[LE] Gedanken zu den Ereignissen an Silvester in Connewitz

Während es in den vergangen Jahren am Connewitze Kreuz zum Jahreswechsel zunehmend ruhiger wurde, eskalierte dort dieses Mal die Lage. Die Ereignisse reihen sich ein in ein Jahr voller Auseinandersetzungen mit den Bullen, die immer wieder Verletzte, Festnahmen und Inhaftierungen zur Folge hatten. Im Nachgang versuchten die Bullen dabei immer wieder die Deutungshoheit über die Ereignisse zu erlangen, was von diversen Leipziger und auch überregionalen Medien bereitwillig reproduziert wurde.

 

2019
Im vergangenen Jahr gab es in Leipzig immer wieder Konflikte mit den Bullen, die teilweise in größeren Auseinandersetzungen mit Verletzten, Festnahmen und Inhaftierungen mündeten. Hervorzuheben sind dabei eine Abschiebung im Juli im Leipziger Osten mit dutzenden verletzten Aktivist*innen und mindestens einer Person, die deswegen in Untersuchungshaft musste; direkte Angriffe auf zwei antifaschistische Demonstrationen im Oktober (davon eine Spontandemonstration anlässlich des rechten Terrorakts in Halle mit zwei Todesopfern); Tränengaseinsatz im Zuge von Auseinandersetzungen in Connewitz ebenfalls im Oktober. Dazu kommt die völlig unverhältnismäßige Belagerung des Stadtteils angesichts angemeldeter Versammlungen von Rechtspopulist André Poggenburg. Aber auch im Alltag machte sich die neue Gangart unter dem jetzigen Polizeichef Schultze bemerkbar. Immer wieder wurden in Connewitz zu Fuß streifende Bereitschaftsbullen in voller Montur beobachtet, die Anwohner*innen, Hundebesitzer*innen, Fahrradfahrer*innen und nicht weiße Menschen gängelten. Daneben bestreiften die Bullen in mindestens einem Fall grundlos das Gelände der Universität Leipzig mit einem Drogenspürhund.
Auch am Silvesternachmittag war Connewitz von Bullen belagert, die die Anwohner*innen drangsalierten und sich wie eine Besatzungsmacht inszenierten. Zum Jahreswechsel gab es am Connewitzer Kreuz schließlich Auseinandersetzungen mit Bullen. Diese Auseindersetzungen sind Ausgangspunkt einer beispiellosen Hetzkampagne der Leipziger Polizei gegen einen politisch unliebsamen Stadtteil.

Leipziger Märchenstunde(n)
Wie sich im Zuge der Recherche engagierter Journalist*innen herausstellt, handelt es sich bei der vermeintlich lebensgefährlichen Verletzung des Bullen am Kreuz, die der polizeilichen Pressemitteilung eine „Notoperation“ zur Folge hatte, keineswegs um eine gravierende Verletzung. Nicht einmal mehr von einer „Notoperation“ ist im Nachgang die Rede (https://taz.de/Gewalt-in-Leipzig-Connewitz-an-Silvester/!5650003/). Mittlerweile räumen dies selbst die Bullen ein und rudern dementsprechend zurück. Dennoch ist das Kind längst in den Brunnen gefallen. Die Nachrichten über einen lebensgefährlich verletzten Bullen geistern seit Tagen durch die Medien. Nicht zum ersten Mal generiert die Pressestelle der Leipziger Polizei Fakenews, deren Inhalte im Nachhinein als falsch entlarvt werden. Dies war beispielsweise auch im Oktober 2019 der Fall, als behauptet wurde, im Zuge von Auseinandersetzungen in der Stö (https://kreuzer-leipzig.de/2019/11/04/das-ist-doch-subjektiv/) wären auch Kräfte der Feuerwehr angegriffen worden. Auch im Nachgang der angegriffenen Spontandemonstration anlässlich des Terrorakts in Halle glänzte die Leipziger Polizei mit unverhohlenen Lügen über den Einsatz (https://www.l-iz.de/politik/leipzig/2019/12/Spontandemonstration-in-Connewitz-Noch-mehr-Widersprueche-306786).

