Menschenrechtsbeobachtung? Ihr beobachtet Menschenrechte?!

Menschenrechtsbeobachterinnen sprechen mit der Vize-Präsidentin

Der nachhaltige Weg: Menschenrechtler*innen stärken – Menschenrechte schützen

Während „Brot für die Welt“ das Programm schon im Namen trägt und so nur wenig Phantasie nötig ist, um sich die Projekte des Vereins auszumalen; während der Freiwilligen-Einsatz für ein „Straßenkinderprojekt in Mexiko“ genauso bildlich vorstellbar ist wie „Englischunterricht in Kamerun“, gibt es auch methodische Ansätze im weiten Feld der sogenannten Entwicklungszusammenarbeit, welche weniger geläufig sind und auf Anhieb schwierig zu fassen sein mögen. So weckt die Überschrift „Menschenrechtsbeobachtung in den Philippinen“ des International Peace Observers Network die unterschiedlichsten Assoziationen: Manche denken immerhin an Amnesty International oder die UN-Deklaration, andere fühlen sich mehr an jene Leute erinnert, die den herbstlichen Vogelflug protokollieren oder auf Brücken stehen und Autos zählen. Zugegeben, bleibt das Konzept der Menschenrechte schon für Manchen abstrakt und vage genug, so wird es bei der Menschenrechtsbeobachtung keineswegs besser: Wer beobachtet wen oder was? Und vor allem: wozu? Tatsächlich ist der Begriff beinahe irreführend, denn Menschenrechtsbeobachtung findet meist genau dort statt, wo die Menschenrechte eben nicht sichtbar sind, dokumentiert wird nicht die Präsenz, sondern die Verletzung von Menschenrechten und schlussendlich mustern Menschenrechtsbeobachter*innen nicht bloß scharfäugig ihre Umgebung, sondern werden, bestimmten Prinzipien folgend, auch selbst aktiv tätig.

Im Fokus dieses Ansatzes stehen lokale Menschenrechtsverteidiger*innen (MRV), das heißt Aktivist*innen, die sich friedlich für ihre eigenen Rechte oder die ihrer Mitmenschen einsetzen, also beispielsweise Gewerkschaftler*innen, Journalist*innen, Vereinigungen ethnischer oder religiöser Minderheiten, Umweltschützer*innen etc. In vielen Ländern sind solche Leute einem erhöhten Maß an physischer, psychischer oder juristischer Gewalt ausgesetzt, weil sie durch ihre Arbeit die Machtposition, den Status oder den materiellen Vorteil privilegierter Einzelpersonen oder Eliten gefährden. Und anstatt die MRV als starke Vertreter*innen der Zivilgesellschaft anzuerkennen, zu respektieren und ihren Einsatz zu fördern, unterlassen staatliche Akteur*innen wie etwa Angehörige der Polizei oder des Justizwesens es oftmals, sie vor Übergriffen zu schützen bzw. beteiligen sich sogar selbst an diesen Menschenrechtsverletzungen. Hier kommen die Menschenrechtsbeobachter*innen ins Spiel: Als Mitglieder der internationalen Gemeinschaft begleiten sie die MRV, beobachten und dokumentieren deren Fälle, konfrontieren die involvierten staatlichen Akteur*innen mit den gewonnenen Informationen und machen sie einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Dabei berufen sie sich auf völkerrechtliche Verträge, in denen die Menschenrechte für alle Vertragsstaaten bindend niedergelegt sind. Mit Verweis darauf können sie von den staatlichen Akteur*innen einfordern, die Rechte der MRV zu achten, diese selbst und ihre Arbeit zu schützen, statt sie zu unterdrücken oder zu bedrohen. Kurz: Menschenrechtsbeobachtung bezeichnet die Begleitung von MRV, die aufgrund ihres Engagements Opfer staatlicher Gewalt werden; Ziel und Zweck ist es, sie auf diese Weise zu schützen, ihnen Handlungsspielräume zu eröffnen und so eine Fortführung ihrer Aktivitäten zu ermöglichen.

Wie die alltägliche Arbeit der Menschenrechtsbeobachter*innen sich genau gestaltet, hängt von den Hauptpersonen des Geschehens ab: den MRV. Ihre Lebensumstände, die Form ihrer Menschenrechtsarbeit und die Art der Repressionen, denen sie ausgesetzt sind, bestimmt die konkrete Handlungsweise maßgeblich. Handelt es sich um eine kleine Organisation landloser Farmer*innen, die sich für ihre Landrechte einsetzen, deshalb von örtlichen Großgrundbesitzer*innen bedroht und schikaniert werden und von der lokalen Polizeistation keinen Schutz erfahren, so wird vielfach das Instrument der Präsenz eingesetzt: Die Menschenrechtsbeobachter*innen halten sich im Dorf der MRV auf, nehmen als neutrale Außenstehende an Demonstrationen, Mahnwachen und anderen öffentlichkeitswirksamen Aktionen teil oder begleiten die MRV zu Terminen mit staatlichen Akteur*innen, von denen sich die MRV diskriminiert fühlen. Häufig ist gerade eine längerfristige Anwesenheit der Beobachter*innen in der betreffenden Gegend förderlich und senkt die Gewaltbereitschaft der Konfliktakteur*innen.

