Interview Edgar Paez

kanalB 31.10.2007 22:02 Themen: Globalisierung Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Interview mit dem internationalen Sprecher der kolumbianischen Lebensmittelgewerkschaft SINALTRAINAL, Edgar Paez. Paez spricht über die Wiederaufnahme der Coca-Cola Boykott Kampagne "Weil ich das Leben liebe konsumiere ich keine Coca-Cola", über die jüngsten Repressionen gegen Coca-Cola Gewerkschafter und das gegenwärtige politische Klime in Kolumbien.
Telefoninterview vom 24.10.2007
kanalB: Von Europa aus gesehen könnte man derzeit den Eindruck gewinnnen, dass sich die Lage in Kolumbien entspannt: Paramilitärs, die im Parlament saßen, müssen sich vor Gerichten verantworten, Chavez bemüht sich, die Regierung und die FARC an den Verhandlungstisch zu bringen...

Paez: Von hier vorort betrachtet wird die Situation immer schwieriger. Gerade findet ein sehr delikater Prozess statt, die Legalisierung des Paramilitarismus. Der Paramilitarismus soll bei den kommenden Gemeinderatswahlen legitimiert werden. Im Artikel 9/75, dem "Gesetz für Gerechtigkeit und Frieden", vergibt man dem Paramilitarismus praktisch alle Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die er im Land begangen hat. Das ist der Staatsterrorismus, den wir immer angeprangert haben. Bei den Wahlen am 28. Oktober wird dieser Prozess legitimiert und viele dieser Paramilitärs werden als legitime, gewählte Volksvertreter öffentliche Ämter bekleiden. Im Gouvernement, als Bürgermeister und in den Gemeinderäten. Dieser Prozess wird die tausenden Verbrechen, die diese Leute begangen haben, in der totalen Straflosigkeit belassen. Verbrechen nicht nur gegen die Gewerkschaftsbewegung, sondern auch gegen die Volksbewegungen, die Bauern- Indigenen- und Studentenbewegungen.
Die Situation wird also immer prekärer, schwieriger. Sie wird immer schwieriger für die Bevölkerung, aber immer besser für die transnationalen Konzerne, die sich immer mehr im Land niederlassen, Bodenschätze und Rohstoffe erforschen und ausbeuten. Das Finanzsystem wird immer stärker, für die sozialen Organisationen und die Volksbewegung wird die Situation jedoch immer schwieriger.

kanalB: Warum gibt es jetzt diese neue Welle der Gewalt gegen Sinaltrainal?

Paez: Aggressionen gegen Sinaltrainal gibt es schon immer, sie nehmen nur immer mehr zu. Wir haben angefangen bei Nestlé zu arbeiten und mit der Zeit haben wir dann in anderen transnationalen Unternehmen weitergemacht. 21 unserer Genossen sind umgebracht worden, die meisten von ihnen arbeiteten bei Nestlé und Coca-Cola. Wir haben hunderte Attentate hinter uns, Entführungen, Vertreibungen, Gefangennahmen, Entführungen von Familienangehörigen. Das alles wurde von den Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) ausgeführt zum Vorteil dieser transnationalen Unternehmen.
In den letzten Monaten waren die Drohungen der "Schwarzen Adler" der AUC sehr anhaltend und belastend. In Bucamaranga wurde auch der Sohn eines Arbeiters entführt. Doch das ist nicht neu, das ist nicht außergewöhnlich! Das ist seit zwanzig Jahren das tägliche Brot nicht nur von Sinaltrainal sondern aller sozialen Bewegungen. Das gilt auch für die politischen Bewegungen wie die Unión Patriótica, die in den 90er Jahren durch den Staatsterrorismus ausgelöscht wurde.
Die AUC werden jetzt zwar legitimiert, aber sie unterhalten weiterhin einen militärischen Apparat, der die Aktionen ausführt.
Wenn wir heute vor den Organen des Staates diese Drohungen und Aggressionen zur Anzeige bringen, dann wird uns gesagt, das sei ein Produkt unsere Einbildungskraft, da es in Kolumbien ja keine Paramilitarismus mehr gebe, da die Paramilitärs in den kolumbianischen Gefängnissen säßen.

