Klimawandel: Nicht nur wärmer, sondern auch rauher

 

Dass das Verfahren gegen Fabian Kienert von Radio Dreyeckland (Freiburg) nicht nur in Sachen Presse- und Meinungsfreiheit Relevanz hat, sondern dar­über hinaus auch Fragen über die staatspolitische Entwicklung aufwirft, soll­te zumindest für alle, die das Verfahren zur Kenntnis nehmen, erkennbar sein. So warf ein Moderator des Hamburger Freien Senderkombinats (FSK) in einem Interview im vergangenen Jahr die Frage auf, ob wir es im Zusam­menhang mit dem Kienert-Verfahren mit einen ‚Kampf zweier Linien‘ im Staatsapparat zu tun haben. Die interviewte Person wiegelte damals eher ab [1]; ich selbst war mir auch nicht sicher, aber fand schon gut, dass die Frage überhaupt gestellt wurde.

 

Mittlerweile...

 

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1 https://www.freie-radios.net/122165 (Min. 19:50 ff.: „Gibt es einen Kampf innerhalb der In­stitutionen – einen Linienkampf sozusagen?“ / „Also – einen richtigen Linienkampf würde ich im Moment nicht sagen.“ [wird weiter ausgeführt])

Vgl. jetzt auch: https://www.scharf-links.de/news/detail-topnews/neuer-autoritarismus-oder-leidlich-funktionierende-gesetzesbindung-der-justiz und https://kontrapolis.info/12970/.

 

 

 

...

komme ich immer mehr dazu, dass es eine autoritäre Staatsfrak­tion gibt (aber mehr in den unteren und mittleren Chargen), die sich aber nicht aus der Stärke der „linken Gefahr“ (um die es ja eher schlecht bestellt ist) erklären lässt, sondern den Schwung der zunächst neoliberalen – inzwi­schen auch rechtspopulistischen – Welle ausnutzen will, um das politische Kli­ma noch weiter nach rechts zu verschieben.

 

 

Erster Verhandlungstag: Donnerstag, den 18.04.2020

 

 

Christian Rath berichtete in der taz vom 18.04.2020:

„Am Landgericht Karlsruhe beginnt heute der Prozess gegen Fabian Kienert. Der Redakteur des Freiburger Alternativsenders Radio (RDL) soll durch den bloßen Internetlink die Fortführung einer verbotenen Vereini­gung unterstützt haben. […]. Kienert hatte im Juli 2022 auf der RDL-Web­seite einen Artikel veröffentlicht, in dem es um die seit 2017 verbotene linksradikale Agitations-Plattform linksunten.indymedia ging. Der Text en­det mit dem lapidaren Satz: ‚Im Internet findet sich linksunten.indyme­dia.org als Archivseite.‘ Dabei war die Archivseite auch verlinkt. Wegen dieses Links hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe bereits im April 2023 Anklage gegen Kienert erhoben. Er habe durch den Link die Fortführung der verbotenen Vereinigung linksunten.indymedia unterstützt, was laut Paragraf 85 des Strafgesetzbuches strafbar ist. Kienert drohen laut Ge­setz bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe.“

(https://taz.de/Radio-Redakteur-vor-Gericht/!6001960)

 

 

Peter Nowak ergänzte am 28.04.2024:

„beim ersten Prozesstag am 18. April [fand …] eine Solidaritätsdemons­tration für Kienert [… statt]. ‚Pressefreiheit statt Polizeistaat‘ und ‚Solida­rität ist nie offline‘ lauteten einige der Parolen. Der letzte Spruch bezog sich auf den Gegenstand der Anklage gegen Kienert. […]. In dem Artikel berichtet Kienert über die Einstellung aller Verfahren gegen die Personen, denen die Generalbundesanwalt vorgeworfen hat, für den in der Verbots­verfügung konstruierten Verein Indymedia-Linksunten verantwortlich zu sein. Der für das Verfahren verantwortliche Richter Axel Heim wolle den Prozess gar nicht führen. Seine Kammer hatte Kienert bescheinigt, dass er mit dem Artikel und dem Setzen des Links nur seiner journalistischen Informationspflicht nachgekommen ist. Nachdem die Staatsanwaltschaft in Berufung gegangen ist, bekam sie in der nächsten Instanz Recht und der Prozess musste eröffnet werden.“

