausgang der Corona-Krise. Das Sterben der Menschen ist ihm im weitesten Sinne völlig gleichgültig, sofern es sich um ein Sterben handelt, dass zum einen der Wirtschaft nicht allzusehr schadet und zum anderen um ein Sterben, dass stillschweigend verläuft, also ohne große Klagen aus der Gesellschaft heraus, wie etwa bei den schlimmeren Grippewellen oder dem Sterben an Tuberkulose und dergleichen, oder aber dem Verhungern von Menschen in ausgebeuteten Regionen der Welt. Sofern das Sterben gesellschaftlich akzeptiert wird, ist das verlöschende Leben dem Staat keinen Cent wert. Problem macht es bloß, wenn das Sterben mit allzuhoher gesellschaftlicher Aufmerksamkeit bedacht wird und dies ist in Bezug auf die Corona-Krise passiert. Dies bringt den Staat in ein Legitimationsproblem: Da er allerlei Kompetenzen in seinen Ministerien auf sich vereinigt und gegenüber der Gesellschaft das Versprechen abgibt, sich um alles anständig zu kümmern, ist ein von der Gesellschaft als problematisch erlebtes Sterben der Menschen etwas, das zu verhindern Angelegenheit des Staates ist. Wieviele Menschen an der konkreten Corona-Pandemie in Deutschland sterben, spielt für den Staat daher nur insofern eine Rolle, wie der Bodycount in einem negativen Verhältnis zum in der Gesellschaft rezipierten Bemühungen des Staates steht. Für ihn reicht es, wenn am Ende der Krise der Eindruck entstanden ist, dass der Staat keine Maßnahme ausgelassen hat, um die Zahl der Toten zu reduzieren, dass er weder Kosten noch Mühen gescheut, den Kopf nicht eingezogen, die Verantwortung übernommen hat. Allerdings bedeutet das für den aktuellen Staat ein relatives Problem, da er in den vergangenen Jahren zahlreiche Schritte unternommen hat, die das Gegenteil belegen, er also Kosten und Mühen gescheut, den Kopf eingezogen und die Verantwortung für den Erhalt der Gesundheit in der Gesellschaft abgegeben hat und zwar an die Wirtschaft, also Gesundheit in ein Konsumgut transformiert hat. Dies hat zwar bisher zu einer ganzen Reihe von negativen Folgen geführt, wie etwa die viel zu hohe Arbeitsbelastung des Pflegepersonals und die damit zusammenhängenden Erkrankungen, das Abschaffen nicht rentabler Krankenbetten, die Verschlechterung des Pflegeschlüssels, und und und, bisher aber gelang es, diese Misere weitestgehend zu kaschieren . Die derzeitige völlig voraussehbare Corona-Krise (die durch Simulationen bereits seit Jahren bekannt ist) jedoch führt dazu, dass die negativen Folgen nicht mehr zu kaschieren sind.

Der Staat reagiert darauf zum einen, in dem er die Kommerzialisierung der Krankenhäuser (gute Pflege bekommt, wer dafür gut zahlt) temporär zurückbaut (der Staat zahlt für jedes Krankenbett). Zum anderen aber hat er sich einen besonderen Kniff einfallen lassen und zwar die Schuld für die Probleme mit der Corona-Krise an die Gesellschaft zu verweisen. Dies geschieht, indem ein Bild erzeugt wird, das Problem sei, dass sich Teile der Gesellschaft nicht an die im Sinne der Gesundheit veranlassten autoritären Maßnahmen halten würden. Demnach ist das Problem nicht mehr, dass Kranke nicht die nötige Behandlung erfahren können, sondern dass gesunde Menschen die Verbreitung des Virus voranbringen. Hierdurch ist jeder Mensch in der Gesellschaft, der sich nicht an die Maßnahmen hält, Mitschuld am Ableben kranker Mitmenschen. Gleichzeitig entsteht dadurch der Eindruck, alle Menschen könnten „aktiv“ etwas gegen die Corona-Krise machen, wobei sie tatsächlich zur absoluten Passivität gedrängt werden sollen. Aktivismus in der Corona-Krise besteht darin, zu hause zu bleiben und andere zum Gleichen zu bewegen. Hierfür musste zum einen das Bild von Gesundheit eingeeicht werden und zwar dahingehend, dass „krank ist, wer einen Virus in sich trägt – unabhängig von Symptomen unter denen man leidet oder auch nicht“, gegenüber dem Gedanken „krank ist, wer einen Virus in sich trägt und wessen Abwehrkräfte nicht reichen, um mit einem Virus fertig zu werden“. Mit der Verschiebung des allgemeinen (nicht medizinischen) Begriffes von Krankheit lässt sich zukünftig mit anhaltender Regelmäßigkeit das Verbieten von Kontakten und Versammlungen rechtfertigen.

