25 Jahre Farbbeutel auf Kriegsaußenminster Fischer – Gegen jeden Krieg

Ein blutroter Farbbeutel trifft den Außenminister Fischer

Gestern gepostet, von Kriegsbefürwortern gelöscht:

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Jetzt nochmal:

 

Christi Himmelfahrt“ fällt diese Jahr auf den 9.Mai. Für uns ein Feiertag, weil sich am Himmelfahrtstag der Farbbeutelwurf auf den grünen Kriegsaußenminister jährt anlässlich deutscher Kriegsbeteiligung gegen Ex-Jugoslawien. Im Jahr 1999 auf dem Sonderparteitag der Grünen Partei markierte ein roter Farbbeutel Fischer mit voller Wucht als Verantwortlichen für Krieg, Mord und Vertreibung.

 

Anlass das 25-jährige Jubiläum der spektakulären Aktion noch einmal zu würdigen.

 

Viele der Gründe für die Aktion, die in der unten stehenden Prozesserklärung zu der Farbattacke stehen, sind nach wie vor aktuell.

 

Einige Parallelen zur heutigen Zeit machen den Blick zurück sinnvoll. Der Blick zurück ist mehr als nur ein Erinnern, denn mit diesem vergangenen und fast vergessenen Krieg wurden 1999 die Weichen gestellt, die in neue Kriege führtenund in Zukunft noch führen werden.

 

Hier und jetzt sollten wir weiter an einem grundsätzlichen Antimilitarismus arbeiten um zukünftigen Kriegen etwas entgegen setzen zu können.

 

 

 

 

 

Damals waren die Grünen ein maßgeblicher Faktor, um die Zustimmung einer linken, eher kritisch eingestellten Öffentlichkeit an einen bellizistischen Kurs zu binden. Die Grünen zelebrierten sich als „zerrissene“ Partei, die vorgab, stellvertretend für die Gesellschaft eine selbstkritische Auseinandersetzung mit sich und ihren Werten zu führen. In Wahrheit betrieben sie eine Legitimierung von Krieg und dessen Logik. Die pseudokritische Auseinandersetzung auf dem grünen Parteitag wurde zu einem Kristallisationspunktfür die internationale Presse, die sich ein „Ja“ oder „Nein“ zum Krieg erhoffte.

 

Dabei lief der Krieg unter deutscher Beteiligung bereits seit über 40 Tagen mit bis zu 120 Bombenabwürfen täglich, auch mit deutschen Tornadobombern. Und Außenminister Fischer und die gesamte Regierungsriege der Grünen erklärten sowieso, dass sie ein „Nein“ der Basis zum Krieg nicht mittragen würden.

 

Somit war das Ergebnis klar. Der Parteitag war nur das Mittel zum Zweck, die Basis zu disziplinieren und die Regierungsbeteiligung unter Fischer ohne größere Reibung und Abgänge durchzusetzen. Die opportunistischen, machtsüchtigen Grünen, die schon zuvor viele Grundsätze über Bord geworfen hatten, folgten erwartungsgemäß der Regierungslinie. Man war halt „so zerrissen“.

 

Aus der Sicht autonomer Gruppen und des antimilitaristischen Widerstands gab es nichts mehr zu verhandeln. Der Kriegsparteitag sollte gekippt werden. Aus dieser Position heraus wurde Fischer mit voller Wucht vor laufender Kamera und massenhaft vertretener internationaler Presse von einem Farbbeutel getroffen. Noch bevor der Parteitag seine Farce beginnen konnte. Der sichtlich getroffene Fischer erinnerte sich in diesem Augenblick sicher seiner revolutionären Vergangenheit als Macho: Er stand nun wirklich auf der anderen Seite, während die Frauen um ihn herum versuchten, die blutrote Farbe wegzuwischen. Bis heute versucht Fischer Einfluss auf das Bild zu nehmen, das ihn fürs Leben blutrot markierte.

 

Im Rückblick: Es gab die polarisierten Positionen, die Kriegsverhältnissenimmer eingeschrieben sind. In Kriegszeiten gibt es nur ein „entweder / oder“, sprich: „Freund / Feind“ - Denken. Positionen, die sich „Gegen jeden Krieg“ stellten, wurden ebenso unsichtbar gemacht, wie heute in Bezug auf den Angriffskrieg Russland – Ukraine.

