Fronten während der Hörsaal-Besetzung

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Heute morgen haben wir im Rahmen der Climate Action Week mit anderen politischen Gruppen aus Dresden, darunter vor allem "HSZ fürs Klima" und Ende Gelände das Audimax der TU Dresden besetzt. Als die Information die Runde machte, dass in dieser Woche wohl keine weiteren Vorlesungen im Audimax stattfinden würden, brachen einige Maschinenbau Studis tatsächlich in Tränen aus. Viel deutlicher kann mensch die eigene Unfreiheit kaum demonstrieren. Ihren Protest machten sie zum Ende deutlich, indem mehrere Transparente abgerissen wurden. Versuche, die Transparente zu klauen, waren zum Glück erfolglos.

Heute morgen haben wir im Rahmen der Climate Action Week mit anderen politischen Gruppen aus Dresden, darunter vor allem "HSZ fürs Klima" und Ende Gelände das Audimax der TU Dresden besetzt. Die Universität hatte im Vorfeld das Foyer des Potthoff-Baus als einen alternativen Raum angeboten. Wie es sich für Besetzer*innen gehört, wurde das Angebot des Ersatzobjektes selbstverständlich nicht angenommen; das Audimax bietet eine größere Öffentlichkeit. Darüber hinaus schafft dieses Ersatz-Angebot der Uni einen leichten Weg, der Auseinandersetzung mit der dringenden Thematik aus dem Weg zu gehen, anstatt sich ernsthaft mit Klimaschutz und Klimagerechtigkeit auseinanderzusetzen.

Neben der erwartbaren angedrohten Repression der Polizei, die dann überraschend doch ausblieb, zeigten einige Maschinenbau Studis, die zeitgleich mit unserer Besetzung im Audimax eine Vorlesung hatten, wie wenig emanzipiert sie sind und wie wenig ihnen Klimaschutz bedeutet. Während die Besetzer*innen um 10 Uhr ein Plenum abhielten, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden und mit der Universitätsleitung einen Kompromiss zu finden, schrien große Teile der Maschinenbau Studis, sie hätten jetzt gerne eine Vorlesung. Es wurde immer wieder in das Plenum reingerufen und Abstimmungen eingefordert. Dass Abstimmungen aus unserer Sicht nicht zielführend sind, war für die Maschis unverständlich. Also liebe Maschinenbau-Studierende u. a.: Abstimmungen haben keinen Minderheitenschutz, weshalb wir einen Konsens suchen. 

Kurz bevor wir eine Lösung finden konnten, hat eine weiblich gelesene Personin den Saal rufend gefragt, wer jetzt gerne Vorlesung hätte. Daraufhin haben sich die Maschinenbau Studierenden (zugegeben, vor allem Studenten) gemeldet, abgestimmt und gejubelt. Diese Form spiegelt ihr Demokratieverständnis hervorragend wieder. Als zu Beginn der Vorlesung ein Ende-Gelände Mobi-Video abgespielt wurde, gab es Beleidigungen und Aufforderungen, "die Fresse zu halten". Es gab Anfeindungen gegenüber den Besetzer*innen, mackriges Verhalten und toxische Männlichkeit in Reinform.

Als die Information die Runde machte, dass in dieser Woche wohl keine weiteren Vorlesungen im Audimax stattfinden würden, brachen einige Maschinenbau Studis tatsächlich in Tränen aus. Viel deutlicher kann mensch die eigene Unfreiheit kaum demonstrieren. Ihren Protest machten sie zum Ende deutlich, indem mehrere Transparente abgerissen wurden. Versuche, die Transparente zu klauen, waren zum Glück erfolglos.

Dass sich einige Menschen auch in größter Unfreiheit lieber mit den Umständen arrangieren und sie sogar gegen Widerstand mit physischer Gewalt verteidigen, ist nichts Neues und nicht verwunderlich. Dass dies sogar auf Studierende zutrifft, von denen zumindest ein kleines bisschen kritisches Denken erwartbar sein dürfte, erschreckt. ​​​​​​​

Eines möchten wir an dieser Stelle anmerken: Wir können die Wut und Verzweiflung der Maschinenbau Studierenden durchaus nachvollziehen. Gerade in einem Studiengang, in dem ein hohes Tempo vorgelegt wird und das Verstehen jeder Vorlesung wichtig ist, ist der Ausfall einer ganzen Woche wahrlich kein Grund zur Freude. Für die Professoren wäre es allerdings kein Mehraufwand, Folien und Vorlesung vorzubereiten und auf Opal zu veröffentlichen. Wäre der Wille da, gäb es keine Schwierigkeiten.

Der wahre Skandal ist nicht, dass der Saal besetzt ist und die Vorlesungen ausfallen, der Skandal ist der enorme Leistungsdruck und dass das Bildungswesen der kapitalistischen Verwertungslogik unterworfen ist. Der Logik, die so sehr wie nichts anderes für Klimawandel steht. Was bringt dir die Vorlesung Konstruktionslogik I, wenn die Klimakatastrophe kommt?

Eine erwartbar unrühmliche Rolle spielte im Zusammenhang der Besetzung auch der "Ring Christlich Demokratischer Studenten" (RCDS). Ihr Statement auf Facebook war so dermaßen absurd und weltfremd, dass wir es weder für nötig, noch für richtig befänden, darauf einzugehen. Einfach nur peinlich.​​​​​​​

Wir würden uns von unseren Kommiliton*innen wünschen, dass sie sich kritisch mit ihrer eigenen Haltung auseinandersetzen und ihre eigenen Privilegien, welche sie als Studierende besitzen, reflektieren. 

lg

Euer Prof. Dr. Antideutsch

Twitter: https://twitter.com/prof_dr_antid
Unter den Talaren - Muff von Patzelts Jahren.

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