Dem Staat geht es also mit seinen autoritären Maßnahmen nicht wirklich um die Gesundheit der Gesellschaft, es geht ihm darum, sich Zeit zu verschaffen, damit er die Probleme, die er selbst verursacht hat, lösen kann, ohne das es allzugroßen Ärger über ihn gibt und er damit in eine Legitimationskrise kommen könnte.

Abgesehen von dem zentralen Problem seiner Legitimation kann der Staat die aktuelle Krise dazu nutzen, seine Position gegenüber der Gesellschaft auch für zukünftige Krisen abzusichern. Alle seine Maßnahmen sind unter diesem Aspekt zu betrachten; die Umstrukturierung der Gesellschaft wird zwar als Gesundheitsvorsorge kaschiert, tatsächlich nutzt der Staat das derzeitige „Krisenmanagement“ nur als Deckmantel, um ohnehin vorhandene autoritäre Interessen durchzusetzen, ohne dass die Gesellschaft darauf mit Widerstand reagieren kann. Ebenso wie die Wirtschaft profitiert er vom Digitalisierungsschub, genauso wie die breite Akzeptanz von Ausgangssperren, sozialer Kontrolle und Überwachungsmaßnahmen. So lange, wie der Staat damit durchkommt, die Menschen so zu verunsichern, dass sie all das bejahen, wird der Staat als Profiteur aus der Krise hervorgehen, die Gesellschaft freilich wird dadurch keineswegs gesünder werden, sondern in der Folge mit den Einbußen von Freiheit leben müssen.

 

# Autonome Gesundheitsvorsorge

Gesundheit ist kein spezifischer Inhalt autonomer Politik und sie zu erhalten keine gängige Praxis; regelmäßig aber geht es darum, die Bedingungen für einen Mangel an Gesundheit zu benennen und ihre Akteur*innen anzugreifen. Daneben ist Gesundheit als Thema auch im grundlegenderen Ansatz aufgehoben, Bedingungen zu schaffen, in denen es möglich ist, dass das Leben der Menschen sich frei entfaltet, was vielleicht mehr als alles die Grundlage von einer tiefgreifenden Gesundheit überhaupt ist. Darüber hinaus sind Maßnahmen zum Erhalt der körperlichen Gesundheit etwas, was sich als Wert nur subjektiv bestimmen lässt, dh es ist etwas, über das nur jede*r selbst zu entscheiden hat. Seinen Körper zu ruinieren oder großen Gefahren auszusetzen, kann ebenso Ausdruck von Freiheit sein, wie es nicht zu tun und stattdessen sein Leben auf einen möglichst langen Erhalt des eigenen Körpers auszurichten.

Was derzeit passiert, ist wesentlich mehr als das Verbreiten einer Lungenkrankheit zu verhindern, es ist die Intensivierung der Isolation und Einsamkeit zwischen den Menschen, welche schon vor der Corona-Krise der Fall war. Das Mittel zur Intensivierung, welches vom Staat gegen die Menschen eingesetzt wird, ist Angst. Angst aber ist bisweilen eine schlechte Ratgeberin und in diesem Fall führt sie dazu, dass bis weit in die linksradikale Bewegung hinein das Befolgen in ihrer Wirkung nicht wirklich fassbaren Maßnahmen bejaht wird. Welche Maßnahme wie sinnvoll ist, wird selbst unter den Fachleuten unterschiedlich bewertet und auch von einer einzelnen Person zum Teil im Laufe der Zeit völlig unterschiedlich; ihre Verbindung in den Staat hinein rückt ihre Aussagen überdies in schlechtes Licht – allen Wechseln zum Trotz gilt ihre jeweilige aktuelle Ansicht nicht wenigen als einzig richtige Ansicht. Vertreten wird diese Ansicht dann nicht bloß als eine mögliche medizinische Sicht auf ein Problem, aus dem nun jede*r ableiten kann, was er oder sie will, sondern aus diesen Ansichten werden die allgemeinen Verhaltensregeln abgeleitet und diese dann zum moralischen Gebot im Namen der Schwächsten gemacht.

