Antifaschismus: Bernd Langer im Baskenland

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Antifa-Graffiti in Bilbi-Bilbao

Auf Einladung des Antifaschistischen Netzwerks Sare Antifaxista, des baskisch-deutschen Kulturvereins Baskale und des Bildungsvereins IPES Bilbao war der linke Buchautor Bernd Langer fünf Tage lang zu Gast im Baskenland. Weil Sare und Baskale derzeit an der Übersetzung von Bernd Langers Buch arbeiten – “Antifaschistische Aktion. Geschichte einer linksradikalen Bewegung“ – sollte der Berliner Autor und Aktivist Vorträge halten über die Geschichte der antifaschistischen Bewegung in Deutschland.

Im Gegensatz zu den 1960er Jahren, als es weltweit antikoloniale und antiautoritäre Bewegungen zu beobachten gab ist das derzeitige Panorama von Rechten und Ultrarechten bestimmt. Rassistische und neofaschistische Bewegungen und Organisationen machen Stimmung gegen Migration, Islam, Laizismus und emanzipatorische Tendenzen. Grund genug sich mit der Geschichte des Antifaschismus zu befassen.

Die Vermittlung der Geschichte des Faschismus und des Antifaschismus war nicht die einzige Motivation für die Reise Bernd Langers ins Baskenland vom 11. bis 16.Februar 2020. Zugleich sollte dem deutschen Gast Gelegenheit gegeben werden, sich zwischen den Veranstaltungen durch Besuche ein Bild zu machen über die Aufarbeitung des spanischen Faschismus (Franquismus) und die im Baskenland existierenden antifaschistischen Initiativen, die sich hier in einer Basisbewegung unter dem Namen “Historische Erinnerung“ (Memoria Historica) organisieren. (1) (2) (3)

Di. 11-F: Anreise

Der Weg vom Flughafen Bilbao in die Stadt bot Gelegenheit, halt zu machen auf dem Artxanda-Berg, der zwei Täler trennt. Artxanda bietet einen Überblick über die gesamte Stadt, die ehemaligen Bergbaugebiete, die Arbeiterviertel und die moderne Innenstadt, mit dem Guggenheim als Symbol für den schnell wachsenden Tourismus und die Gentrifizierung. Artxanda ist gleichzeitig einer jener Orte, über die die Franquisten im Juni 1937 in die Stadt einfielen, nachdem sie den Schutzwall “Eiserner Gürtel“ durchbrochen hatten. Deshalb steht an dieser Stelle ein Denkmal in Form eines riesigen Fingerabdrucks (La Huella), das an die Verteidiger der Republik und des Baskenlandes erinnern soll. Daneben eine Metalltafel mit den Namen der Freiwilligen-Bataillone aus Christdemokraten, Anarchisten, Kommunisten und Sozialisten.

Der Nachmittag des Anreisetages bot Gelegenheit, die Altstadt Bilbaos kennenzulernen, sowie die Arbeiterviertel auf der anderen Seite des Flusses. Im Mittelpunkt standen dabei jene Orte, an denen während des Spanienkrieges vor 83 Jahren wichtige Ereignisse stattgefunden hatten. Nicht zuletzt viele Bombardierungen durch die nazi-deutsche Flugstaffel Legion Condor, die Hitler zur Unterstützung des Militärputsches von Franco, Mola und anderen ultrarechten Generälen geschickt hatte.

Mi. 12-F: Gernika – Bermeo

Ziel des zweiten Tages war die baskische Küstenstadt Bermeo, bis ins Mittelalter Hauptstadt der Provinz Bizkaia. Bermeo bildet das nördliche Ende des Biosphären-Reservats Urdaibai, das entlang des Oka-Flusses eine besondere Vielfalt an Flora und Fauna aufweist.

Wer von Bilbao nach Bermeo fährt kommt zwangsläufig in Gernika vorbei, der durch Picasso und die Vernichtung durch die Legion Condor bekannten baskischen Kleinstadt. Obwohl in Gernika zwei Waffenfabriken ihren Standort hatten, traf die Bombardierung ausgerechnet diese nicht, sondern war ausschließlich auf die Zivilbevölkerung gerichtet. Bekannt wurde jenes Kriegsverbrechen durch den englischen Journalisten und Kriegsberichterstatter John Steer, der sich noch in der folgenden Nacht ein Bild von der brennenden Stadt machen konnte und in der London Times einen Bericht publizierte.