Handelt es sich bei den bedrohten MRV dagegen um Vorsitzende einer Graswurzelorganisation, die sich für vielfältige Belange der lokalen Bevölkerung einsetzen und darum ohne Haftbefehl willkürlich inhaftiert wurden, so können die Beobachter*innen nur kurze Besuche im Gefängnis durchführen, nehmen jedoch an den Prozessterminen teil und holen von involvierten Vertreter*innen der Staatsanwaltschaft und Gerichtsbarkeit Auskünfte ein. Ob es sich bei den begleiteten MRV also um eine ganze Gruppe oder um Einzelpersonen handelt, ob sie sich für wirtschaftliche, soziale oder kulturelle, für ihre bürgerlichen oder politischen Rechte einsetzen, ob sie körperlicher Gewalt, Zerstörung ihres Eigentums, Erpressung oder der Bedrohung ihrer Angehörigen ausgesetzt sind, ihnen kriminelle Handlungen vorgeworfen oder sie ohne Begründung festgehalten werden: all dies prägt die inhaltlichen Details der Menschenrechtsbeobachtung und ist ausschlaggebend dafür, ob ein dauerhafter, stetiger persönlicher Kontakt möglich ist oder nur ein sporadischer, ob langfristige Präsenz erfolgt oder punktuelle Begleitung, ob die Kernforderung an staatliche Akteur*innen lautet, Gewalt durch Dritte zu verhindern und Sicherheit zu gewährleisten oder selbst ein faires, unparteiisches Gerichtsverfahren durchzuführen und für die Einhaltung der Rechtsansprüche Sorge zu tragen.

Trotz dieser inhaltlichen Variation ist dennoch allen Kooperationen mit MRV im Rahmen der Menschenrechtsbeobachtung die Arbeitsstruktur gemeinsam. Es findet ein stete Abfolge von Schritten statt, die sich teils überlappen oder parallel ablaufen können, aber immer wiederholt werden: Am Anfang stehen Präsenz bzw. Begleitung, also Interviews mit Betroffenen, gemeinsame Treffen mit staatlichen Akteuren, Anwesenheit bei Aktionen der MRV etc. Daran schließt sich die Dokumentation an, und zwar zuerst in Form von rein deskriptiven Protokollen. Im nächsten Schritt werden die hierbei gewonnenen Informationen gebündelt analysiert und zu Berichten zusammengefasst, die entweder Falldarstellungen enthalten oder spezifische Phänomene beschreiben, etwa bestimmte Arten der Menschenrechtsverletzungen an MRV oder die Rolle einer bestimmten staatlichen Institution. Schließlich erfolgt die Verwertung dieser Berichte auf drei Wegen: Erstens dienen sie als Grundlage, anhand derer im unmittelbaren Kontakt mit den verantwortlichen nationalen Staatsakteur*innen die beobachteten Missstände belegt und entsprechende Verbesserungen eingefordert werden können. Zweitens kommen sie in der Lobbyarbeit zum Einsatz, indem sie internationalen staatlichen Akteur*innen zugänglich gemacht werden, die im Rahmen ihrer Funktion mit Menschenrechtsfragen befasst sind. Drittens werden sie als Artikel, Briefaktionen oder Petitionen, aber auch in Form von Ausstellungen, Filmen o.ä. aufbereitet und so der internationalen zivilen Öffentlichkeit präsentiert, um Aufmerksamkeit und dadurch wiederum die Bereitschaft zu schaffen, sich weltweit für die Belange der MRV zu engagieren. Menschenrechtsbeobachter*innen sind damit wichtige Bindeglieder zwischen den begleiteten MRV, den nationalen und internationalen politischen Akteur*innen und der internationalen Zivilgesellschaft, indem sie Informationen übermitteln und dabei kontinuierlich auf das Interesse der Weltgemeinschaft daran verweisen, dass Bürger*innen eines jeden Staates sich gefahrlos für ihre Menschenrechte einsetzen können müssen, um diese überall zu stärken.

 

Autorin: Daria Föller, 25 Jahre, ehemalige Freiwillige von IPON, 6 Monate Aufenthalt in der Konfliktregion Mindanao, Philippinen. Mehr Infos über IPON: www.ipon-philippines.org

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Ergänzungen

Das Problem mit den Menschenrechten ist weitaus weitgreifender als besprochen ... Urteile werden oft ohne Beweise von Richtern durchgewunken, a la 1/76 erstmal zersetzt, dann verschwinden Leute auch mal schnell ohne Prozess und werden unschuldig mit Psychopharmaka zugepumpt... und am Ende zählen nicht irgendwelche Menschenrechte  sondern Andere machen Karriere