Tristeza Wiedereröffnung - Nein Danke!

Zum Umgang der „linken“ Kneipe mit sexualisierter Gewalt eines Kollektivmitglieds

Am 8. Juni hat die Tristeza ein Statement auf Facebook (siehe unten) veröffentlicht bei dem sie bekannt gibt, dass ein cis-männliches Kollektivmitglied nach Ladenschluss in der Tristeza einen sexualisierten Übergriff begangen hat. Statement und Reflexion dazu sind kurz gehalten, was erstmal verständlich ist - als erste Reaktion. Allerdings ist das nächste öffentliche Statement vom 17. Juni (auch hier drunter kopiert) des Kneipenkollektivs eine Frechheit.

Es geht nur um die Wiedereröffnung nach Corona und die neuen Bedingungen mit/ durch Corona. Der Übergriff wird nur als lapidare, sarkastische Bemerkung im Mittelteil erwähnt:

„Sonntags werden wir bis auf Weiteres geschlossen haben. Wie ihr wahrscheinlich mitbekommen habt, hat sich unser Kollektiv ja kürzlich um eine Person verringert und sonntags kommt ihr ja eh nie.“ 

So als wenn die Person sich beim Tristeza putzen den Knöchel verstaucht hat und nicht mehr kommen kann. Kein Wort zur weiteren Reflexion oder Konsequenzen im Kollektiv. Der Täter war jahrelang Kollektivmitglied - es kann an einem Ort, der sich selbst als antisexistisch  beschreibt nicht ernsthaft ein dummer, flapsiger Kommentar die Sache als erledigt erklären. 


Aus dem Selbstverständnis der Tristeza:  „Wir dulden keine rassistischen, antisemitischen, homo-, trans* und frauenfeindlichen Sprüche. Anmachen, die nicht auf beiderseitigem Einverständnis beruhen, sind ebenfalls tabu: Nein heißt nein! Wenn Euch was auffällt oder Ihr selbst betroffen seid: Am Tresen findet Ihr Unterstützung.“
Wenn sich in den letzten Jahren jemand an den Tresen gewandt hat mit unangenehmen Erfahrungen in der Tristeza, dann hat die Person sich vielleicht an den Täter gewandt. Dazu muss sich das Kollektiv verhalten, nur der Ausschluss des Täters reicht nicht. Aus dem Umgang von Monis Rache mit einem Täter in den eigenen Reihen konnte mensch in den vergangenen Monate viel lernen, ein Blick auf deren Seite hätte genügt, um sich zu überlegen, vielleicht etwas differenzierter mit dem Vorfall umzugehen.

 Wiedereröffnet wird mit einen Flint* only Abend - das hat einen echt faden Beigeschmack. Es gibt noch etliche Fragen zu klären und Strukturen neu zu organisieren, bevor Flint* Menschen wieder unbedarft in der Tristeza Bier trinken können:

-  Wie setzt sich das Kollektiv weiter mit dem Thema auseinander?
- Was wird am Kollektiv verändert, um solchen Vorfällen vorzubeugen und euch selber weiterhin als linken, antisexistischen Raum bezeichnen zu können?
- Wurden alle Forderungen und Wünsche der Betroffenen erfüllt?
- Wie gewährleistet ihr, dass menschen von der Situation erfahren, um Trigger Momenten vor Ort vorzubeugen? Bisher gab es nur Facebook Posts.
- Beide Täter aus dem befreundeten Bar Kollektiv K-fetisch sind Tristeza Stammgäste - es gibt also ein generelles Problem mit übergriffigen cis Typen und toxischer Männlichkeit im Tristeza Umfeld, gibt es dazu eine Reflexion und Konsequenzen?
- Was ist mit den Buddies im Kollektiv, die jahrelang mit diesen Tätern (K-fetisch und Tristeza) Schichten zusammen gemacht haben, zusammen ausgegangen sind und anscheinend über einiges hinweggesehen haben?

 

 

