Connewitz, was ist nur los mit dir?
Zu den Grabenkämpen, der patriarchalen Kultur und rassistischen Vorfällen. Lasst uns ein widerständiges, antifaschistisches, internationalistisches Connewitz aufbauen!
Connewitz galt mal vielen Jugendlichen in Deutschland als ein Ort der Faszination, der neue Formen des Zusammenlebens ausprobiert, als ein solidarisches Viertel was in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen.Heute ist Connewitz immer mehr vor allem dafür bekannt, die Heimat der Antideutschen zu sein, die sich immer mehr von der Realität, der eigenen Gesellschaft und allen anderen Linken abschottet. Sie führen eine Art patriarchalen Revierkampf, und der Rest des Viertels schaut zu, in Angst, sich dagegen zu positionieren. Mehr und Mehr wird Connewitz irrelevant als Ort für revolutionäre Politik, und die ganze Szene spürt das.Immer wieder werden Menschen auf der Straße angegangen, die Kuffiyeh tragen. Sie werden von 30-Jährigen Männern angeschrien, sie sollen sich verpissen. Oder den 'Lappen' ausziehen. Aber es bleibt nicht nur bei wütendenen Männern die rumschreien. Ein palästinasolidarischer Stand im Oktober von „StudentsforPalestine“, der vor der HTWK über die katastrophale Situation in Gaza aufklären wollte, wurde von einer Gruppe Vermummter angegriffen, Menschen wurden geschubst und bedroht. Als wär das nicht genug sind sie danach nochmal unvermummt gekommen, um sich über ihre peinlichen Taten zu 'freuen'. Genauso der Rundgang des Studikollektivs, der angegangen worden ist. Oder zwei Jugendliche, die ein israelsolidarisches Plakat abgemacht haben, und direkt belagert worden sind von einer Gruppe, die vermeintliche „Antisemiten“ ausgemacht haben.Und auch Einzelpersonen wurden schon mehrmals von Antideutschen in den Straßen von Connewitz angegriffen. Zuletzt vor einigen Wochen, wo zwei Sprayer*innen von zwei vermummten Männern attackiert worden sind. Weil sie palästinasolidarische Parolen an die Wände geschrieben haben. Man würde meinen, wenigstens in Connewitz ist das Bemalen der Wände ganz normale Sache. Aber stattdessen wurden die beiden von den zwei Männern, die aus der Zwille beim Bier gesessen haben, gejagt, und schließlich geschubst, getreten und geschlagen. Die dortigen Bewohner haben nichts dagegen gemacht, sondern nur zugeschaut. Und auch davor gab es schon Übergriffe auf Einzelpersonen. Menschen wurden mit Baustellenabsperrungen verfolgt und mehrfach rassistisch beleidigt. Zudem gingen Bilder rum von Einzelpersonen, sie wurden gedoxxt, Gewalt angedroht, teilweise Menschen mit unsicheren Aufenthaltsstatus. Und bei all diesen Vorfällen gibt es immer eine krass verzerrte Darstellung auf knack.news oder Indymedia, die meistens wenig mit der Realität zu tun hat, und meistens irgendwelche Macker herbeifantasiert und übelste Täter-Opfer-Umkehr betreibt. Fakt ist, dass diese Übergriffe zum größten Teil von der antideutschen Szene ausgingen, und nie irgend eine Form von Gespräch gesucht worden ist.Was ist das für ein Umgang miteinander? Wie kann das die Antwort sein, die man auf Kontroversen hat? Welchen Sinn hat es, wenn Linke andere Linke jagen? Wollt ihr jetzt sagen, das sind alles keine Linken? Während der Staat unsere Genoss*innen mit Repressionen überzieht? Während wir alle schon gemeinsam in Kesseln, auf Demos gemeinsam diskutiert, gerufen, gekämpft haben? Wir leben in Zeiten der Unruhe. Krieg und Faschismus beeiten sich aus. Auch Deutschland wird kriegsbereit gemacht, wir können überall die Bundeswehr-Werbung