Vor der Veranstaltung in Bermeo gab es außerdem einen Kurzbesuch mit Blick auf die direkt vor der Küste liegende Insel Gaztelugatxe, die aufgrund eines Filmdrehs weltberühmt wurde und seither die Folgen eines unerträglichen Massentourismus zu erleiden hat. Es schloss sich an ein kurzer Besuch bei der Skulptur zum Gedenken an eine Seeschlacht vor Matxitxako, bei dem es die baskische Hilfsflotte vor 83 Jahren mit einem total überlegenen Gegner zu tun gehabt hatte.

Gastgeberin in Bermeo war eine Bürgerinitiative, die das leerstehende Lokal einer baskischen Bank besetzt hat und die Räume seither als Treffpunkt verschiedener sozialer Gruppen nutzt. Die Veranstaltung endete mit einer lebhaften Diskussion über Nationalismus, Holocaust und die Politik des Staates Israel gegenüber den Palästinensern.

Am Vormittag machte das in der Hauptstadt der Autonomen Region Baskenland (Vitoria-Gasteiz) seit 40 Jahren existierende freie Radio “Hala Bedi“ ein Interview zum Besuch Bernd Langers. Ein zweites Interview mit dem öffentlichen baskischen Fernsehen scheiterte an den Hürden der Sprache. (4)

Do. 13-F: Arbeiterbewegung – Bilbao

An diesem Abend sollte eine Info-Veranstaltung in Bilbao stattfinden. Der Vormittag ließ somit Zeit für einen Besuch in einem der Zentren der baskisch-bizkainischen Industrialisierung. Der über dem externen Hafen von Bilbao-Santurtzi liegende kleine Ort La Arboleda (baskisch: Zugastieta) gilt als einer jener Orte, in denen die baskisch-spanische Arbeiterbewegung ihren Ausgang nahm. Ende des 19. Jahrhunderts fanden hier die ersten Generalstreiks statt. Ein Teil der damaligen Arbeiterhäuser ist erhalten geblieben, am Ort des Erzabbaus ist heute ein Stausee, dessen Umgebung mit Kunstwerken bestückt zum Wandern einlädt. Die sehr gut besuchte Informations-Veranstaltung am Abend fand statt im Lokal der seit mehr als 30 Jahren alten internationalistischen Initiative Komite Internazionalistak, deren Büro häufig von anderen politischen Gruppen Bilbaos als Treffpunkt genutzt wird. (5)

Fr. 14-F: Iruñea-Pamplona

Dieser Tag war der Hauptstadt des längst vergangenen baskischen Staates gewidmet. Außerhalb der baskischen Grenzen wissen nur wenige, dass zwischen 900 und 1500 ein Königreich mit dem Namen Navarra existierte, das sämtliche baskische Provinzen umfasste, nördlich und südlich der heutigen Staatsgrenzen, die von den Staaten Frankreich und Spanien gezogen wurden. 1982 wurden Navarra und das Baskenland getrennt in zwei verschiedene Regionen. Pamplona – baskischer Name Iruñea – ist die Hauptstadt. Weltbekannt ist die Stadt wegen Hemingway und der San-Fermin-Fiesta mit Stiertreiben, die jedes Jahr Hunderttausende von Tourist*innen in die Stadt bringt.

In Iruñea galt der erste Besuch dem Lokalradio “Eguzki-Irratia“ (Radio Sonne), das mit einem Live-Interview Werbung machte für die abendliche Info-Veranstaltung mit Bernd Langer. Anschließend folgte in Begleitung zweier Mitarbeiterinnen des linken Medienprojekts “La Haine“ ein Rundgang durch die Altstadt Pamplonas.

Erste Station war dabei das Denkmal für den von der post-franquistischen Polizei erschossenen Demonstranten Germán Rodriguez, der 1978 in der Stierkampfarena sein Leben verlor. Dieser Polizeimord ist bis heute nicht aufgeklärt, weil die spanischen Behörden und ihre Justiz daran kein Interesse haben.