Es geht nun nicht darum, diesen Ansatz als Umgangsweise mit der Corona-Krise als falsch zu geißeln. Er wird aus Angst geboren und dagegen lässt sich kein Argument finden; sie hat ihre Ursache nicht selten in der schon angesprochenen Fremdheit und Isolation zwischen den Menschen. Ihr zu begegnen würde am ehesten wohl auf dieser Ebene einen Ansatz finden, in der speziellen Situation, wo Nähe keine Sicherheit mehr bietet, sondern als Infektionsrisiko angesehen wird, scheint dies jedoch ohne Weiteres kaum möglich.

Der Ansatz für eine autonome Gesundheitsvorsorge besteht unserer Auffassung trotz allem darin, zu versuchen, die Isolation zu durchbrechen und zwar rein faktisch, wie auch inhaltlich. Das bedeutet, dass wir eine inhaltliche Gegenperspektive zur staatlichen Gesundheitspropaganda erfassen wollen, welche sich auf den schon erwähnten Aspekt bezieht, dass Gesundheit von Freiheit nicht zu trennen ist. Bezüglich der Gefängnisse ist dieser Umstand in linksradikalen Kreisen einigermaßen bekannt, nun geht es darum, fassbar zu machen, dass Ausgangs- und Kontaktsperre diese Basis für Gesundheit ebenso zerstören wie es das Gefängniskonzept vorsieht. Eine sinnvolle Auseinandersetzung darüber, welche Maßnahmen im allgemeinen zur Gesundheitsvorsorge sinnvoll sind, kann nur auf der Basis der Freiheit geführt werden, alles andere läuft Gefahr, zur Scheindebatte zu verkommen.

Daneben scheint es sinnvoll, die Ursachen der allgemeinen Angst vor dem Virus jenseits der Gefahr, die tatsächlich von ihm ausgeht, zu ergründen und erfahrbar zu machen. Denn die Darstellung des Virus bestimmt viel mehr seine Rezeption als der Virus selbst. Gleiches gilt für die anhaltende Umsetzung und Verschärfung autoritärer Maßnahmen – vielleicht ist es nützlich, sie zu betrachten, nachdem man sie von ihrem vordergründigen Schein der Gesundheitsvorsorge befreit hat, und ebenso, sich die Inszenierung des Scheins vor Augen zu führen.

Ein weiterer Aspekt ist es, den Vorschub bezüglich digitaler Überwachungsmaßnahmen und Entfremdungstechnologien zu begegnen, ihn zumindest offenzulegen. Ohnehin wird die Selbstdigitalisierung auch in zahllosen linken Gruppierungen befürwortet und vorangetrieben (allen voran die Hipster-Linken der IL). Die Ausgangs- und Kontaktsperren verschärfen diesen Trend aber noch, alles unter dem Beifall und den Empfehlungen der Bundesregierung, genau das zu tun. Es bleibt zu hoffen, dass die Feindseligkeit gegenüber dem Trend zur Digitalisierung von allem und der damit zusammenhängenden Auflösung der Substanz im realen Leben weiterhin ein Zuhause in autonomen Kreisen behält. Erstaunlich genug, dass die Idee der Online-Demonstration wieder aufleben konnte, war doch ihre autonome Version, die immerhin darauf abzielte die Server von Unternehmen lahmzulegen (eine Art Ddos-Attacke) schon ein Fehlschlag. Dass aber Teile der Linken so blöd sind, dass sie digital bereitgestellten Serverplatz privater Unternehmen (nichts anderes sind heruntergebrochen twitter, facebook und co) zum Speichern und Abrufen von Dateien mit dem öffentlichen Raum verwechseln, bzw beides für identisch halten, ist ein Zeichen für die Wichtigkeit, technologiekritische Positionen wachzuhalten und zu verbreiten, und zwar explizit und gerade da, wo die Öffentlichkeit für uns versperrt werden soll.

Zuletzt denken wir, dass die Verbreitung der Parole „Gesundheit gibt es nur in Freiheit“ und „Weg mit Knast, Kontakt- und Ausgangssperren“ verbreitet werden sollten, so gut es geht, selbst wenn damit aktuell ein erhöhtes Gesundheitsrisiko einher gehen sollte. So lange wir uns und unsere spärlichen Freiheiten nicht verteidigen, sind alle Demonstrationen und der gleichen nur ein Recht, welches uns der Staat nach Belieben geben und nehmen kann – mit dem allgemeinen Verbot aller Versammlungen hat er dies nun gezeigt. Allen Genoss*innen, die den Kampf weiterführen und sich nicht händewaschend in die Einsamkeit zurückgezogen haben, wünschen wir gutes Gelingen für alles, den anderen, dass sie wieder Mut fassen und ihre Kampfbereitschaft wiederfinden.