(https://taz.de/Prozess-Radio-Dreyeckland/!6004964)

 

 

Im nd berichtete Mathias Monroy unter anderem:

„Nach der Eröffnung des Prozesses hat die Verteidigung des Angeklagten am Donnerstagmorgen ihre Sicht auf die Ermittlungen und das Verfahren dargelegt. […]. Anschließend wurde der Einstellungsbeschluss zu dem 129er [1]-Verfahren verlesen, den Kienert vermeldet hatte und der über­haupt erst zu den Ermittlungen führte.

Dabei bestätigte das Gericht, dass ein AfD-Politiker den Verdacht der Bil­dung einer kriminellen Vereinigung mit einer Anzeige ins Rollen gebracht hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte anschließend die Bundesanwaltschaft um Übernahme der Ermittlungen gefragt, diese habe jedoch wegen feh­lender Zuständigkeit abgelehnt und erklärt, ‚Linksunten‘ sei nicht staats­gefährdend genug.“

(https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181561.prozess-in-karlsruhe-ist-das-archiv-von-linksunten-ein-verbotenes-denkmal.html)

 

Ebenfalls Teil des ersten Prozesstages war die Verlesung der Verfügung der Karlsruher Staatsanwaltschaft, mit der sie 2022 das alte (§ 129 StGB-)Ermitt­lungsverfahren gegen angebliche Mitglieder des BetreiberInnenkreises ein­gestellt hatte. Dazu berichtete Minh Schredle von der Wochenzeitung Kon­text:

„Voraussetzung für die Einstufung als kriminelle Vereinigung wäre, dass die Begehung von Straftaten der prägende Zweck des Personenzusam­menschlusses ist. Die Staatsanwaltschaft hatte zwar keine Zweifel, dass es auf der Seite ‚linksunten.indymedia‘ strafrechtlich relevante Inhalte gab. Aber ob diese ‚qualitativ und quantitativ‘ so dominant waren, dass davon ausgegangen werden kann, das Ziel der Vereinigung bestehe pri­mär in der Begehung von Straftaten, sei ‚nicht abschließend festzustellen‘.“

(https://blogs.taz.de/theorie-praxis/linksunten-indymedia-nur-zu-0135-kriminell/)

 

Außerdem sagte Schredle:

„Der Generalbundesanwalt gab [in einer Entschließung, die in der Einstel­lungsverfügung zitiert wurde] auch eine Einschätzung ab, ob die verdäch­tigten Personen als terroristische Vereinigung nach § 129a angesehen werden könnten. Aber er sah keine zureichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.“

(ebd.)

 

 

Zweiter Prozesstag: Dienstag, den 23.04.2024

 

 

Über den zweiten Prozesstag berichtete Peter Nowak, dass

„die Bloggerin Detlef Georgia Schulze [als Zeuge/in erklärte], das[s] für das Erstellen des Archivs außer einigen technischen Kenntnissen keine In­siderinformationen erforderlich seien. Auch sie hat das Indymedia-Linksunten-Archiv heruntergeladen. Auch gegen Georgia Schulze wurde ein Ermittlungsverfahrens eingeleitet.“

(https://taz.de/Prozess-Radio-Dreyeckland/!6004964)

 

Über dieses Ermittlungsverfahren berichtete Schulze am 02.05.2022 bei Twittter, das mittlerweile X heißt, aber weiterhin unter der alten URL er­reichbar ist:

„Eigentlich soll ich seit 10 h beim Landeskriminalamt Berlin sitzen, um mich f[ür] einen Teil meiner Pressetätigkeit zu rechtfertigen bzw. – wie d. LKA sicherl. vorziehen würde – schuldbewußt zu Kreuze zu kriechen. Ich zog vor, Folgendes mitzuteilen: [… es folgt ein vierseitiger Offener Brief ans LKA Berlin, in dem Schulze beanspruchte, seine/ihre Spiegelung des linksunten-Archivs sei völlig legal gewesen – sicherlich nicht eine gerade szene-übliche Reaktion auf ein staatliches Ermittlungsverfahren].“