Zweite Station des Rundgangs war ein Kirchen-Mausoleum im Zentrum der Stadt, das als Grab zweier Putsch-Generäle diente: Mola und Sanjurjo. Mola war der Befehlshaber der Nordfront und somit mitverantwortlich für die Vernichtung von Gernika. In vierzig Jahren “Demokratie“ hatte sich in Pamplona kaum jemand um diesen franquistischen Kultort gekümmert, der als “Monument für die Gefallenen“ bekannt ist und offiziell den Namen “Navarra für seine Gefallenen beim Kreuzzug“ trägt. Denn als Kreuzzug gegen alle linken, atheistischen, regionalistischen und anarchistischen Gedanken wurde der Krieg dieser mit der Oligarchie und der katholischen Kirche verbandelten Bewegung verstanden, die sich selbst als “National-Katholiken“ bezeichneten.

Eigentlich ein Schandfleck für einen Staat, der vorgibt, die franquistische Diktatur hinter sich gelassen zu haben. Vor wenigen Jahren wurde in Navarra eine sozialliberale Regional-Regierung gewählt, die beide Gräber aus dem Tempel entfernen ließ – ähnlich der Exhumierung des Dikators Franco aus seinem Mausoleum in Madrid, dem bis heute von Neo-Faschisten gerne besuchten “Tal der Gefallenen“ (Valle de los Caidos).

Die abendliche Info-Veranstaltung fand statt in einem Zentrum, das sich Katakrak nennt (6). Mitten in der Altstadt Iruñeas gelegen ist hier ein großer Buchladen mit Verlag zu finden, der zusammen mit einem Restaurant und einem großen Veranstaltungsraum einen wichtigen Treffpunkt links-alternativer Kultur darstellt. Das Medienprojekt “La Haine“ nutzte die Veranstaltung mit Bernd Langer zu Videoaufnahmen, die in Kürze zu einer Reportage zusammengeschnitten werden sollen (7).

Sa. 15-F: Gasteiz

Die letzte Veranstaltungs-Aktivität fand in der Hauptstadt der Autonomen Region Baskenland statt, Vitoria-Gasteiz, das in der in der südlichen Provinz Araba-Alava liegt (die beiden weiteren Provinzen sind Bizkaia mit Bilbo-Bilbao als Hauptstadt und Gipuzkoa mit Donostia-San Sebastian). Empfangen wurde Bernd Langer mit seinen Begleiterinnen von zwei in der Stadt aktiven Gruppen.

Der erste Besuch galt einer Initiative mit dem Namen “Dritter März“, deren Name zurückgeht auf ein Polizei-Massaker im Jahr 1976, nur wenige Monate nach dem Tod des Diktators und Massenmörders Franco. In dieser weniger bekannten baskischen Industriestadt hatte sich eine Arbeiter- und Streikbewegung formiert, die basisdemokratisch organisiert war, da das Verbot der Gewerkschaften aus dem Franquismus noch nicht aufgehoben war. Die Polizei unter dem Befehl der alten franquistischen Garde schoss neben einer Kirche in eine Arbeiterversammlung, an der zwischen zehn und fünfzehntausend Menschen teilnahmen. Es kam zu fünf Toten und Hunderten von Verletzten. Die Initiative “Dritter März“ kämpft seither für die juristische Aufarbeitung dieses Massakers, denn die politisch Verantwortlichen wurden (ähnlich dem Fall von Germán Rodriguez in Pamplona) juristisch nie belangt. (8)

Nach einem Rundgang durch den Stadtteil Zamaraga stellte die Gruppe “Dritter März“ ihr Lokal für die folgende Info-Veranstaltung zur Verfügung, die – wohl wegen der mittäglichen Terminansetzung – nicht ganz so gut besucht war wie die vorhergegangenen. Dem schloss sich ein Rundgang durch das Barrio an, in dem die tragische Geschichte von 1976 auf Schautafeln und Erinnerungssteinen erklärt wird. Ein Gebäude zeigt auf einem mehr als 20 Meter hohen Wandgemälde die Geschichte der Repression gegen die damalige Streikbewegung, bei der zum ersten Mal im Postfranquismus Frauen eine wesentliche Rolle spielten.