(Telefonleitung wird unterbrochen)

kanalB: Was plant Sinaltrainal im Rahmen der Coca-Cola Kampagne?

Paez: Die Coca-Cola Kampagne gibt es seit drei ein halb Jahren. In einigen Ländern ist diese Kampagne sehr unterstützt worden und sie war permanent. Für uns war sie eine Strategie um zu erreichen, dass das Unternehmen in direkte Kommunikation mit uns tritt. Es war aber nicht möglich auf diesem Wege etwas zu erreichen. Deswegen haben wir gestern ein Kommuniqué verschickt in dem steht, dass die Kampagne gegen das Unternehmen weitergeht, dass man bestimmte Kollektive und Initiativen weiter stärken muss, die sich im Lauf der Kampagne "Weil ich das Leben liebe, konsumiere ich keine Coca-Cola" herausgebildet haben. Im ersten Drittel des nächsten Jahres werden wir unsere Aktivitäten, so wie die internationale Gemeinschaft er erlaubt, ausweiten. Wir werden eine Rundreise machen durch Lateinamerika, Mittelamerika, die USA, nach Europa. Wir haben eine Einladung um nach Afrika und nach Australien zu kommen. Wir hoffen, dass sich die Coca-Cola Kampagne wieder zu einer globalen Widerstandsinitiative gegen die kriminellen Angriffe des Kapitalismus entwickelt.

kanalB: Wie kann man sich solidarisch zeigen?

Paez: Wir glauben, dass die Kampagne noch viel stärker werden muss. Mit dem Kampagne haben wir zunächst darüber aufgeklärt, welche Problematik es hier in Kolumbien mit Coca-Cola gibt. Mit der Kampagne konnten wir auch beschreiben, wie sich die transnationalen Konzerne an dem internen Konflikt in Kolumbien bereichern, wie sie den Krieg finanzieren, wie sie die Arbeiter und die Bevölkerung enteignen, prekarisieren und unterdrücken.
Heute wollen wir die Kampagne fortführen, aber auf eine allgemeinere Art und Weise. Diese Kampagnen eignen sich gut dafür, der Bevölkerung konkrete Problemlösungen vorzuschlagen. Wir schlagen vor, wie der Konflikt beigelegt werden könnte, wie ein anderes Entwicklungsmodell als das heute favorisierte im Land angewendet werden könnte, hier geht es um Souveränität, Demokratie, Frieden und Entwicklung. Wir wollen also, dass die Kampagne viel umfassender wird. Was Sie machen können um sich zu solidarisieren ist z.B. der deutschen oder europäischen Bevölkerung zu vermitteln, was wir hier in Kolumbien erleben, anhand des Falles Coca-Cola zu erklären, was die Rolle der transnationalen Konzerne in Kolumbien ist. Heute gibt es eine große internationale Offensive, um die Einführung des Freihandelsabkommens zwischen den USA und Kolumbien durchzusetzen. Dieses Abkommen wird für die kolumbianische Bevölkerung nur Nachteile haben und Vorteile vor allem für US-amerikanische Konzerne, in einem guten Maß aber auch für Konzerne, die ihren Sitz in Europa, in England oder in der Schweiz haben, z.B. Nestlé und Novartis.
Heute machen wir einen Notruf, denn es gibt eine sehr zielgerichtete Offensive gegen einige Coca-Cola Arbeiter in Bucaramanga. Die "Schwarzen Adler" der AUC sagten, dass sie sie "umbringen, ausweiden und in kleine Stücke schneiden" werden. Deshalb haben wir eine urgent action verschickt, damit die ganze Welt sich mit den Genossen in Bucaramanga und der kolumbianischen Gewerkschaftsbewegung solidarisiere. Man muss zu den kolumbianischen Botschaften gehen und gegen das protestieren, was hier passiert, damit diese Verbrechen aufhören.

kanalB: Wer sind die "Schwarzen Adler"?