(https://twitter.com/TaP_Theorie/status/1521404091804626944)

 

 

Im weiteren Verlauf des zweiten Prozesstages ging es unter anderem um Ar­tikel von anderen JournalistInnen, in denen das linksunten-Archiv ebenfalls verlinkt worden ist. Beispielsweise wurde ein taz-Artikel von Peter Nowak den Beteiligten und dem Publikum auf einem großen Bildschirm präsentiert: Auch dort ist – wie auf dem Foto zu Kienerts Artikel – die Parole „Wir sind alle linksunten“ zu sehen. Weitere Beispiele wurden bereits dort:

 

https://de.indymedia.org/sites/default/files/2024/04/Presseschau_RDL_Tag_1_bis_3___FINAL.pdf

 

auf Seite 20 unten und Folge-Seite genannt.

 

 

Dritter Prozesstag: Mittwoch den 24.04.2024

 

 

Am dritten Prozesstag – sagten drei Polizeizeugen aus: zwei baden-württem­bergische LKA-Beamte und ein Staatsschutz-Beamter aus Freiburg.

 

 

Auf der Webseite Soliwelle Dreyeckland heißt zur Aussagen des zuerst ge­nannten Zeugen:

„Seine Zusammenfassung der seit dem Verbot begonnenen Ermittlungen ergab: Hinweise auf eine aktive Fortführung des ‚Vereins‘ gibt es nicht. Die Rote Hilfe Kiel habe ein ähnliches Logo in anderer Farbe auf einem Flyer verwendet und es habe vereinzelte Aufrufe zur Erstellung eines Ar­chivs der verbotenen Plattform gegeben. Viel brisanter wurde es nicht. Auf Nachfrage von Verteidigerin Furmaniak fasste der Polizist die Bilanz so zusammen: Es habe unterschiedliche Verfahren aber weder Erkenntnis­se noch Ergebnisse gegeben.“

(https://rdlsoli.noblogs.org/post/2024/04/28/prozessbericht-tag-3/)

 

Die Aussage des zweiten Zeugen wird folgendermaßen dargestellt:

„Auch die Befragung dieses Zeugen förderte keine Hinweise auf eine Fort­existenz des ‚Vereins‘ hinter linksunten zutage. Denn sein Bericht fiel kurz aus: Die Auswertung (auch der leeren und ungenutzten!) digitalen Geräte, die bei den Beschuldigten im Rahmen einer neuerlichen Durchsuchung im August 2023 beschlagnahmt worden waren, dauere noch an. Es gebe noch gar keine Erkenntnisse.“

 

Zu dem dritten Zeugen wird auf der Webseite ausgeführt, dass dieser unter anderem auch

„zu den Inhalten der Website [linksunten.indymedia] befragt [wurde]: Es habe täglich mehrere Dutzende neue Artikel gegeben. Im niedrigen straf­rechtlichen Bereich relevant sei nur ein geringer Bruchteil gewesen. Er könne sich an kein einziges Delikt erinnern, bei dem er wegen der Schwe­re von Amts wegen hätte ermitteln müssen. Die wenigen erfolglosen Ver­fahren seien hauptsächlich durch Strafanträge aus dem Burschenschafts-Milieu wegen Beleidigung ausgelöst worden.

Der Vorsitzende wollte Kurz dann zur ‚alten Vereinigung‘ befragen, um im Anschluss herauszufinden, ob diese möglicherweise (teil)identisch fortbe­stehe. Doch Kurz antwortete mit dem bemerkenswerten Satz (sinnge­mäß): ‚Linksunten war ja kein Verein, das kam erst später mit der Verbots­verfügung.‘ Er wisse von ein paar Gründungstreffen[,] aber linksunten sei von ihm niemals als Gebilde beobachtet worden. Bis 2023 seien ihm die Namen der fünf Adressaten der Verbotsverfügung mit einer Ausnahme un­bekannt gewesen. Außer dem Upload der Archivseite habe er auch keiner­lei Erkenntnisse zu einer möglichen weiteren Betätigung. Es gebe keine weiteren Anhaltspunkte für eine Fortexistenz, auch nicht im Internet. Er halte es für ‚durchaus realistisch‘, dass das Archiv von jemand Drittem hochgeladen worden sei. Er gehe aufgrund des in der Szene üblichen An­tikapitalismus (anders als das OLG) nicht davon aus, dass der Betrieb der Website relevante Kosten verursache.“