Am Nachmittag folgte ein Besuch im besetzten Stadtteil Errekaleor von Vitoria-Gasteiz. Dieser Stadtteil wurde während einer Industrialisierungs-Etappe im Franquismus der 1960er Jahre gebaut, weit ab vom Stadtkern. Vor 20 Jahren wurden Pläne gemacht, die Gebäude abzureißen, in denen ca. 1.500 Personen lebten. Die Bewohnerinnen wurden umgesiedelt, dennoch konnten die städtischen Pläne nicht realisiert werden, sodass im Jahr 2010 eine Gruppe von jüngeren Leuten das Barrio besetzte. Seither ist Errekaleor das größte Besetzungsprojekt im Baskenland und wahrscheinlich auch im Staat – Grund genug, dort einen Rundgang zu machen und sich die Geschichte und Erfahrungen dieses großen Kollektivs von 120 Personen erklären zu lassen. (9)

So. 16-F: Abflugstag, Elgeta

Vor dem Rückflug nach Deutschland blieben zwei Stunden, um in Elgeta (Gipuzkoa) das antifaschistische Erinnerungs-Museum zu besuchen, das vor zehn Jahren von der Gemeinde eingerichtet wurde in Zusammenarbeit mit dem lokalen Geschichtsverein Intxorta 1937 Kultur Elkartea (10). Zwei Freiwillige des Vereins begleiteten eine informative Führung durch die mit vielen Gegenständen aus der Kriegszeit bestückte Ausstellung. Zum Empfang erklärte der Bürgermeister des Ortes den Besucherinnen in einem kurzen Abriss die Geschichte des Ortes in den Karlistenkriegen und dem Spanienkrieg. Wegen seiner geografischen Lage wurde Elgeta jeweils zum strategisch umkämpften Ort. Am Rathausplatz sind seit drei Jahren zwei der (vor allem in Deutschland bekannten) Stolpersteine angebracht. Sie erinnern an zwei Bewohner Elgetas, die in den Nazi-Konzentrationslagern Mauthausen und Neuengamme umgebracht wurden.

Das Museum besticht durch eine Vielfalt an Gegenständen aus der Kriegszeit, ein dreidimensionales Landschaftsmodell zur Erklärung der Kriegsvorgänge, Waffen, Bomben, Flugzeugnachbildungen, Zeitungen und alte Fotografien. Abschließend ging es hinauf zu den Verteidigungsanlagen in den Intxorta-Bergen mit Schützengräben und Bunkern, die von der Gemeinde vor Jahren zur Ansicht und Begehung wiederhergestellt wurden. Das Regionalfernsehen Goiena nutzte diesen abschließenden Kurzbesuch für ein Interview vor dem Erinnerungs-Monument. (11)

Resümée

Nicht auszuschließen ist, dass Bernd Langer in einem überschaubaren Zeitraum erneut ins Baskenland zu Besuch kommt. Voraussetzung dafür ist, dass sein Buch zur Geschichte des Antifaschismus dann in übersetzter Form vorliegt. Eine spanische Version ist bereits in Arbeit. Die Kontakte in Pamplona eröffneten sogar die Option, eventuell auch eine baskische Version herauszugeben.

Hinsichtlich des Besuches war bemerkenswert, dass praktisch jeder besuchte Ort einen Bezug zur deutschen Geschichte aufwies: meist in negativer Form, denn die militärische Unterstützung der Nazis für die spanischen Putschisten hat tiefe Spuren hinterlassen. Doch mehr als 40.000 Antifaschisten gaben im Spanienkrieg (1936 – 1939) auch ein Beispiel für den Internationalismus. Auf eigene Faust oder als Teil der Internationalen Brigaden kämpften die Internationalisten auf Seiten der Republik gegen die Faschisten. Unter den Freiwilligen waren auch 5.000 Deutsche, von denen 2.000 fielen. Einer jener Freiwilligen war der Berliner Fritz Teppich (1918 – 2014), der in seiner Autobiografie “Der rote Pfadfinder“ seine Erlebnisse im Spanienkrieg schilderte, angefangen im Baskenland, bis zu seiner Verbannung nach Portugal.

In den Araba (Alava) und Nafarroa (Navarra) gab es übrigens keine militärischen Auseinandersetzungen im Spanienkrieg, weil die Behörden beider Provinzen sich nach dem Putsch sofort auf die Seite der Aufständischen gestellt hatten. In Navarra fielen dennoch mehr als 3.500 Menschen den politischen Säuberungen der Franquisten zum Opfer, das entsprach einem Prozent der Bevölkerung.

(Fortsetzung: http://www.baskultur.info/geschichte/dt-spuren/548-antifa)

 

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