Geräumte Orte markiert: Schatten der Verdrängung

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Seit dem Housing Action Day am 28.03. markierten Aktivist*innen diverse Häuserfassaden in Berlin, hinter denen gewaltsame Räumungen stattgefunden haben, indem Umrisse von Anwohnenden und deren Gespräche dargestellt werden. Es werden neben einigen Hausprojekten hauptsächlich Schicksale von Einzelpersonen und Familien aufgegriffen, denen der Staat mit seinen Richter*innen und Bullen den Wohnraum gewaltvoll entwendet hat. Dies zeigt erneut, dass staatlichen Institutionen und Vollstrecker*innen Profitinteressen einiger Weniger wichtiger sind, als bezahlbarer Lebens- und Wohnraum für Viele. Auf diese perfide Praxis wollen wir aufmerksam machen, und dem ein Zeichen entgegenstellen.

Denn auch in Zeiten von Corona bleibt das Thema aktuell: Bis vor kurzem wurde noch zwangsgeräumt und für viele ist ein #stayathome nicht möglich, denn ihnen fehlt genau dieses “home”. Die Profitmaximierung steht immer noch vor dem Recht auf Wohnen und der aktuelle Stopp der Zwangsräumungen ist nichts anderes als Symbolpolitik. Menschen die jetzt ihre Miete nicht zahlen können werden zwar vorerst nicht aus ihrer Wohnung geräumt (in Vermieter*innen-Magazinen wird sich übrigens genau darüber beklagt) aber sobald der kapitalistische Normalzustand wieder hergestellt ist wird der Staat mit seinen Gerichtsvollzieher*innen, Bullen und Richter*innen wieder sein hässliches Gesicht zeigen und Menschen, im Namen des Kapitals, ihres Wohnraums berauben.

Im Folgenden wollen wir euch ein paar Einzelschicksale vorstellen die wir im Archiv von Zwangsräumung Verhindern recherschiert haben und in der Aktion aufgegriffen haben. Dies sind nur einige Schicksale unter Tausenden und zeigen nur einen Teilaspekt dieser grenzenlosen Ungerechtigkeit.

Rosemarie Fliess wurde ärztlich bescheinigt, dass sie eine Zwangsräumung nicht überleben würde. Dies schien der zuständigen richterlichen Person jedoch kein Grund zu sein von einer Räumung abzusehen, und so wurde unter massivem Polizeiaufgebot am 09.04.2013 geräumt. Zwei Tage darauf ist Rosemarie gestorben. Es ist offensichtlich, dass hier der Tod bedingungslos in Kauf genommen wurde und Menschenleben hinter den Profit mit Wohnraum gestellt werden.

Ein anderer Fall ist der von Familie Gülbol, die unter Vereinbarung mit dem Vermieter ihre Wohnung für 20.000€ selbst renoviert hat und dafür für die nächsten Jahre keine Mieterhöhungen zu befürchten haben sollte. Nachdem das Haus jedoch an einen neuen Inhaber, André Franell, verkauft wurde, erhöhte dieser die Miete drastisch. Er ließ sich auf keine Einigung ein und wollte nichts von den enormen Kosten der Renovierung wissen. Nachdem Familie Gülbol die erhöhte Miete nicht zahlen konnte, wurde ihr gekündigt und sie wurden letzlich zwangsgeräumt.

Neben Struggles rund um zu hohe Mieten und Mieterhöhungen kommt es aber auch dazu dass weitere Faktoren zu Zwangsräumungen führen. Immer wieder macht sich z.B. die Schikanebehörde Jobcenter schuldig an dem Verlust von Wohnraum. In einigen Fällen wird durch das Jobcenter schlichtweg vergessen die Miete zu überweisen wodurch es zu Mietschulden kommt, so geschehen bei Patrick der im Februar 2017 seine Wohnung verlassen musste. Doch auch bei solchen Fällen ist nicht auf die Gnade des Privateigentums in Form von Vermieter*innen und Hauseigentümer*innen zu hoffen. Menschen werden gewaltvoll aus ihren Wohnungen geräumt und landen dann oft genug auf der Straße. Unterstützung durch das Jobcenter dass diesen Umstand verursacht hat: Fehlanzeige! Patrick musste Berlin verlassen, denn hier hat er keinen bezahlbaren Wohnraum mehr gefunden.

Besonders unmenschlich sind Fälle von Sanktionierungen durch das Jobcenter. Einmal einen Termin verpassen oder ein sinnloses Coaching nicht wahrnehmen reicht aus für enorme Kürzungen der Zahlungen (die auch ohne Sanktionen schon unter dem Exitenzminimum liegen). Im April 2014 z.B. wurde Waldemar aus seiner Wohnung geräumt. Durch eine Sanktionierung beim Jobcenter konnte er nur einmal seine Miete nicht zahlen. Menschen verlieren ihren Wohnraum aufgrund des Lohnarbeitszwangs durchgesetzt durch das Jobcenter und aufgrund der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse!

Und auch Pathologisierung von Menschen führt zu Zwangsräumungen oder wird für diese eingesetz. Tina wohnte 40 Jahre lang in der Bettmannstraße. Auch hier wurde durch das Jobcenter versäumt die Miete zu zahlen. Einen Tag vor ihrer Räumung kamen die Bullen und haben sie grundlos in eine Psychatrie zwangseingewiesen. Der Staat geht sogar so weit Menschen wegzusperren im Namen des Privateigentums. Durchgestezt wird das durch seine Lakeien bei der Polizei.

Auch unkommerzielle Freiräume wie die Friedel54 sind von Zwangsräumungen betroffen. Wo jahrelang ohne Konsumzwang nachbarschaftlicher Austausch und politische Bildungsarbeit ermöglicht wurde befindet sich nun ein privatwirtschaftlicher Schmuckladen. Der Versuch durch eine Besetzung einen neuen Kiezladen zu öffnen wurde durch die Cops niedergeknüppelt.

Genau aufgrund solcher Fälle, die die hässliche Fratze des Kapitals und seines Staates zeigen, kann es nur heißen:

  • Dauerhafter Stopp aller Zwangsräumungen, auch nach Corona!
  • Besetzungen entkriminalisieren, Berliner Linie abschaffen!
  • Leerstand nutzen für Wohnungslose und Geflüchtete!
  • Die Häuser denen, die sie brauchen!
  • Kapitalismus und Privateigentum überwinden!
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