[S] Vorfeldaktion zum Tag gegen Gewalt an Frauen

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Plakat

Anlässlich des 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, haben wir Aktionen in den Stuttgarter U-Bahnen durchgeführt. Damit sollte auf den sexistischen Spießrutenlauf, den Frauen* tagtäglich bestreiten müssen um sicher nach Hause zu kommen, aufmerksam gemacht werden.

Zudem wurde für die Demonstration am Tag gegen Gewalt an Frauen geworben. Diese beginnt am 25. November 2019 ab 17.00 Uhr mit einer Kundgebung auf dem Rotebühlplatz in der Stuttgarter Innenstadt.

An verschiedenen U-Bahn-Haltestellen, die nachts viel als Um- und Aussteigeorte frequentiert werden sowie zentrale Nachtbushaltestellen, wurden Plakate verhängt. Diese zeigen Verhaltenstipps, die Frauen angeblich sicher durch die Nacht und nach Hause bringen sollen. Sicher kennen viele von uns diese Ratschläge wie „Meide nachts „unsichere“ Orte wie Parks oder dunkle Straßen“ und „Trage deinen Schlüssel in der Faust um ihn jederzeit als Waffe parat zu haben“. Wir haben uns in der Stadt mit der Bahn fortbewegt und dort Flyer ausgelegt und an Frauen verteilt.

Mit solchen Verhaltenstipps wird Frauen suggeriert, dass Sie sich ständig an Regeln und Vorsichtsmaßnahmen halten müssten, um für die eigene Sicherheit zu sorgen. Sie seien schon allein deshalb gefährdet weil sie sich als Frauen nachts auf der Straße bewegen! Doch warum ist das so und warum sind angeblich nur Frauen davon betroffen?

Im Folgenden der Aufruf des Frauenkollektiv Stuttgart dazu:

Verhaltenstipps für Frauen*:
- Meide nachts „unsichere“ Orte wie Parks oder dunkle Straßen
- Meide öffentliche Verkehrsmittel, ruf dir ein Taxi um sicher zu sein

Musst du doch Bahn fahren:
- Stelle dich nachts an der Haltestelle in die Nähe von anderen Frauen
- Setze dich im Bus oder der Bahn in die Nähe des Fahrers oder des Securitypersonals
- Trage deinen Schlüssel in der Faust um ihn jederzeit als Waffe parat zu haben
- Schicke Nachrichten an deine Freund*innen, wenn du sicher zu Hause angekommen bist

Aber warum gibt es solche Regeln nur für Frauen*?
Welches Mädchen und welche Frau* kennt sie nicht, diese gutgemeinten Ratschläge und die vielen anderen Benimmregeln, die in dieselbe Kerbe schlagen? Seit unserer Kindheit sind sie Teil unserer Erziehung, von den Eltern, in der Schule und den Medien werden sie an uns herangetragen und beständig wiederholt. Wir alle haben diese Schutzmaßnahmen verinnerlicht und wenden sie, bewusst oder unbewusst, an. Handlungen, die der eigenen Sicherheit und Absicherung gelten, hat jede Frau in ihren Alltag integriert: „Habe ich genügend Geld dabei, um mir ein Taxi rufen zu können? Mit wem gehe ich feiern und wie komme ich nach Hause? Trage ich die Pumps auch auf dem Heimweg oder doch lieber Sneakers zum Wechseln einpacken?“ Das Leben der Frauen ist bestimmt von Überlegungen dieser Art, die Aufgabe ist, auf alles vorbereitet zu sein um etwas Schlimmes zu verhindern. Die unterschwellige Botschaft, die sich hinter allen Tipps und Gedankengängen lauert ist: Frauen* müssen immer verteidigungsbereit sein und wissen, wie sie sich gegen aufdringliche Männer zu schützen haben. Alleine das „Frausein“ reicht aus, um Übergriffe zu rechtfertigen, es liegt bei den Opfern, sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Für den öffentlichen Raum gibt es viele solcher Verhaltensregeln, denn im gesellschaftlichen Bewusstsein besteht hier die größte Gefahr für Frauen. Jedoch über Gewalt innerhalb der eigenen vier Wände wird kaum gesprochen, Statistiken aber zeigen: Der Großteil der Übergriffe auf Frauen findet zu Hause statt. Eine Studie des Bundesinnenministeriums besagt, dass jede vierte Frau in ihrem Leben einmal körperlicher oder sexualisierter Gewalt innerhalb ihrer Partnerschaft ausgesetzt ist. Häusliche Gewalt zieht sich entgegen sämtlicher Vorurteile durch alle Gesellschaftsschichten und Kulturkreise. Gewalt gegen Frauen ist so alltäglich, dass sie nicht nur nicht bekämpft wird, sondern viel schlimmer, meist nicht einmal Beachtung findet. Den Weg in die Berichterstattung der Medien schaffen nur die ungeheuerlichsten Angriffe, die die Menschen wenigstens kurz schockieren.