 

 

Vierter Prozesstag: Montag, den 29.04.2024

 

 

Zum vierten Verhandlungstag äußerte David Werdermann (Gesellschaft für Freiheitsrechte) im Telefoninterview mit Radio Dreyeckland:

„Inhaltlich ging es […] um die technischen Details dieser Archivseite. Es wurde ein sachverständiger Zeuge vom LKA – wurde vernommen am An­fang. Der hat versucht so ein bisschen zu erklären: Was ist zum Betreiben einer Webseite nötig? Und wer hat da sozusagen welche Möglichkeiten, die Seite zu verändern oder auch zu gestalten? Aber die meiste Zeit hat […] der Gerichts-Sachverständige vom Fraunhofer-Institut […] geredet. […]. Man muss dann aber sagen: […] Man weiß weder etwas darüber, wie die ursprüngliche Nachrichtenseite abgeschaltet wurde oder wie es dazu kam, dass die abgeschaltet wurde; noch weiß man etwas darüber, wie die Archivseite dann zustande kam.“

(https://rdl.de/beitrag/das-gericht-ist-immernoch-auf-der-suche-nach-der-vereinigung-indymedia-linksunten-kommt, ab Min. 3:19)

„Also was man weiss – bei der Abschaltung… – da wurde auch noch ein Vermerk oder eine E-Mail des Bundesinnenministeriums verlesen, dass das Bundesinnenministeriums das wohl nicht wahr“.

(ebd., ab Min. 4:47)

Das wäre dann ein Indiz dafür, dass sich die GenossInnen linksunten-Betrei­berInnen dem Verbot gebeugt haben und der alte BetreiberInnenkreis nicht mehr existiert.[2]

 

„Ähnlich verhält es sich bei der Frage: Wie ist diese Archivseite zustande gekommen? […]. Ob das jetzt irgendeine Privatperson war, die zum Bei­spiel permanent die Seite linksunten.indymedia gescrabt (? [3]) hat und aus diesen Daten dann das Archiv erstellt hat oder ob es da irgendwie eine Art von Datenspende gab – ob also z.B. Webseiten-AdministratorInnen oder auch Webserver-AdministratorInnen – diese Daten einmal gesichert haben und dann anderen Leuten gegeben haben oder ähnliches – das ist halt alles … – das kann man alles nicht feststellen.“

(ebd., ab Min. 5:20; die kursive Hervorhebung ist im gesprochenen Wort­laut deutlich als Betonung zu hören; vgl. zum Begriff „Datenspende“ im vorliegenden Zusammenhang: junge Welt vom 27.12.2023 und untergrundblättle vom 30.04.2024)

 

 

David Werdermann schätzt den ganzen Aufwand, der betrieben wird, als „ab­surd“ ein (Min. 6:36). Er unterschätzt aber meines Erachtens damit, dass der Prüfgegenstand die Frage ist, ob der Betreiberkreis („Verein“) zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch existierte (und dann könnte auch die Verlinkung zum Archiv eine Straftat sein). Und diese Frage ist nicht so offensichtlich zu beantworten wie, ob der Artikel eigentlich (also ohne den Kontext des links­unten-Verbotes) harmlos war oder nicht. Die juristischen Feinheiten entzie­hen sich eben häufig der Alltagswahrnehmung (und das ist das kafkaesk „ab­surde“), aber genau darin besteht auch ihre (politische) „Gefährlichkeit“. Es ist aber billig, dagegen (populistisch) Stimmung zu machen, wenn es an der eigentlichen juristischen Problemstellung vorbei geht. (Es ist merkwürdig, dass ich als politischer Aktivist dieses Argument gegen einen Juristen gel­tend mache, der es eigentlich wissen sollte.) Solche populistische Stim­mungsmache hat mal wieder die Tendenz, den Komplex „linksunten-Verbot“ auf eine zu leichte Schulter zu nehmen (siehe dazu bereits: Zu einigen ver­harmlosenden Reaktionen auf die neuen Durchsuchungen bei vermeintlichen Mitgliedern des BetreiberInnenkreises von linksunten.indymedia; de.indymedia vom 13.08.2023).

