CourtWatch – gehen wir in die Gerichte!

Im südbadischen Freiburg fand sich vor einigen Monaten eine kleine Gruppe von Menschen zusammen, die öffentliche Gerichtsprozesse besuchen. Eine Idee die vielleicht auch in anderen Städten sinnvoll sein könnte?

Der Beginn

Im Anschluss an zwei Vorträge zum Thema Abolitionismus und Knastkritik entstand die Idee, dass Menschen sich verabreden um öffentliche Prozesse zu besuchen. Nicht unbedingt jene Verfahren die sowieso viel öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, sondern jene alltäglichen Fälle einer Klassenjustiz, die sich jenseits der Wahrnehmung der Menschen außerhalb der Gerichtssäle abspielen.

Welche Gerichtsprozesse sind gemeint?

Die gesamte Breite: Strafsachen. Verwaltungsgerichtliche Verfahren. Dort geht es zum Beispiel um Menschen die versuchen, ihren Asylanspruch oder ihr Aufenthaltsrecht einzuklagen. Alleine vor dem Verwaltungsgericht Freiburg sind über 3.000 solcher Verfahren alleine im laufenden Jahr anhängig gemacht worden- jedes Verfahren eine dramatisches Fluchtgeschichte.

Sozialgerichtliche Streitigkeiten, wenn es um Verfahren gegen Krankenkassen geht, oder das Jobcenter. Zivilsachen: Vermieter:innen die Menschen entmieten wollen. Jeden Werktag finden unzählige Verhandlungen statt, die Mehrzahl unter gänzlicher Abwesenheit der Öffentlichkeit.

Es geht also gerade nicht um den ausschließlichen Besuch von Strafprozessen.

Warum Prozesse besuchen?

Die Motive sind sehr divers. Eine gemeinsame Grundlage könnte in dem Wunsch zu suchen sein, solidarisch mit Menschen zu sein, die (meist) alleine der Klassenjustiz gegenüber stehen. Ein paar freundliche, solidarische Gesichter im Publikum können empowernd wirken. Durch Prozessbesuche verbreitert sich jedoch auch das eigene Wissen um die Existenz und sehr stark ritualisierten Abläufe solcher Verfahren. Jene die erstmals einen Prozess besuchen schwanken mitunter zwischen Wut, Entsetzen und Hilflosigkeit. Prozessbesuche senden jedoch auch ein Signal an die Justiz: wir sehen Euch! Wir beobachten Euch!

Was braucht es um Prozesse besuchen?

Das ist völlig voraussetzungslos! Einfach in das nächste Gerichtsgebäude gehen und dort dann auf den Aushängen schauen, was für Verhandlungen laufen. Manchmal gibt es eine zentrale Tafel auf der alle Verfahren des Tages angeschlagen sind, manchmal muss mensch die Säle ablaufen, an deren Türen die Prozesstermine angeschlagen sind. Viele Gerichte haben eine Eingangskontrolle, wo gefragt wird, was mensch denn im Gericht wolle: es reicht völlig aus zu sagen, es sei ein Prozessbesuch beabsichtigt. Nicht erforderlich ist es, schon zu wissen, welcher Prozess es sein wird. Film-, Foto- und Tonaufnahmen in den Gerichtsgebäuden sind weitestgehend untersagt, es sei denn es wurde im Vorfeld eine Genehmigung eingeholt.

Blick nach vorne!

Täglich finden bundesweit tausende von öffentlichen Verhandlungen statt, nur einen Bruchteil davon zu besuchen, wäre schon eine Überforderung. Aber vielleicht geht es erstmal darum einfach anzufangen! Denn ob morgens um 9.00 Uhr, oder nachmittags um 14.00 Uhr- es finden sich immer Verhandlungen die für die Öffentlichkeit zugänglich sind. In den meisten Verfahren treten die Kläger:innen/Angeklagten/Beklagten ohne irgendeinen Beistand vor Gericht auf, müssen sich alleine wehren, verteidigen, oder ihre Ansprüche erstreiten. Dies mit solidarischen Menschen auf den Zuschauer:innen-Bänken tun zu können, dazu können wir etwas beitragen!

 

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