sehen. Die BRD will wieder Großmacht werden. Die Zeiten sind vorbei, in denen man entspannt seiner Szeneexistenz nachgehen konnte, einen alljährlichen Riot macht und sich von der Gesellschaft weitgehend zurückzieht. Sie sind vorbei, weil der Staat ernst macht und die Gefahr – und das war sie einmal – der Szene durch eine Repressionskampagne neutralisiert hat. Die Repression, gerade in Leipzig, gerade in Connewitz, hat gewirkt. Die autonome Szene ist quasi aufgelöst, in Kneipenabenden verendet. Spätestens Tag X hat ihr das Genick gebrochen. Der Weg für die AfD musste freigemacht werden, auf deren Regierung wir jedes Jahr mehr vorbereitet werden. Gleichzeitig der weiterhin tobende Krieg in der Ukraine, der Krieg in Palästina und im gesamten Mittleren Osten, einschließlich des stärksten Angriffs auf die Revolution in Rojava seit dem Sieg über den IS. Es ist Zeit, diese Realitäten wahrzunehmen. Wir können uns nicht mehr verstecken. Wir müssen, als Linke, wieder gesellschaftlich werden, oder wir werden verschwinden. Wie sollen wir das machen, wenn wir nicht einmal mit anderen Linken klarkommen? Die Demonstration am 20.01. für die gestellten Antifaschist*innen hat doch gezeigt, dass wir gemeinsam immer noch eine große Stärke haben, dass wir strömungsübergreifend – das heißt auch mit den 'roten' Gruppen – zusammenarbeiten können ohne in Flammen aufzugehen. Wir können uns nicht von allem und jedem abgrenzen. Man macht es sich richtig schön einfach, wenn man einfach aufhört, mit denen, die einem nicht recht geben, zu reden. Dauernd wird auf die Wichtigkeit von kritischen Diskurs hingewiesen. Aber wo ist der eigentlich? Wenn man die anderen einfach als „autoritär“ oder „antisemitisch“ oder irgendwie „problematisch“ abwerten kann, muss man sich mit den eigentlichen Kritikpunkten gar nicht mehr beschäftigen. Als wäre Antisemitismus nicht ein gesellschaftliches Problem, dass in uns allen verankert ist, gegen das wir alle kämpfen müssen. Antisemitismus, wie Rassismus und Sexismus ist keine Feindmarkierung, sondern ein Unterdrückungsverhältnis, mit dem wir alle zu tun haben, und wo es nichts bringt, so zu tun, als wär man selber rein und die anderen das Problem. Und dass die andere Seite nicht gleich immer Faschos sind, das sollte selbstverständlich sein.Wir müssen wieder zu einem solidarischen Miteinander finden. Denn Solidarität hat nie geheißen, dass wir mit allem übereinstimmen müssen, was jemand sagt. Es heißt gerade trotzdem hinter jemanden zu stehen, auch wenn dieser andere Perspektiven vertritt. Denn als ob diese ganzen Menschen, mit denen man vorher auf Demos war, jetzt auf einmal Teil der „antisemitischen Internationalen“ geworden sind und jeden Funken Vernunft verloren hätten. Und das alles vor dem Hintergrund der anhaltenden Zerstörung in Palästina, den 15 Monaten des Krieges in Gaza, der systematisch gegen die Bevölkerung geführt wurde. Wie kann man da so die Realität ausblenden, wie kann man da alle diejenigen verurteilen, die sich trauen etwas zu tun? Einen seiner traurigen Höhepunkte hat das erreicht, als man meinte, es sei eine gute Idee, eine mit der Familie unabgesprochene Abspaltung von der alljährlichen Oury Jalloh Demo in Naumburg zu organisieren, weil in bei der Demo in Dessau auch rote Gruppen mitlaufen würden, und das Gedenken für sich „vereinnahmen“. Wie unglaublich arrogant kann man eigentlich sein? Es ist ein bisschen unfassbar das man das erklären muss, aber beim Mord von Oury Jalloh und bei dem Kampf um dessen Aufklärung geht es