Als Klasse kämpfen! – Internationaler Frauen*kampftag

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Die bundesweite Plattform „Perspektive Kommunismus“ hat einige bundesweite Aktionen im Frühjahr unter das Motto „als Klasse kämpfen“ gestellt. Wir finden es richtig, immer wieder den positiven Bezug auf die lohnabhängige Klasse herzustellen und damit den politische Kämpfen in denen wir aktiv sind eine Richtung zu geben. Aber was bedeutet es in der aktuellen Situation für uns als Klasse zu kämpfen? Wir haben uns deshalb gedacht, dass wir zu den Kampagnen die im März und April in Köln anstehen jeweils einen kurzen Artikel schreiben. Der erste anlässlich des 8. März.

Wenn euch der Artikel nicht ausreicht, könnt ihr auch in unserem Diskussionsbeitrag “Patriarchale Unterdrückung im Kapitalismus und feministische Perspektiven” mehr nachlesen.

Doppelte Ausbeutung und Unterdrückung bekämpfen

Zwischen Männern und Frauen existiert ein Lohngefälle von immer noch 21% – Männer bekommen durchschnittlich mehr Lohn für ihre Arbeit. Üben Frauen und Männer exakt den gleichen Job aus, liegt das Lohngefälle in der Regel bei 6% (bereinigter Gender Pay Gap 2014). Dieser Unterschied liegt zum Teil auch daran, dass Frauen oft diejenigen sind, die in Teilzeit arbeiten oder Minijobs ausüben. Frauen besetzen in der Regel die typischen „Frauenberufe“, die im Vergleich deutlich schlechter bezahlt werden und gesellschaftlich tendenziell gering geschätzt werden. Hierzu zählt der gesamte Sektor der „Care Arbeit“: Krankenpflege, Kindererziehung, Sozialarbeit und Altenpflege.

Obwohl Frauen die Schule, das Studium oder die Ausbildung oft besser abschließen, finden sich in hoch bezahlten Berufen kaum Frauen. Da Männer oft mehr verdienen, fällt eine Entscheidung bei Familiengründung aus ökonomischen Gründen nicht schwer: die Frau bleibt Zuhause und kümmert sich um den Haushalt, die Familie und den Mann. Oft brechen Frauen dann im Falle einer Schwangerschaft ihre Ausbildung oder ihr Studium ab und sind ab diesem Moment ökonomisch abhängig vom Mann.

Im Falle einer Trennung oder Scheidung, wenn das ökonomische Verhältnis zwischen Mann und Frau aufbricht, werden alleinerziehende Frauen ohne Bildungsabschluss oft ökonomisch abhängig vom Staat bzw. Sozialhilfe und Hartz IV. 2016 lag das Armutsrisiko bei alleinerziehenden Frauen bei 33 Prozent! Falls der Lohn des Mannes nicht ausreicht, um die Familie zu ernähren, sind Frauen ökonomisch zusätzlich gezwungen, neben der unbezahlten Reproduktionsarbeit, Lohnarbeit zu verrichten. Das ist der Grund für die hohe Zahl an Frauen in Minijobs und Teilzeitjobs, die oft schlecht bezahlt sind. 2016 arbeiteten 46,5 % der erwerbstätigen Frauen in Deutschland in Teilzeit. Bei den Männern waren es nur 9,4% (Eurostat).

Frauen, die z.B. neben der Haushaltsführung, Kindererziehung und familiären Altenpflege zusätzlich arbeiten gehen, sind im ökonomischen Sinn doppelt unterdrückt. Einmal durch ihr Lohnarbeitsverhältnis, auf der anderen Seite aber verrichten sie gesellschaftlich notwendige Arbeit, ohne dass diese bezahlt oder anerkannt wird. Die doppelte Unterdrückung der Frau ist wesentlich für die Differenzierung der patriarchalen Unterdrückung. Frauen der Arbeiterklasse und der Mittelschicht sind diejenigen, die den überwiegenden Anteil der Reproduktionsarbeit leisten. In den meisten Fällen ist Reproduktionsarbeit, eine Arbeit, die nicht bezahlt wird und gesellschaftlich sehr gering geschätzt ist – das heißt nicht wirklich als „Arbeit“ anerkannt wird. Die Hausarbeit und Reproduktionsarbeit wird aus ökonomischen Gründen in der Regel auf Frauen abgewälzt, die diese praktisch als “Gratisdienst” erledigen. Der kapitalistische Staat muss sich so nicht um die Reproduktion seiner Bürger kümmern und muss auch für keine Kosten aufkommen. Aus diesem Grund nutzt der Kapitalismus hier die Kultur des Patriarchats zum eigenen Vorteil aus und zwingt die Frau in der Tendenz in die Hausarbeit.

Warum als Klasse kämpfen?