 

D.W. bleibt aber bei seiner Argumentation, dass der Artikel unter die Freiheit der Berichterstattung fällt (Min. ~ 6:54), was im Grundsatz nicht verkehrt ist, und hält daher diese ganzen „technischen Details“ (ob die „Vereinigung“ existiert hat oder immer noch existiert) eigentlich für unnötig. Aber diese ganzen technischen Details sind für das Kienert-Verfahren deshalb wichtig, weil es unter anderem darauf ankommt, ob bestimmte Veränderungen auf der Webseite zu bestimmten Zeitpunkten darauf hindeuten, daß der alte Be­treiberInnenkreis zu diesen ‚Änderungs-Zeitpunkten‘ und auch bei Erschei­nen von Kienerts Artikel noch existierte oder sich vielmehr dem Verbot ge­beugt und aufgelöst hat. Dies wiederum ist deshalb wichtig, weil nur der alte BetreiberInnenkreis verboten ist [4] und folglich nur dessen Unterstützung strafbar ist. „Wenn es aber keine Hinweise für die Fortführung der Vereini­gung linksunten.indymedia gibt, dann kann sie auch nicht unterstützt wer­den, schon gar nicht mit einem bloßen Link“, so Christian Rath in seinem schon eingangs genannten taz-Artikel. Bleibt noch zu ergänzen, dass es eine Vereinigung mit dem Namen linksunten.indymedia nie gab, sondern aus­schließlich eine open posting-Plattform mit diesem Namen – die war zwar klasse; aber deren BetreiberInnengruppe war das Independent Media Center (IMC) Linksunten – und nicht eine „Vereinigung ‚linksunten.indymedia‘“.

 

 

Fünfter Prozesstag: Dienstag, den 30.04.2024

 

 

Über den fünften Verhandlungstag heißt es bei Radio Dreyeckland:

„Zunächst trat ein Gutachter auf, der u. a. darlegte, dass das Internetar­chiv mit alten Beiträgen von linksunten.indymedia keiner ständigen akti­ven Betreuung bedurfte, also auch keiner Gruppe von Personen, die da weiter gegen die Verbotsverfügung gegen die als Verein gehandelte An­onyme Betreiber*innengruppe von linksunten.indymedia verstoßen hätte.“

(https://rdl.de/beitrag/staatsanwalt-sucht-weiter-nach-kontakten-zu-angeblichen-ehemaligen-mitgliedern-des)

 

Des weiteren berichtet der Sender über den fünften Tag:

„Ferner hat der Staatsanwalt mittlerweile weitere Beiträge bei Radio Dreyeckland gesammelt, die eine Verlinkung auf linksunten.indymedia enthielten. Relevanz für das Verfahren auch hier reichlich unklar.“

 

Es folgen mindestens noch zwei Prozesstage: am Dienstag, den 14. und Donnerstag, den 16.05.2024.

 

 

Vorläufige politische Einschätzung

 

 

Obwohl nach Stand des Prozesses ein Freispruch durchaus naheliegend er­scheint, zeigt der ganze Komplex um das „linksunten-Verbot“ eine Verschie­bung des dominanten politischen Lagers vom „liberalen Rechtsstaat“ (der al­lerdings seine Prägung durch das Ausbleiben auch nur einer bürgerlichen Revolution [5] in Deutschland nie ablegen konnte [und will]) zu einem Hang zum autoritären „starken Staat“, der sicherlich auch auf den gewachsenen Einfluss des rechten Populismus (siehe z.B. die Strafanzeige durch einen AfD-Abgeordneten am Anfang der ganzen Entwicklung) zurückzuführen ist. Allein schon, dass es überhaupt zu dem Strafverfahren gegen Kienert kam, ist meines Erachtens eine bedenkliche Entwicklung. Das politische Klima war für Linke in Deutschland noch nie einfach, aber mein Gefühl sagt mir: Es ist rauher geworden!