NICHT um irgendwelche Szenestreits und es ist vollkommen egal was für tolle Kritiken und Adorno-Texte man dazu in der Hand hat ! Und es ist gut wenn es Kritiken gibt! Aber die muss man auch einbringen. Gerade die Palästinabewegung, die von vielen jungen und unerfahrenen Menschen geprägt ist, braucht Diskussion und Dissens wie jede Bewegung. Das kann man aber nicht, wenn man an der Seitenlinie steht und damit beschäftigt ist, alles mögliche zu verurteilen. Tatsächlich erreicht man damit eher ein Verhärten der Positionen, als dass sich Menschen ernsthaft mit Kritik beschäftigen. Kritik sollte uns weiterbringen, nicht uns spalten. Und Kritik bedeutet auch nicht, sich gegenseitig fertig zu machen. Wenn so eine große Angst vor den roten Gruppen besteht: Macht doch einfach was. Niemand hält euch auf, sich zu organisieren, Menschen zu erreichen. Zeigt, dass eure Ansätze Erfolg haben können, entwickelt eine Praxis, macht sie doch dadurch irrelevant, wenn euch das so wichtig ist. Der Feind steht nicht links und es bringt genau gar nichts, Demos gegen Linke zu organisieren. Das schlimme ist, dass es letztendlich dabei nur zweitrangig um politische Differenzen um Palästina geht. Worum es geht, ist, seine eigene Position in der Szene zu bewahren. Seit Jahrzehnten haben Antideutsche in der deutschen linken Szene eine Art Diskurshoheit erlangt, sodass alle anderen Angst davor haben, andere Positionen einzunehmen. Natürlich übernehmen sie dabei nur mit scheinradikalen Argumenten diejenige Position, die eh Staatsräson ist. Der deutsche Staat steht geschlossen hinter Israel und dem Krieg der Netanjahu-Regierung, das sollte jedem klar sein. Das sieht man auch ganz konkret auf der Straße, wie bei der Blockade der Palästinademo in Halle letztes Jahr, wo die antideutschen Gegendemonstranten der Polizei ermöglicht haben, die angemeldete Demo einfach zu stoppen. Denn letztlich ist dies die Position, wo man am wenigsten tatsächlich machen muss, wo man am bequemsten in der Szene sitzen bleiben kann, weil sie sowieso nicht in eine wirkliche Konfrontation mit dem deutschen Staat geht. Es ist die Position, die sich nahtlos in die rassistische Normalität dieses Staates einreiht, und die der rassistischen Medienkampagne gegen die palästinasolidarische Bewegung nichts entgegen kann, sie oft sogar noch unterstützt. Es reicht halt, alle paar Monate auf einschlägige Szeneereignisse oder hochgestochene Vorträge über Antisemitismus zu gehen, und das politische Praxis zu nennen. Wenn man Glück hat, machen diese Leute immerhin noch halbwegs anständige Antifaarbeit. Aber auch bei dieser Antifaarbeit muss man hinterfragen, ob es da wirklich um einen ehrlichen Kampf gegen den Faschismus und das kapitalistische System geht, ob es wirklich um einen Kampf für ein freies Leben geht, oder auch eher um die Profilierung und die Selbstbestätigung vor Anderen. Der Kern der antideutschen Szene ist am Ende nicht der Kampf gegen Antisemitismus, sondern eine patriarchale Szenekultur, die sich kaum von der Männerkultur aus Fußballvereinen unterscheidet, wobei die Überschneidungen sowieso groß sind. Wenn es wirklich um Antisemitismus gehen würde, würde man ganz anders mit den vielen jüdischen Stimmen umgehen, die dem Zionismus kritisch eingestellt sind. Und man würde Juden und Jüdinnen nicht mit einem Staat gleichsetzen, wie es die politische Linie des NS-Nachfolgerstaats BRD ist, der so tut, als würde er sich damit von seinen Verbrechen freimachen.Wenn Szenemänner Menschen durch die Straße