Wir finden es super, dass die feministische Bewegung immer stärker Bezug auf die ökonomischen Probleme von Frauen nimmt. Wie sollen wir auch den Kampf um die Köpfe gewinnen, wenn uns ständig die „Sachzwänge“ einholen, wenn sogar altgediente linksradikale Aktivistinnen nach dem Studium den Rückzug in das bürgerliche Leben antreten und am Ende doch Hausfrau oder Ausbeuterin von migrantischen Care-Arbeiter*innen geworden ist? Wir dürfen nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass wir beim Aufbau einer antipatriarchalen Kultur ständig gegen den übermächtigen Kapitalismus anrennen müssen. Es reicht schon die AFD in einer Landesregierung und die staatlichen Mittel für Frauenstrukturen, Beratungstellen etc. werden rigoros zusammengestrichen.

Die Widersprüche und Probleme der heutigen Gesellschaft lassen sich nicht endgültig lösen, ohne das gesamte Wirtschaftssystem auf den Kopf zu stellen. Zu groß ist das Interesse der Kapitalisten an unbezahlter Care-Arbeit. Zu groß sind die ökonomischen Zwänge, die immer wieder die Frauen an den Herd und die Kindererziehung fesseln. Die kapitalistische und patriarchale Kultur ist zu stark in unser aller Köpfe verwurzelt, als das wir ohne eine kämpfende (und siegende) revolutionäre Bewegung eine eigene, fortschrittliche Kultur in der Gesellschaft verankern könnten.

Auch in der feministischen Bewegung spiegeln sich die Klassenwidersprüche unserer Gesellschaft wieder. Selbstverständlich hat die Lebensrealität einer Care-Arbeiterin in einem Kölner Krankenhaus sehr wenig zu tun mit der von Christine Lagard (Präsidentin der europäischen Zentralbank) oder der von Hillary Clinton. Natürlich sind auch Lagard und Clinton von Sexismus betroffen, die Perspektive auf die Überwindung der Zustände ist aber eine ganz andere und sicherlich keine antikapitalistische. Tatsächlich sehen wir die gesellschaftsverändernde Perspektive nicht in Büros der europäischen Zentralbank und auch nicht im Oval Office, auch unabhängig vom Geschlecht der Entscheidungsträger*innen. Für uns ist in dieser Auseinandersetzung der Bezug auf die Frauen* aus der lohnabhängige Klasse entscheidend. Wir sehen in der lohnabhängigen Klasse nach wie vor das „revolutionäre Subjekt“ im Kampf gegen den Kapitalismus.

Und heute?

Auch wenn wir den Anspruch haben als Klasse zu kämpfen, kann heute von einem organisierten Kampf der lohnabhängigen Klasse nicht die Rede sein. Es muss also heute darum gehen, die Grundlage für eine tatsächliche neue Klassenpolitik zu legen. Nicht in dem Sinne, dass wir als Akademiker*innen darüber diskutieren, welche ökonomischen Forderungen sinnvoll wären oder wie wir bei Aktionen einen Bezug zu „Klassismus“ herstellen. Sondern mit dem Ziel, dass die lohnabhängige Klasse bewusst für sich selbst kämpft. Bis dahin ist es ein weiter Weg.

Aktuell sind wir nicht in der Lage als Klasse zu kämpfen, die politischen Kämpfe führen nicht zu einem aktiven Klassenbewusstsein, meistens haben wir noch nicht einmal Kontakt zu Arbeitskämpfen. Wir müssen den Menschen eine Perspektive in ihrer ständigen Auseinandersetzung mit den tausenden Problemen unserer Gesellschaft geben.

Wir brauchen Strukturen, die in der Lage sind in das tägliche Handgemenge einzugreifen, eine antikapitalistische Perspektive zu bieten und die Selbstorganisation unserer Klasse vorantreiben. Am besten natürlich an den Stellen, an denen es tatsächlich Bewegung gibt, wie zum Beispiel bei der feministischen Bewegung, beim Antifaschismus, bei der Klimagerechtigkeitsbewegung, bei den Wohnraumkämpfen.

Wir dürfen aber nicht dabei stehen bleiben „nur“ die ersten Schritte hin zu einer revolutionären Bewegung auf der Straße zu gehen. Der Kampf um die Köpfe, vor allem auch unsere eigenen muss mitgeführt werden. Die Ansätze der Selbstorganisierung können uns nur zusammen mit Ansätzen einer fortschrittlichen Kultur weiterbringen. Die Kampagnen zum 8. März sind für uns wichtiger als viele anderen Termine, weil hier im Unterschied zu anderen politischen Kämpfen ganz besonders gut überprüft werden kann, ob wir unseren eigenen Anspruch einer „fortschrittlichen Kultur“ erfüllen. Und gerade weil wir diesem Anspruch in dieser Gesellschaft nie genügen werden, nutzen wir den Frauen*Kampftag auch, um neue Wege zum Aufbau einer antipatriarchalen, fortschrittlichen Kultur zu finden.

Gegenmacht & Gegenkultur aufbauen!

Für den Kommunismus!

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