Buchtipp #4 vom Kalabal!k - Anarchistische Bibliothek Berlin

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Normalerweise organisieren wir Veranstaltungen und verleihen Bücher. Wir wollen trotz der erzwungenen Pause nicht in der Versenkung verschwinden und euch darum in nächster Zeit mit einigen Buchvorschlägen versorgen. Aktuell ist es immerhin noch möglich (zumindest in Berlin) euch bei euren liebsten Buchläden mit neuem Lesestoff zu versorgen.

 

Buchläden in Berlin:

 

http://schwarzerisse.de/

https://buchladen-weltkugel.de/

http://www.muessiggang.net/

https://www.oh21.de/

 

„Stadt der Rebellion“ von Omar Robert Hamilton ist ein Roman über junge Kämpfer*innen während und nach der Revolution in Ägypten 2011.
Es ist eine Geschichte über den Versuch die eigenen Ideen in einem langwierigen Kampf nicht zu verlieren, in dem sehr schnell die Macht der Straße niedergeschlagen werden soll.
 
Zwei Hauptcharaktere Mariam und Khalid lernen sich in den Gefechten des Tahir Squares kennen. Sie gründen mit Freund*innen das Radio Kairo und sind von den Tagen der Revolution an auf den Beinen und zu allem bereit. Sie diskutieren in jeder freien Minute wie wild über ihr Leben im Ausnahmezustand. Mariam verarztet Verletzte als ungelernte Krankenschwester in den Seitenstraßen des Tahrir. Khalid und seine Freunde machen Interviews mit den Familien der Märtyrer, die in diesen Nächten getötet wurden.
Die Leben der beiden Kämpfenden verändern sich über die Jahre, schrittweise mit jedem neuem Regime. Khalid versucht sich krampfhaft die Szenen der gasumhüllten euporischen Nächte in Erinnerung zu rufen während sich Mariam rastlos in Polit-Arbeit isoliert.

Die Perspektive des Buches springt hin und her und ist geprägt von Tweets, Smartphone Nachrichten und Radiobeiträgen, die auf die persönliche Rekonstruktion des Autors von dieser Zeit hinweisen.
Die Verbindung einer Liebesbeziehung und den Überzeugungen von Menschen, die bereit waren auf dem Tahrir im Alter von 20 Jahren zu sterben, ist mitreißend, ermutigend und traurig zugleich.

„Wir haben sie bekämpft, wir haben ihre Polizeiwachen niedergebrannt, wir haben sie aus unseren Städten verjagt. Sollen sie ruhig noch einmal kommen. Sie haben jetzt Angst vor uns.“

Der Alltag zwischen Steinewerfen, Luft holen, Diskussionen und Propaganda ist teilweise so nachvollziehbar, dass die Ernüchterung über die Entwicklung der Revolution einen zerrüttet und man sich vorwirft, nicht vor Ort gewesen zu sein.

„Was soll man tun, wenn niemand mehr hinschaut?“, fragt Hafez. „Was hat es noch für einen Sinn, Fotos zu machen oder Podcasts zu erstellen, wenn alle schon wissen, was du sagen wirst? Und sie wissen es nicht nur – sie finden es sogar gut.“ „Mariam findet, wir dürfen nicht aufhören.“ „Man muss aber schockieren. Jedes Mal muss schockierender sein als das Mal davor. Was unmöglich ist.“ Wir verfallen in Schweigen. 

Ein Buch, dass all die Zweifel darüber aufwirft, wie es möglich ist weiter zu kämpfen, auch wenn es wohl nie zu jener Veränderung der Verhältnisse kommen wird, die wir uns erträumen. Ein Buch das in eine Bezugsgruppe des Tahrir hinein zoomt, die sich so verbunden anfühlt, dass einem ihre Erlebnisse sehr nahe kommen.

 

Verlag Klaus Wagenbach Berlin

320 Seiten

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