Von Chemnitz bis nach Moria! - Spontandemonstration

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In der Nacht vom 09.05.2020 haben wir mit 50 Genoss*innen unsere Wut und Entrüstung über die aktuellen Zustände der Gesellschaft lautstark und kämpferisch in Chemnitz auf die Straße gebracht.

Selten wurde Solidarität so zum Grundsatz der Politik erklärt wie seit Beginn der Coronakrise. Solidarität bedeutet, in Zeiten der Not füreinander einzustehen, sich gegenseitig zu unterstützen und sich gemeinsam für Lösungen einzusetzen, um den Notstand zu bekämpfen. Dabei sind individuelle und kollektive Bedürfnisse innerhalb der Gesellschaft untrennbar miteinander verbunden. Einzelne Menschen oder Gruppen dürfen von diesem Prinzip nicht ausgeschlossen werden. Die Praxis der staatlichen Maßnahmen zeigt jedoch, dass der Solidaritätsbegriff lediglich eine Floskel zur Bekämpfung von Aufständigkeit darstellt. Tatsächlich handeln die Herrschenden nur solidarisch im Sinne einer kapitalistischen Verwertungslogik, wie die Omnipräsenz der "Ökonomische Frage" in aller Deutlichkeit zeigt. Diese Systemkrise treibt die Konflikte zwischen den Interessen einer auf Konkurrenz und Wachstumslogik basierenden Ökonomie und den Grundbedürfnissen der Menschen auf die Spitze. Die Corona-Pandemie ist nicht die Krise - sie ist nur Ausdruck der Krise der kapitalistischen Moderne, in der wir uns seit Jahrzehnten befinden. Eine echte Solidarität zwischen den Menschen wird von staatlichen Institutionen nicht gefördert oder sogar unterbunden. Dabei trifft diese Krise Diejenigen besonders hart, die schon zuvor auf der Verliererseite dieser kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft standen. Vor allem ihnen und allen anderen durch die Krise prekarisierten Menschen sollte unsere Solidarität gelten.

Besonders schwer trifft die gegenwärtige Situtation geflüchtete Menschen in Sammelunterkünften in der BRD und an den europäischen Außengrenzen. Geflüchtete werden in der Hölle von Moria unter menschenunwürdigen Bedingungen von der EU in Lager gesperrt. Weltweit sind über 70 Millionen Menschen auf der Flucht. Die größten Camps auf der ganzen Welt, in Kenia, Uganda, Burkina Faso, Bangladesch oder Rojava sind hemmungslos überfüllt und die Menschen sind dem Virus schutzlos ausgeliefert. Diese Menschen erhalten weder großangelegte internationale Unterstützung noch werden die Fluchtursachen von den Staaten der kapitalistischen Moderne bekämpft.
Die Grenze liegt nicht zwischen innen und außen, sondern zwischen oben und unten!

Die Staaten nutzte schon immer Krisenzeiten, um ihre Macht zu erhalten und ihre Befugnisse unter dem humanitären Deckmantel des Infektionsschutzes auszuweiten. Die Staaten intensivieren ihren Autoritarismus und greifen mit immer mehr Sonderbefugnissen in die Grundrechte und das allgemeine Leben der Menschen ein. Konservative, Liberale und Linke überschlagen sich in der unkritischen Adaption und Reproduktion von Schutzmaßnahmen gegen das Virus. Es geht uns nicht darum, die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen zu leugnen, sondern die unterschiedlichen Auswirkungen auf die verschiedenen Klassen und sozialen Gruppen zu verdeutlichen. Wir als radikale Linke finden keine angemessene Reaktion auf die Verschärfung der gesellschaftlichen Konflikte im Zuge der Corona-Pandemie. In der BRD positionieren sich lediglich Neonazis, Verschwörungstheoretiker*innen und Esoteriker*innen kritisch gegenüber dem Staat und seinen Corona-Maßnahmen. Die Gefahr ist groß, dass die herrschenden Klassen und die Regierenden viele der autoritären Ausnahmeregelungen, die heute von großen Teilen der besorgten Bevölkerung mitgetragen werden, als Dauerzustand beibehalten wollen. Wir fragen uns, ob die demokratischen Kräfte weltweit aus der Corona-Krise und der Schwäche des Systems die notwendigen antikapitalistischen Schlussfolgerungen zu seiner Überwindung ziehen können oder ob die jetzige Krise vielmehr das Vorspiel für eine wesentlich schlimmere Zukunft sein wird. Die Verhandlungen darüber beginnen hier und jetzt und das bedeutet Klassenkampf!

Die Infektionsschutzverordnungen verschaffen den Bullen neue Formen der Aufstandsbekämpfung und gibt ihnen die komplette Kontrolle über den öffentlichen Raum. Dieser Spielraum ermöglicht ihnen die Steigerung ihres Machtmissbrauchs und autorisiert sämtliche Kriminalisierungen von Aktionen im öffentlichen Raum. Wir haben die Wahl, ob wir uns auf einen Kampf, auf durch den Staat gewählten Spielfeldern einlassen oder ob wir dezentrale Konzepte wählen und uns somit ihrer Kontrolle und Stärke entziehen. Wir bitten den Staat nicht um Erlaubnis, um unser Recht auf die Straße zu tragen. Wir sind wütend und zeigen entschlossen unser Aufbegehren gegen diese Verhältnisse. Es braucht deutliche Zeichen des Widerstandes, um unsere Kämpfe sichtbar zu machen. Kollektive und empowerndende Momente sind unabdingbar, um unsere Kämpfe zu führen. Online-Aktivismus ist wichtig, aber wir dürfen nicht unsere Praxis vollkommen in den virtuellen Raum verlagern. Eine Gegenmacht wird nicht im Wohnzimmer aufgebaut, sondern auf der Straße! Wir dürfen den Protest und die Straße nicht den Rechten überlassen. Ansonsten droht uns mit zunehmenden sozialen Verwerfungen, eine neue rechte Massenbewegung. Die revolutionäre Linke darf nicht als Moralinstrument des Staates und der neoliberalen Kräfte verkommen. Wir müssen eine Offensive sein!

Wir grüßen unsere Freund*innen auf der ganzen Welt! Wir sehen eure Kämpfe im Libanon, Rojava und in den Banlieues in Frankreich voller Freude und Liebe!

Kapitalismus ist der Virus! LeaveNoOnebehind! Antifa und PKK!

Das Video zur Aktion findet ihr unter:

https://vimeo.com/420726572

 

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