 

Gesundheit gibt es nur in Freiheit!

 

Weg mit Knast, Kontakt- und Ausgangssperre!

 

Auf die Straßen – denn sie gehören uns!

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen

Ergänzungen

Autoritär ist in seiner eigenen Blase ein identitäres wir aufzubauen und gleichzeitig einen Großteil der restlichen Linken eben mal pauschal als Hipster-Linke oder schlicht als blöd zu bezeichnen. Eine pauschale "Feindschaft gegen Digitalisierung" ist weder ein autonomer Grundsatz noch sinnvoll. Auf einem Online-Medium wie Indymedia auch ein ziemlicher Widerspruch. Beschäftigung mit Digitalisierung ist stattdessen wichtig für sichere Kommunikationsmöglichkeiten und für die Nutzung und Schaffung eigener Medien.

Ebenso wie Abstand zur Zeit wichtig ist für das überleben in Corona Zeiten. Die Behauptung das "die Darstellung des Virus" vielmehr die Rezeption bestimmt "als das Virus selbst", knüpft an rechte Leugnungsdiskurse und Sozialdarwinismus an. Solche Postionierungen sind gefählich und erfordern deutlichen Widerspruch aus emanzipatorischen und antifaschistischen Perspektiven. Auch und gerade aus autonomer und anarchistischer Praxis heraus.

Helfen kann ein Blick nach Chiapas oder Rojava. Dort wurde Roter Alarm ausgelöst, die aufständischen, autonomen Gemeinden abgeriegelt oder Abstandsregeln eingeführt. Auch die Aktivist*innen der Primera Linea in Chile haben ihre Aktivitäten, wie alle organisierten emazipatorischen Kräfte welche widerständig in die Gesellschaft hineinreichen, auf Protest von zuhause umgestellt. 

Interessant, aber ich finde dentext und seine Analyse schon sehr erhellend. Aber wenn du schon auf die EZLN verweist, dann vielleicht auch richtig. Sie schreiben: "IN ERWÄGUNG des Fehlens jeglicher wahrheitsgetreuer und angemessener Information über Tragweite und Schwere der Ansteckung, sowie des Nichtvorhandenseins eines tatsächlichen Plans, um sich dieser Gefahr entgegenzustellen," und weiter :"Wir rufen dazu auf, nicht den menschlichen Kontakt zu verlieren, sondern zeitweise die Formen zu ändern, um uns wissen zu lassen, wir sind uns Compañeras, Compañeros, Compañeroas und Schwestern, Brüder, Schwestern-Brüder.

Das Wort und das Zuhören – mit dem Herzen – geht viele Wege, hat viele Formen, beinhaltet viele Kalender und Geographien – um sich zu treffen, sich zu finden. Dieser Kampf für das Leben kann einer davon sein."

Und, by the way, ist der kleine aber feine Unterschied, dass das Empfehlungen sind und nicht strafbewährte Vorschriften eines autoritären Staates auf die sich dieser Text meiner Meinung anch bezieht.

Dort gab es lange keine staatlichen Maßnahmen und Aufklärung der Bevölkerung. Dies kritisieren die Gefährt*innen der EZLN (ebenso wie linke Gruppen in Chile oder Brasilien) als Ergebnis einer über Leichen gehenden neoliberalen Politik die Angesichts des Virus im kapitalistischen Normalbetrieb weiterfahren will. Weder zweifelt die damit EZLN die Gefährlichkeit des Virus an, noch den Sinn und die Notwendigkeit von Abstandsregeln oder den Verzicht auf Versammlungen. Ganz im Gegenteil, deshalb ja auch der Rote Alarm! 

Die "Empfehlung" beziehen sich auf die Idee des "gehorchenden Befehlens" der Zapatistas ("Hier befiehlt die Bevölkerung und gehorcht die Regierung"). Auch das ist nicht bruchlos zu übertragen. Die Junta, setzt Ergebnisse der Gemeindeversammlungen, insbesondere wenn sie als notwendig für das Gemeinwohl betrachtet werden, durchaus verbindlich für Alle um und durch. Formal hat die EZLN als militärischer Arm im Fall des Roten Alarmss auch die "Befehlsgewalt". Eine Empfehlung ist von daher eine klare und umzusetzende Aufforderung und weniger als Bitte zu zu verstehen. Das wird in Chiapas aktuell auch so umgesetzt. Hat auch was mit Sprache in Südmexiko zu tun.