Statement auf der Tristeza Facebook Seite vom 17. Juni 2020
Liebe Freund*innen der Kneipennächte,
wir wissen, ihr habt bereits sehnsüchtig darauf gewartet, dass auch wir wieder öffnen und das werden wir auch tun, nämlich am Mittwoch, den 24.6. mit einem FLINT*-Abend. Für alle, die nicht dazu zählen, also unsere cis-männlichen Gäste geht es einen Tag später los, am Donnerstag den 25.6. Wir freuen uns schon, euch alle endlich wieder zu sehen!
Damit es nicht gleich langweilig wird und um euch auf Trab zu halten, haben wir eine Reihe von Coronaregeln für euch erfunden (naja, um ehrlich zu sein, hat sie größtenteils der Senat für euch erfunden).
Zum einen gibt es jetzt auch bei uns Tischbedienung, wer hätte sich das jemals träumen lassen? Ist ja klar, dass wir uns das nicht ausgedacht haben. Des Weiteren sind die Plätze begrenzt. Natürlich gilt auch bei uns die 1,5m-Abstandsregel, dementsprechend haben wir jetzt nur noch 9 Tische in der Kneipe. Wenn alle Plätze belegt sind, darf leider niemand mehr rein.
Für die Klos gibt es auch Zugangsbeschränkungen die per Wäscheklammern an einer Leine geregelt werden, wenn zwei hängen, sind beide Klos besetzt. Eine Person darf aber an einer schönen und liebevoll angebrachten Linie in 1,5m Abstand warten. Aber alle anderen müssen am Tisch bleiben.
Außerdem gibt es ja die Pflicht zur Datenerfassung für den Fall einer Coronainfizierung in der Kneipe. Wir sind uns bewusst, dass das problematisch ist, aber sind leider dazu verpflichtet. Um dem Datenschutz aber wenigstens ein bisschen nachzukommen, wird es bei uns keine Liste geben, sondern ihr müsst bitte Zettelchen ausfüllen mit eurem Namen, eurer Adresse und Telefonnummer, wir sammeln die dann in einem kleinen Datenschutzeimerchen und stecken abends alle in einen Umschlag mit dem jeweiligen Datum. Nach 4 Wochen (das ist die vorgeschriebene Frist zur Aufbewahrung) vernichten wir die Umschläge täglich in einer kleinen Zeremonie.
Sonntags werden wir bis auf Weiteres geschlossen haben. Wie ihr wahrscheinlich mitbekommen habt, hat sich unser Kollektiv ja kürzlich um eine Person verringert und sonntags kommt ihr ja eh nie.
Außerdem werden wir vorerst auch kein Fassbier anbieten, um das Glasaufkommen zu verringern, da wir erhöhte Anforderungen an den Spülvorgang haben. Kaffee, Tee und Snacks wird es fürs Erste auch nicht geben. Einige Getränke zwar noch im Glas geben, aber nur mit Strohhalm. Zum Ausgleich führen wir Radler in der Flasche ein. Tja, wenn das kein guter Ausgleich für die anderen Beschränkungen ist, wissen wir auch nicht.
Wir werden die Türen bei laufendem Betrieb geöffnet lassen, damit es schön luftig ist und es wird wie gewohnt bis 22 Uhr möglich sein, draußen zu sitzen.
Ein paar Überraschungsregeln haben wir jetzt vielleicht vergessen, aber die erfahrt ihr dann, wenn ihr kommt.
Freut ihr euch auch sie wie wir? Yeay! Also dann bis ganz bald!

 

 

Statement auf der Tristeza Facebook Seite vom 8. Juni 2020
Vor circa einer Woche haben wir von einem Übergriff erfahren, der vor 3 Jahren in unseren Räumen von einem cis-männlichen Kollektivmitglied nach Ladenschluss verübt wurde. Er wurde aus dem Kollektiv ausgeschlossen, hat jetzt Hausverbot und wir befinden uns im Austausch mit der Betroffenen des Übergriffs.
Nicht nur dieser Übergriff verdeutlicht, dass die permanente Auseinandersetzung mit den Themen Machtausnutzung, Übergriffen und Grenzüberschreitungen in unserem nahen Umfeld und in einer Szene die sich selbst als antisexistisch und feministisch identifiziert, unerlässlich und bisher unzureichend ist.
Es trifft uns schwer, dass der Übergriff in unseren Räumen und aus unserem Kollektiv heraus geschehen ist und für uns stellt sich die Frage, wie wir Übergriffe und Grenzüberschreitungen besser verhindern können. Wir wünschen uns einen Ort an dem es möglich ist, ausgelassen und rücksichtsvoll eine gute Zeit miteinander zu erleben und sich achtsam zu begegnen.
Uns ist bewußt, dass es nach solchen Vorfällen schwierig ist für Betroffene sich bei uns im Laden aufzuhalten und zu melden. Aus dieser Erfahrung heraus haben wir uns überlegt zwei unabhängige Kontaktmöglichkeiten einzurichten, die von zwei unterschiedlichen, nicht cis-männlichen Personen betreut werden. Falls euch etwas in der Tristeza passiert ist, ihr etwas beobachtet habt, euch unwohl fühlt in Situationen oder im Umgang mit uns und miteinander, schreibt uns bitte an BEIDE E-Mailadressen gleichzeitig: tristeza@riseup.net UND tristeza_kollektiv@riseup.net
Wir bitten euch keine Spekulationen anzustellen – bei Fragen wendet Euch an uns.

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Ergänzungen

Im Statement der Tristeza steht nichts von "sexualisierter" Gewalt.

Bestimmt gibt es einen Grund dafür, dass das da nicht steht.

 

Aus welchem Grund taucht das jetzt in diesem Artikel auf??

Ein Übergriff muss nicht sexualisierter Art sein.