Doch warum ist das so?
Eltern wollen durch diese Tipps ihre Kinder schützen und doch zeigt sich dadurch bei näherer Betrachtung ein erschreckendes Bild unserer Gesellschaft. Auch im vermeintlich so emanzipierten Deutschland sind Frauen tagtäglich mit physischer oder psychischer Gewalt konfrontiert. Die Täter stammen häufig aus der eigenen Familie, dem Freundes- oder Kollegenkreis. Das Problem ist aber nicht, dass von vermeintlichen Einzeltätern, die „sich nicht beherrschen können“, Gewalt ausgeht. Gewalt gegen Frauen ist strukturell - durch tatsächliche Angriffe, sexuelle Übergriffe oder bloße Androhung von Gewalt werden Frauen unterworfen und klein gehalten. Die Täter sind geschützt durch das kollektive Wegsehen der Gesellschaft und ihre Machtposition im Beruf oder der Familie. Das Patriarchat, in dem wir leben, basiert auf diesem System der Macht und Abhängigkeit und den festgeschriebenen Rollenbildern der Geschlechter. Frauen gelten als Opfer, sie werden als defensiv und schwach angesehen, der Mann dagegen als dominant, überlegen und aggressiv. Die Herrschaft der Männer, die damit verbundene untergeordnete Rolle der Frau und die permanente gewaltvolle Unterdrückung sind so gegenwärtig, dass sie meist als naturgegeben hingenommen werden.

Doch um die Befreiung der Frau zu erreichen, ist es nötig, das Patriarchat zu bekämpfen und die damit einhergehenden Rollenklischees aufzubrechen. Gelingen kann der Wandel hin zu einer gleichberechtigten Gesellschaft nur, wenn Frauen gemeinsam kämpfen, egal ob im eigenen Stadtteil, landesweit oder international. Trefft und organisiert euch mit anderen Frauen, denn gemeinsam sind wir stark. Unsere Forderung nach einem Leben ohne Gewalt und Unterdrückung werden wir auch am diesjährigen „Tag gegen Gewalt an Frauen“ auf die Straße tragen. Solidarisch mit der feministischen Bewegung weltweit, demonstrieren wir gegen Diskriminierung, Sexismus und für ein Leben emanzipiertes Leben. Beteiligt euch an der Demonstration und steht gemeinsam mit vielen anderen ein für die Rechte der Frauen.

Frauen, die kämpfen, sind Frauen, die leben!

Erläuterung: Unter Frauen* verstehen wir Personen, die sich als Frau* definieren und/oder von der Gesellschaft als Frau gelesen werden und somit ähnliche Erfahrungen machen wie Frauen

Weitere Informationen findet ihr hier:
https://frauenbuendnisstuttgart.wordpress.com/
https://de-de.facebook.com/permalink.php?story_fbid=2400977206835590&id=...

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