The same procedure as every year(?)
Die Leipziger Bullen haben neben der Lüge der vermeintlichen Notoperation weitere Fakenews in Umlauf gebracht und damit bewusst das mediale und politische Klima beeinflusst.
Ein brennender, als Polizeifahrzeug gestalteter Einkaufswagen wurde auf eine Kreuzung geschoben und kam dort zum Erliegen. Bullen waren zu diesem Zeitpunkt nicht in der Nähe des Einkaufwagens (https://www.l-iz.de/leben/faelle-unfaelle/2020/01/Silvester-am-Kreuz-Die-Spirale-dreht-sich-1-310807).
Es gab keinen Hinterhalt, in den die Cops gelockt wurden. Nach einem Angriff auf Bullen in der Selneckerstraße rannten zwei Bullen im Jagdfieber und einer davon ohne Helm mindestens einer Person hinterher, um diese festzunehmen. Ein kleines Stück dahinter folgte ein dritter Bulle. Den beiden Cops gelang es eine Person kurzzeitig festzunehmen, dies führte zu spontanem solidarischen Handeln Umstehender und durch direkte körperliche Angriffe auf die drei Cops konnte die Person befreit werden. Die Bullen haben ihren Festnahmeversuch voreilig und ohne Rücksicht auf ihren Selbstschutz gestartet. Der wegen Körperverletzung im Amt vorbestrafte BFE-Truppenführer Golze wird wahrscheinlich so schnell nicht wieder ohne Helm Zugriffsversuche starten. Die von Ronny Golze geäußerte Kritik in einer Polizeiübung: „Die Annäherung war noch zu langsam", kann man in diesem Fall auch getrost zurückweisen.

Lügenbullen!
Die Bullen sind nicht erst seit Kurzem ein eigener politischer Akteur geworden, der die Deutungshoheit über politische Ereignisse und Auseinandersetzungen, teilweise mit Lügen und Übertreibungen, zu erlangen versucht. Sie generieren eigene Wahrheiten und schaffen ein Klima, das Politiker*innen aller Parteien zu einem Distanzierungsmarathon gegenüber vermeintlich linker Gewalt zwingt, auch wenn sich im Nachhinein das meiste als gelogen herausstellt. Die Bullen arbeiten damit ganz bewusst mit an einer Verschiebung der Diskurse nach Rechts, liefern Wasser auf die Mühlen derer, die seit jeher mit ihren autoritären Polizeistaatssehnsüchten glänzen und fördern letztlich damit auch Gewalt von Rechts. Und während sich Bullen, Medien (dem Narrativ der Bullen unkritisch folgend) und Politiker*innen aller Parteien gegenseitig mit catchy Schlagworten wie „linker Terrorismus“ und „Mordversuch“ und absurden RAF-Vergleichen überbieten, um maximale Aufmerksamkeit zu generieren, sind immer noch Menschen, die am Kreuz festgenommen wurden, eingesperrt, lag oder liegt ein Mensch in Folge der Polizeigewalt an Silvester im Krankenhaus…
Wer mit Worten wie „Terrorismus“ und „Mord“ um sich wirft, relativiert den Tod jener, die nicht nur im vergangenen Jahr rechten Tätern zum Opfer fielen und stellt alle, die am Silvesterabend gegen die Brutalität, Schikanen und Anwesenheit der Sächsischen Nazibullen intervenierten, mit diesen tatsächlichen rechten Terroristen auf eine Stufe.

Schultze muss weg!
Wir fordern nicht Maßnahmen zu ergreifen, um Silvester am Kreuz irgendwie zu befrieden, weder durch die Anwesenheit des Polizeipräsidenten wie zu Merbitz‘ Zeiten, noch durch Böllerverbotszonen oder Bürgerfeste. Wir fordern, dass sich die Bullen aus Connewitz verpissen! Jene Bullen, die bereits Stunden vor Mitternacht wie eine Besatzungsmacht einen ganzen Stadtteil in Beschlag nahmen, seine Bewohner*innen drangsalierten und unter Generalverdacht stellten. Jene Sächsischen Bullen, die immer wieder durch rechte Skandale Schlagzeilen machen und für die der Feind eindeutig links steht! Die schikanöse und rassistischen Kontrollen vor linken Ladenprojekten durchführten und schon in den Mittagsstunden mit dröhnenden Helikoptern in der Luft nervten.

Mit jeder Auseinandersetzung, die die Bullen in Connewitz und anderswo heraufbeschwören, wird der Preis für Schultzes Bullen höher werden. Auch wenn er dies bisher nicht einsieht und weiterhin mit seiner Law-and-Order-Strategie seine Beamt*innen verheizt. Und wenn Schultze jüngst in einem Interview mit der Zeit von gegenüber der Polizei nonkonformen Menschen als „Unmenschen“ spricht, dann zeigt das, woher der Wind in dieser Stadt mittlerweile weht (https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-01/leipzig-connewitz-torsten-schultze-silvesternacht-angriffe-polizei-polizeipraesident/seite-3). Wer auf der einen Seite Entmenschlichung seiner Schergen beklagt und gleichzeitig von „Unmenschen“ fabuliert, ist nicht glaubwürdig! Wenn er diesen Kurs weiterfahren will, dann werden er und seine enthemmten Prügelbullen die Konsequenzen dafür tragen!

Wir fordern die sofortige Freiheit für die vier Inhaftierten vom Kreuz und rufen zu Solidaritätsaktionen auf. Teilt das untere Solibild gern!

P.S.: Polizeiberichte ohne kritische Prüfung als Quelle für seine Berichterstattung heranzuziehen ist kein Journalismus!

 

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