jagen, weil sie zu Palästina an die Wand gesprayt haben, dann geht es nicht um den Schutz von Juden und Jüdinnen, sondern darum, dass Männer ihre Gewaltfantasien ausleben können. Es geht um einen Revierkampf. Immer wieder hört man sowas wie „geht zurück in den (Leipziger) Osten“, oder „verpisst euch aus Connewitz“. Es sollte aber nicht darum gehen, mit Gewalt „sein“ Viertel reinzuhalten, sondern was für Positionen man vertritt und auch wie man sie vertritt. Es sollte nicht darum gehen, mit anderen Linken um ein Viertel zu „konkurrieren“. Es ist eine Logik, die einen auf den Schulhof zurückversetzt, aber nichts damit, das Viertel vor reaktionärer Ideologie zu verteidigen, oder mit einer ehrlichen politischen Kritik zu tun hat. Vor allem ist es auch der Kampf einer mehrheitlichen weiß-deutschen geprägten Szene um ihre Diskurshoheit, die die Stimmen von Migrant*innen konsequent versucht kleinzuhalten. Denn ihre Legitimität geht immer mehr verloren, niemand nimmt sie mehr außerhalb ihrer Bubble ernst ernst. In dieser Krise schlägt sie wild um sich, versucht sich aggressiv noch irgendwie zu halten. Aber sie wird verschwinden. Wie soll man sie auch ernst nehmen, nachdem man 15 Monate lang zu Bildern und Videos von ermordeten palästinensischen Kindern und Familien aufgewacht ist? Da hilft auch nicht der 'emanzipatorische' Anspruch und die einseitige Solidarisierung mit Frauenbewegungen im globalen Süden, wenn sich diese Solidarität nicht auch auf die Frauen, Kinder, Familien und auch Männer in Palästina bezieht. Das lässt sich auch nicht auflösen, indem man sie hin und wieder miterwähnt, denn glaubwürdige Solidarität ist eine Praxis. Und ein erster Schritt dieser Praxis könnte sein, diejenige in die Schranken zuweisen, die aktiv rassistisch und patriarchal agieren, die im Viertel über „Free Gaza“ – „Bomb Gaza“ sprühen. Ihr kennt sie alle, und wenn ihr sie nicht kennt, dann welche die es hätten sein können. Schließlich ist das größere Problem als die Antideutschen in Connewitz diejenigen, die sie immer noch in Schutz nehmen, obwohl sie ihnen nicht zustimmen, die niemals auf die Idee kämen, andere Linke anzugreifen, aber ihnen nicht widersprechen. Die drumherum stehen, und das Maul nicht auf kriegen. Oder nicht so recht wissen, sich unsicher sind, was das richtige ist. Denn ihr lasst zu, dass dieses Viertel in diesem Zustand ist. Brechen wir die patriarchale Kultur dieser Szene auf! Redet darüber, zieht Angreifer zur Verantwortung! Wir müssen uns stellen gegen die ewige Spalterei und das übereinander Herziehen. Linke Politik ist kein Konkurrenzkampf! Lasst uns Connewitz wieder zu einem Ort der Solidarität werden! Wir haben viel wichtigeres zu tun. Viel wichtigere Dinge zu diskutieren. Es bewegt sich gerade so viel in der Welt, es gibt Grund Angst zu haben, aber auch sehr viel Grund, zu hoffen. Der weltweite Widerstand der Gesellschaften gegen das System steigt mit jedem Tag an. Es ist die Zeit zu handeln, und Teil davon zu sein.Lasst uns die Schwäche der deutschen Linken beenden. Wie wäre es, wenn Connewitz wieder ein Viertel wird, vor dem der Staat sich fürchten muss ? Wie wäre es, wenn wir wieder zusammenhalten? Wenn Internationalismus und Antifaschismus wieder Hand in Hand gehen würden? Wenn wir geeint gegen die Repression ständen? Wenn wir geeint dem deutschen Staat entgegentreten, der wieder Großmacht werden will? Der wieder nach Abschiebung, Faschismus und Krieg schreit? Connewitz muss wieder Widerstand bedeuten. Krieg den deutschen Zuständen !