Syrischen Geflüchteten eine Stimme geben

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Die unabhängige Berliner Initiative Syria on the Move will syrischen Geflüchteten im Teenager-Alter eine Stimme geben. Sie gehören zu der Generation, die im Exil keine Möglichkeit der sozialen Teilhabe oder Meinungsäußerung hat und keine absehbaren Chancen auf Bildung. Die Gruppe will die jungen Syrerinnen und Syrer mit einem Online-Tool vernetzen und Erfahrungen austauschen lassen und mit ihnen Grassroots-Medienarbeit betreiben.

Eine sichere Bleibe, ein Dach über dem Kopf und das Nötigste zum Überleben. Für geflüchtete Menschen ist das viel wert.
Mit dem Projekt Syria on the Move geht der Berliner Verein Social Visions einen Schritt weiter und setzt dabei auf Nachhaltigkeit. Die Arbeit von „Syria on the Move“ setzt da an, wo die Unterstützung der großen Hilfsorganisationen nicht mehr greift.

„Wir versuchen, die Geflüchteten in ihrer Selbstentwicklung zu stärken. Außerdem versuchen wir, eine möglichst große Öffentlichkeit herzustellen durch die Ausstellungen und die Fotos, die die Geflüchteten produzieren und zum Dritten wollen wir die Geflüchteten und die Öffentlichkeit in einen Dialog bringen.“ sagt die Leiterin des Vereins Socialvisions, Anja Pietsch. Gemeinsam mit ihren ehrenamtlichen Mitstreiterinnen und Mitstreitern hat sie das multimediale Foto-Projekt Syria on the move auf die Beine gestellt. Das soll jungen geflüchteten Syrern eine Stimme geben. Anja Pietsch:

"Syria on the Move ist ein SocialVisions-Projekt und hat zum Ziel, jungen Syrern zu ermöglichen, ihre eigenen Geschichten in Bildern zu erzählen." Denn gerade die jungen Syrerinnen und Syrer zwischen 16 und 27 sind die, die am wenigsten gehört werden und die geringsten Zukunftschancen haben, während ihren Altersgenossen anderswo alle Türen offen stehen. Sie sind gebrandmarkt als die verlorene Generation.
Das Projekt arbeitet mit ihnen auf mehreren Ebenen. Die ehrenamtlichen Helfer von SocialVisions organisieren Foto-Workshops für syrische Geflüchtete in Deutschland, Libanon und Jordanien. Dabei geht es um mehr als nur ein paar nette Stunden in einem Foto-Kurs, der die Leute kurz aus ihrem Flüchtlingsalltag reißt.

"Wir machen das, weil wir finden, dass sehr oft über Geflüchtete geredet wird, aber selten mit ihnen. Und wir denken, dass Geflüchtete selbst sehr genau wissen, was sie wollen und was sie brauchen" sagt Anja Pietsch.
Die Fotos gehen dann als Wanderausstellung auf Tour durch Kulturzentren im Libanon, in Jordanien und Deutschland.

"Ziel der Ausstellung ist es, den Geflüchteten Anerkennung für ihre Arbeit zu geben und und gleichzeitig sie mit der lokalen Bevölkerung zusammenzuführen. Auf Augenhöhe. Und zwar haben wir da positive Erfahrungen gemacht, dass es eben so ist, dass die Menschen, die Ausstellungsbesucher sie dann eher als die Fotografen sehen und dann eben nicht mehr als die Geflüchteten und es dann dadurch ganz andere Gesprächsthemen geben kann, über die man sich unterhält." Mindestens genauso wichtig ist die Online-Plattform, die der Verein für geflüchtete Syrer entwickelt hat.

"Auf unserer interaktiven Webseite können junge Syrer Fotos hochladen. Und zwar können sie das machen, egal, wo sie sind. Diese Fotos verorten sie auf einer interaktiven Karte, Weltkarte. Dort laden sie die hoch und lokalisieren sie und können auch einen Kommentar schreiben."

So können geflüchtete Syrer sichtbar machen wo sie sind, Kontakte knüpfen, Erfahrungen austauschen und Netzwerke aufbauen. Welchen Nutzen das noch bringt, beschreibt Anja Pietsch von Socialvisions so.
"Ziel dahinter ist es, diese verstreut lebende syrische Community zusammenzuführen und auch, wenn es nur virtuell ist, wieder so ein Gemeinschaftsgefühl entstehen zu lassen."

Durch ihre Arbeit konnte Anja Pietsch mit ihren Vereinsmitgliedern einen sehr detaillierten Einblick in das Leben geflüchteter Syrerinnen und Syrer gewinnen. "Im Libanon gibt es halt sehr viele syrische Geflüchtete und zwar 1,5 Millionen. Projekte wie diese sind in Deutschland auch wichtig. Wir haben ja schon einen Workshop in Potsdam durchgeführt. Und uns ist es eben wichtig, diese Workshop-Reihe fortzuführen, um die Lebensrealität von jungen Syrern im Libanon zu dokumentieren. Gleichzeitig ist die Situation für junge Syrer oder für Syrer allgemein m Libanon sehr schwierig. Es gibt wenig Möglichkeiten zu arbeiten und gar keine Möglichkeit für junge Syrer eine Ausbildung zu beginnen oder zu studieren. Und es gibt sehr viele Jugendliche, die seit Jahren nicht mehr zur Schule gegangen sind. Und das sind alles Themen, die thematisiert werden müssten."

Dass das Projekt Syria on the Move auch nachhaltig Wurzeln schlägt und Spuren hinterlässt, ist Anja Pietsch besonders wichtig.
"Mit dem Foto-Workshop wollen wir natürlich nicht nur einen Workshop durchführen, sondern wir erhoffen uns, dass die Projektpartner dabei bleiben, die Kameras benutzen für Folgeworkshops oder eventuell, dass die Teilnehmer auch nach Beendigung des Workshops fotografieren. Gleichzeitig wollen wir auch Netzwerke schaffen, dass sie sich dann auch einbringen und die Fotos vielleicht auch woanders veröffentlicht werden können. Also das heißt, dass das so Teil von einer langfristigen Entwicklung sein kann."

Die Macherinnen und Macher von Socialvisions wollen den geflüchteten Menschen die Kraft geben, die sie brauchen, um den nächsten Schritt zu gehen und nicht in der Passivität des Flüchtlingsalltags in Notunterkünften stecken zu bleiben. "Die Zusammenarbeit mit den anderen Workshopteilnehmern, die Erkenntnis, dass man sich in einem anderen Medium ausdrücken kann und auch verstanden wird, schafft einfach positive Erlebnisse, die ihnen in der Selbstentwicklung und im Selbstbewusstsein auch bestärken und im besten Fall auch dazu führen, dass die Teilnehmer ermutigt werden, nächste Schritte zu gehen."

Auf staatliche oder institutionelle Hilfe kann Anja Pietsch für das Projekt Syria on the Move nicht hoffen. Deswegen hat der Verein jetzt eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. 12.000 Euro müssen bis Mitte Mai zusammenkommen, um den nächsten Projektschritt, den Foto-Workshop und die Wanderausstellung im Libanon umsetzen zu können. Genauso wichtig wie das Geld, das die Crowdfunding-Kampagne einbringt, sind Sachspenden wie gebrauchte Digitalkameras und Foto-Equipment, aber auch Menschen, die Zeit und Engagement in die organisatorische Arbeit am Projekt Syria on the Move einbringen wollen.

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