Teilerfolg für Schwarzfahrer, Gericht flippt aus

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Politscher Schwarzfahrprozess in zweiter Instanz am Landgericht Dresden: Dem Angeklagten und seiner selbstorganisierten Verteidigung gelingt die Einstellung von sieben von neun vorgeworfenen Taten. Und das trotzdem das Gericht dem Umstand, dass der Beschuldigte offen gekennzeichnet umsonst fuhr, keine rechtliche Würdigung zukommen ließ. Der Paragraph, der auf Schwarzfahren angewendet wird verlangt nämlich ein »Erschleichen«, wovon hier keine Rede sein könne. Stattdessen beleidigte das Gericht seinen Gegner und griff zum Schluss autoritär durch: 4 Tage Ordnungsaft für's nicht aufstehen zur Urteilsverkündung! Nun wird sich das Revisionsgericht mit der Frage der Strafbarkeit von gekennzeichnetem Schwarzfahren beschäftigen müssen.

Es ist schon einige Zeit her, dass es eine Reihe von offensiven – also als solche gekennzeichnete - Schwarzfahrten im ganzen Bundesgebiet gab, es hagelte Strafanzeigen und eine Verhandlung beim Amtsgericht Meißen folgte. Bei der ersten Verhandlung in Meißen am 10. März 2015 unterbrach der Richter den Angeklagten mehrfach bei der Einlassung und lies sie ihm sogar durch das Wachpersonal entwenden, auch belegte er den Beschuldigten mehrfach mit Ordnungsgeldern. Schließlich wurde der Beschuldigte für die vier übriggebliebenen von ursprünglich neun vorgeworfenen Schwarzfahrten zu 100 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Die Staatsanwaltschaft kündigte weitere Verfahren gegen den Beschuldigten an. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt.

 

Bei dem ersten Verhandlungstermin im Berufungsverfahren am Landgericht Dresden am 2. Juli 2015 wurde nach kurzer Diskussion eine Laienverteidigung zugelassen. Allerdings hielt es der Vorsitzende Richter Voigt für unnötig, Zeugen zum Termin zu laden. Seiner Auffassung nach käme es zur Erfüllung des Tatbestandes lediglich darauf an, ob der Beschuldigte im Zug war und eine Fahrkarte vorweisen konnte oder nicht. Der Angeklagte und sein Verteidiger sahen das anders und ließen Zeugen laden. »Im Gegensatz zu Richter Voigt kommt es uns auf die juristische Auseinandersetzung um die Frage an, welche Auswirkungen das offen gekennzeichnete Schwarzfahren auf die Strafbarkeit als ›Erschleichen von Leistungen‹ hat.« Es spräche nämlich, so der Beschuldigte weiter, vieles dafür, dass dies nicht so einfach ginge. Er wolle weiter umsonst fahren und so für die Streichung des § 265a und Nulltarif im öffentlichen Personenverkehr eintreten.

 

Zum zweiten Verhandlungstermin am 14. Juli, der von 12 bis 17:15 Uhr dauern sollte, sagten zwei Kontrolleure als Zeugen aus. Sie gaben beide an, sich weder an den Angeklagten noch sonst an irgendwelche Umstände der Tat erinnern könnten. Unsinnigerweise schließen sie gerade aus dieser Tatsache, dass es kein Schild gegeben hätte und der Angeklagte deshalb nicht als Umsonstfahrer gekennzeichnet gewesen sei. Der Richter tat diesen Umstand ohnehin als irrelevant ab, indem er einen entsprechenden Beweisantrag der Verteidigung zurückwies.

 

Nach der Beweisaufnahme, zahlreichen Unterbrechungen und Anträgen sowie mehrfachen Ausfälligkeiten des Gerichtes (etwa: »Der Zeuge ist Ihnen doch geistig drei Mal überlegen.«), die angemessene Beanstandungen der Verfahrensleitung durch die Angeklagtenseite nach sich zogen, verlas der Verteidiger seinen Schlussvortrag und plädierte auf Freispruch angesichts der eindeutigen Rechtslage zum gekennzeichneten Schwarzfahren. Die Staatsanwaltschaft forderte 55 Tagessätze zu je 10 Euro und tat die von der Verteidigung vorgebrachte Rechtsauffassung als unbedeutend ab. Als Richter Voigt und die beiden Schöffinnen den Gerichtssaal zur Urteilsverkündung betraten, wurde der Angeklagte zum zweiten Mal gefragt, ob er sich zur Verkündung erheben möchte oder nicht. Dieser verneinte erneut. Er wolle sich nach wie vor nicht mittels einer solchen Unterwerfungsgeste vor dem Richter erniedrigen. Zumal der nicht einmal bereit sei, den Straftatbestand ausführlich juristisch zu würdigen, um eine gewollte Verurteilung nicht zu gefährden.

 

Daraufhin gewährte das Gericht dem Angeklagten erneut das Letzte Wort (!) und verließ den Saal. Bei Wiedereintritt griff dessen autoritäre Aggression voll durch: gegen den Angeklagten wurden 4 Tage Ordnungshaft verhängt, weil er sich »respektlos gegenüber dem Gericht verhalten« habe. Nach der Urteilsverkündung - 50 Tagessätze zu je 10 Euro für nunmehr nur 2 von 9 ursprünglich angeklagten Taten - wurde der Angeklagte sofort abgeführt und in die örtliche JVA gebracht. Ein wirksames Rechtsmittel gegen diese Maßnahme ist nicht vorgesehen. Dass die erneute Gewährung des letzten Wortes und der erneute Rückzug des Gerichts zur Neuformulierung und Verschärfung des Urteils genutzt wurden, darf angenommen werden. Auch deshalb geht der Angeklagte in Revision, sodass sich das Oberlandesgericht mit der Sache beschäftigen müssen wird.

 

Mehr zur Kampagne »§ 265a StGB streichen! Nulltarif im ÖPNV!«: www.schwarzstrafen.de.vu

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