Paez: Sie unterzeichnen die Morddrohungen mit Front Schwarze Adler der Autodefensas Unidas de Colombia (AUC). Es sind die AUC.

kanalB: Wer sind die intellektuellen Urheber der Verbrechen?

Paez: Wir glauben, dass die intellektuellen Verantwortlichen diejenigen sind, die die Macht haben. Die nationalen und internationalen Unternehmen und die Oligarchie dieses Landes, die die Gefahren nicht sehen will, die darin liegen, die natürlichen Ressourcen und die Arbeitskraft im Land weiterhin in dieser Art und Weise auszubeuten. Jeden Tag werden der Bevölkerung mehr Rechte genommen. Die wenigen Staatsunternehmen werden privatisiert, sodass dem Staat die wenigen Einkünfte weggenommen werden, die er hatte. Die Tarifverträge wurden vernichtet. Den Arbeitern wird alles genommen, was sie in jahrzehntelangen Kämpfen erreicht hatten. Die einzigen, die ein Interesse daran haben, dass die sozialen Bewegungen zerschlagen werden, sind also die Kapitaleigner. Wir haben es mit Staatsterrorismus zugunsten des Kapitals zu tun.

kanalB: Welche Politik verfolgt die Europäische Union in Kolumbien?

Paez: Wir denken, dass jede Hilfe, die die EU dem kolumbianischen Staat gewährt wird, nur den Kapitaleignern hilft und zur weiteren Unterdrückung der sozialen Bewegungen beiträgt. Die Investitionen, die in Kolumbien getätigt werden, führen lediglich dazu, dass das Land ausgebeutet wird. Die kolumbianische Regierung ist eine illegitime Regierung! Nicht nur aufgrund dessen, was sie gemacht hat, sondern auch wegen der Art und Weise, wie sie gewählt wurde. Ich weiß nicht, ob das bis nach Deutschland vordringt, aber hier wissen alle, wie die Paramilitärs mit den Mitteln der Gewalt weite Teile der Bevölkerung gezwungen haben für Uribe Vélez und viele der Kongressabgeordneten zu wählen, die heute zum Teil im Gefängnis sind, zum anderen Teil aber weiterhin als Gesetzgeber tätig sind. Manche Abgeordnete des Polo Democratico haben die Anklage erhoben, dass Abgeordnete tagsüber im Kongress saßen und nachts die Bevölkerung massakriert haben. Das ist weiterhin ein Skandal in Kolumbien. Wir prangern an, dass der Paramilitarismus mit dem Gewehr im Anschlag die Unterstützung weiter Teile der kolumbianischen Bevölkerung erhielt, was dazu führte dass von den transnationalen Konzernen und Drogenhändlern bezahlte Paramilitärs zu Gouverneuren, Bürgermeistern und Senatoren wurden. Chiquita Brands, Coca-Cola und Drummond sind jetzt in den USA wegen solcher Verbrechen angeklagt.

kanalB: Vielen Dank für das Gespräch.

Grußbotschaft von SINALTRAINAL für die Coca-Cola Kampagne in der BRD vom März 2006 hier:
 http://kanalb.org/clip.php?clipId=1347

Der Präsident von SINALTRAINAL und Coca-Cola Arbeiter Javier Correa über seine Verfolgung durch das Unternehmen:  http://kanalb.org/clip.php?clipId=1371

Der Anwalt des 1996 erschossenen Gewerkschafters Isidro Gil spricht darüber, wer die Verantwortung für den Mord trägt:  http://kanalb.org/clip.php?clipId=1361
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Ergänzungen

Saludos solidarios al Companero !!!

tierr@ 02.11.2007 - 08:15
Cola-Info-Links... abkopieren, weiterinformieren, BOYKOTTIEREN!!!!

Kampagnenseiten:
Zum internationalen Boykott 2007:
Colombia Solidarity Campaign
www.colombiasolidarity.org.uk

www.nuevacolombia.de
www.kolumbienkampagne.de
www.cokewatch.org
 http://www.killercoke.org

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