Satire-Plakate gegen Kampagnen des Kapitals

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In der Nacht von Donnerstag auf Freitag tauchten überall in der Stadt Plakate auf, die versuchen der Werbekampagne für das neue Küstengaskraftwerk der Stadtwerke Kiel die Maske zu entreißen. Selbige war nämlich außerordentlich erfolgreich: Über das neue Kraftwerk wurde kaum diskutiert und so manch einer weiß gar nicht, dass an der Förde überhaupt so ein Riesenprojekt durchgezogen wurde. Wie haben die PR-Experten das geschafft? Eine Kurzanalyse.

Der Diskurs zum Kraftwerk - wo er nicht durch völlige Absenz glänzt -  ist von zwei simplen, hohlen Themenfeldern strukturiert: Innovation und Energiewende. Wenn man schon überhaupt darüber reden muss, dann werden die Mantren des technologischen Fortschritts und des nachhaltigen, grünen "Weiter so!" runtergeleiert: "Schleswig-Holstein ist ganz oben bei der Energiewende, wir haben ganz viel erneuerbare Energie und hier in der Kieler Förde bauen wir ein innovatives Gasheizkraftwerk wie es das weder in Deutschland noch in Europa bisher gibt.", versichert uns Ulf Kämpfer gleich zu Beginn seines Videos für die Werbekampagne, die bei der Agentur "dreizunull" in Auftrag gegeben wurde. Erst ein paar Schlagworte, die im öffentlichen Diskurs mittlerweile fest als Sympathietrigger installiert sind - "Energiewende" und "erneuerbare Energie" - dann direkt auf die technische Begeisterungsfähigkeit der modernen Bürger*in setzen: "innovativ" ist dieses Wunderwerk der menschlichen Kreativität - sogar so innovativ, dass es etwas Vergleichbares überhaupt noch nicht gibt. Dann müssen ja keine Fragen mehr gestellt werden, das kann nur gut sein.

"Damit lösen wir das alte Kohlekraftwerk ab und wir erreichen auf einen Schlag unsere Klimaschutzziele, aber wir können damit auch ganz innovativ und flexibel Strom für die Energiewende produzieren.", geht es genauso inhaltsleer weiter. Der grammatikalische Totalausfall des "aber" an dieser Stelle deutet auf Veränderungen im Feld der "Public Relations". Wo es zu Zeiten von Edward Bernays (1891-1995, Mitbegründer der Theorie der Steuerung von Massen durch gezielte Eingriffe in den Diskurs - benannte seine Theorie später von "Propaganda" in "Public Relations" um) noch um die ausgeklügelte Konstellation symbolträchtiger Elemente ging, um das Erzählen einer eingängigen Geschichte, werden nach der Umstrukturierung der Psychologie durch Behaviorismus und Kybernetik bloß noch zusammenhangslose Fetzen serviert, die statistisch ermittelt die gewünschten Reaktionen hervorrufen. Der Nebensatz steht in keinerlei Zusammenhang mit dem Hauptsatz, er selbst ist lediglich eine Ansammlung an Schlagworten - "innovativ", "flexibel", "Energiewende".

Um wirklich auf Nummer sicher zu gehen und noch dazu das von der PR-Abteilung der Stadt mit ihrem "Sailing. City."-Narrativ vorbereitete Feld zu bewirtschaften, werden "Innovation" und "Energiewende" noch von einem ordentlichen Schlag maritimen Heimatgefühl flankiert. Am deutlichsten wird das beim "Beitrag" Meeno Schraders. Sein Video ist ein wildes Sammelsurium aus maritimen Allerlei: Hafen, Holzpier, Segelboote, Leuchtturm, Wind um die Ohren, der Mann hinterm großen Steuerrad. Das ist das Gefühl, welches die Stadt Kiel den Tourist*innen zu verkaufen versucht. "Wenn jemand mit Wind und Wetter umgehen kann, dann doch wir Schleswig-Holsteiner also auch wir Kieler.", fängt Schrader an. Da ist das maritime "Wir", dass die Stadt nun auch nutzt um Zustimmung bei den Kieler*innen selbst zu generieren: "Wir" packen alle gemeinsam an für die Energiewende! Was die - formal natürlich richtige - Schlussfolgerung, dass auch "wir" Kieler Schleswig-Holsteiner seien, inhaltlich beitragen soll, verrät Schrader aber leider nicht. Offensichtlich sollten nur die beiden Schlagworte "Kiel" und "Schleswig-Holstein" fallen. Darüber, wie genau man die beiden Wörter nun in einen sinnvollen Zusammenhang bringt, wurden gar nicht erst viele Gedanken verschwendet - das Wort zieht sich zum bloßen Signal zusammen, der Satz zur blinden Aneinanderreihung selbiger.

In Wahrheit hat das Küstengaskraftwerk nur mit "Innovation" was am Hut (denn technisch ist das Ding auf einem hohen Stand, so viel kann problemlos zugestanden werden - das ist unserem Planeten leider aber völlig egal) - mit "Energiewende" und "Maritimer Heimat" so überhaupt nichts. Letzteres ist so offensichtlich, dass es kaum der Erklärung bedarf: Ein Komplex aus 20 Gasmotoren hat absolut nichts mit Möwengeschrei und klirrenden Segeln in seichter Abendbrise zu tun, da kann man noch so viele "Küsten"-Präfixe in den Namen basteln - erst die innovativen Köpfe in den PR-Agenturen nötigen uns diesen Zusammenhang auf.

Mit der Energiewende hat Erdgas leider außer dem Anfangsbuchstaben auch nichts gemeinsam. Warum das so ist, wurde in den sehr lebendigen letzten Tagen der entstehenden Gegenöffentlichkeit zum bestehenden Küstengaskraftwerks-Diskurs von verschiedenen anderen Aktivist*innen bereits erläutert. Die Stichworte sind: Treibhauseffekte des Methan, Grundwasserverseuchung durch Fracking, Verdrängung der Erneuerbaren aus dem Strommix. Nicht einmal das Narrativ "Immerhin besser als Kohle" lässt sich halten. Nachzulesen zum Beispie hier (https://www.boell.de/de/2015/11/30/erdgas-fracking-klimawandel-gas-ist-k...) oderl in einem kurzen Überblickspost von TKKG vom 08.01. auf Facebook. Auch TKKG hat dort schon auf die dreiste Werbekampagne der Stadtwerke hingewiesen - Unsere Aktion soll hier noch weiter demaskieren. Wir lassen uns nicht mehr verarschen!

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