 

 


 

 

1 Gemeint ist § 129 StGB über die Bildung Krimineller Vereinigungen.

 

2 Alternativ kommt auch noch in Betracht, dass der Hoster von linksunten (nach Pressebe­richten soll es OVH gewesen sein), die alten linksunten-Artikel offline genommen hat. Aber auch nachdem die Adresse – ebenfalls laut Medienberichten – von wem auch immer (Dem al­ten BetreiberInnenkreis? Neuen Leuten? Oder – z.B. als provisorische Maßnahme – von den­jenigen, die die Domain indymedia.org verwalten?) auf einen kanadischen Server umzogen wurde, wurden die alten Artikel ja aber jahrelang nicht wieder zur Verfügung gestellt. Erst Anfang 2020 erfolgt die Archivveröffentlichung – durch welche Person oder welche Personen auch immer (vgl. dazu: https://twitter.com/TaP_Theorie/status/1786399358063137261) und auf welchem Server auch immer (dem besagten kanadischen Server oder noch einem ande­ren Server?).

„Ab Freitagmittag [25.08.2017] war linksunten.indymedia.org nicht mehr erreichbar, beim Aufruf erschien die Meldung ‚Wir sind zur Zeit offline…‘. Die Webseite ist eine Subdomain von indymedia.org und wurde bislang beim französischen Provider OVH gehostet. Nach dem Verbot zog Linksunten laut Medienberichten auf Server in Kanada um. Am Samstagmorgen posteten Unbekannte auf der Seite die Ankündigung ‚Wir sind bald wieder zurück‘. […]. Dar­unter folgten eine Fotomontage mit Barbra Streisand und Auszüge der 1996 von John Perry Barlow geschriebenen ‚Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace‘. […]. Offenbar wird an der Webseite weiter gearbeitet. Das Manifest findet sich derzeit nicht mehr, sondern wieder ‚Wir sind zur Zeit offline…‘.“ (netzpolitik.org vom 26.08.2017)

Der Link bei „laut Medienberichten“ führt zu einem Artikel der Märkischen Allgemeinen, der dort nicht mehr online ist; bei archive.org gibt es ihn aber noch: https://web.archive.org/web/20170826203254/http://www.maz-online.de/Nachrichten/Medien/Netzwelt/linksunten.indymedia-wieder-im-Netz.

 

3 Wohl zu engl. scrabble = u.a. nach etwas greifen; hier anscheinend: Die Datei auf Webseite ‚abgreifen‘; auf den eigenen Rechner herunterladen.

 

4 „Regelungsgegenstand des Verbotsbescheids ist nicht das Verbot des unter der Internet­adresse ‚http://linksunten.indymedia.org‘ betriebenen Veröffentlichungs- und Diskussions­portals, sondern das Verbot des dahinter stehenden Personenzusammenschlusses ‚linksun­ten.indymedia‘ als Organisation“. (Urteil vom 29.01.2020 zum Aktenzeichen 6 A 1.19; (https://www.bverwg.de/de/290120U6A1.19.0, Textziffer 33)

 

5 Die bürgerliche Revolution von 1848 scheiterte bekanntlich; die vor allem von Lohnabhän­gigen getragenen November-Revolution 1918 zeigte bloß das bürgerliche Ergebnis der Ab­schaffung der Monarchie und einer Parlamentarisierung des politischen Systems.

 

 

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Ergänzungen

 

In dem Artikel heißt es: "Im weiteren Verlauf des zweiten Prozesstages ging es unter anderem um Ar­tikel von anderen JournalistInnen, in denen das linksunten-Archiv ebenfalls verlinkt worden ist." -

 

Ich habe versucht, dieses Phänomen mit einer kleinen - oder vielmehr: ziemlich großen - Synopse anschaulich zu machen:

 

https://archive.org/download/verlinkungs-artikel-synopse-gedreht/Verlink...

 

Spalten und Zeilen umgekehrt angeordnet (ich konnte mich nicht entschieden, welche Variante wohl übersichtlicher ist):

 

https://archive.org/download/verlinkungs-artikel-synopse/Verlinkungs-Art....

 

Die Bilder gibt es als .pdf-Dateien dort: https://blogs.taz.de/theorie-praxis/schiesst-sich-jetzt-die-karlsruher-s.... (Die Bilder sind über 5 MB groß; die .pdf-Dateien kleiner als 1,5 MB.)