 

Damals stimmten die Reste sogenannter Antiimperalist*innen und viele Kommunist*innen dem Milosevic-Regime zu und legitimierten den nationalistischen Krieg Serbiens und deren Verbrechen gegen den Kosovo als Verteidigung eines sozialistischen Landes gegen die NATO. Das führte zu absurden Situationen, in denen Antiimperalist*innen die Unterstützung von serbischen Deserteuren allen Ernstes als Verrat bezeichneten. Viele serbische junge Männer entzogen sich dem Krieg und wollten sich nicht für eine mörderische und nationalistische Mobilmachung hergeben (Wie auch heute: Ungefähr 650.000 Militärverweigerer aus der Ukraine und mehrere hunderttausend Männer aus Russland flohen bisher in die EU oder andere Länder, um nicht an die Front zu müssen).

 

Die Polarisierungen heute in Bezug auf die Ukraine und Russland scheinen sehr ähnlich: Wieder verklären Reste ehemaliger Antiimperalist*innen, junge Kommunist*innen und kommunistische Parteien und Sekten den Angriff Russlands auf die Ukraine als „Verteidigungsmaßnahme gegen die Umzingelung durch die NATO“.

 

Und wieder sind auf der anderen Seite die deutschen Grünen hier die größten Kriegsbefürworter*innen. Auf der Seite der Ukraine stehend, ist der Grüne Hofreiter zur Panzerhaubitze mutiert. Fischer, längst entkoppelt von grüner Geschichte, zwischendurch Lobbyist für Siemens, RWE und andere Konzerne, fordert heute die Einführung der Wehrpflicht.

 

Die Grünen und viele Linken verteidigten den ersten Krieg mit direkter deutscher Beteiligung seit 1945mit dem Argument,u.a. einen „neuen Hitler“ verhindern zu wollen. Die Lehre aus dem deutschen Faschismus zwang Deutschland geradezu Krieg zu führen um Hitler und denlaufenden Genozid zu verhindern. So wurde wirklich argumentiert. Fischer legitimierte den Krieg gegen Serbien sogar mit Auschwitz,um damit seine politischen Ziele durchzusetzen: „Ich stehe auf zwei Grundsätzen, nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus. Beides gehört bei mir zusammen.“Nur hieß „Nie wieder Auschwitz“ jetzt, Krieg zub führen, um Auschwitz zu verhindern. Der deutsche Waffengang wurde mit der Verdrehung der Geschichte gesegnet. Die Kritik von Jüd*innen an der Instrumentalisierung des Holocaust für die deutsche Kriegspolitik ignorierte er.

 

Die Parallelen zu heute in Hinblickauf die Unterstützung der israelischen Politik und der israelischen Armee stehen zur Diskussion. Mit der erklärten „Staatsräson“ Deutschlands gegenüber Israel werden die Massaker an der Zivilbevölkerung im Gaza und die Hungerpolitik der israelischen Regierung als „Selbstverteidigung“ mitgetragen. Die Solidarität mit Israel ist von deutscher Seite bedingungslos und behauptet die Lehre aus dem deutschen Faschismus zu sein. Die Morde, Vergewaltigungen und Verschleppungen durch dieHamas rechtfertigen heute weitgehend widerspruchslos auch die Vertreibungs- und Auslöschungsphantasien einer rechtsradikalen israelischen Regierung und deren unglaublichen Massaker an der palästinensischen Zivilbevölkerung. Kritik an den Massakern wird (vor allem in Deutschland)zu Antisemitismus deklariert.

 

Haben sich damals wie heute Linke und Linksradikale auf die Seite der Grünen geschlagen um ihren Frieden mit dem deutschen Staat zu machen, haben sich heute zusätzlich auch ehemalige Anarchist*innen auf die Seite des Militarismus geschlagen, die auch als der „bewaffnete Arm der Grünen“ bezeichnet werden könnten. Einen radikalen Antimilitarismus betrachten diese Bellizist*innen als Bedrohung.

 

Damals hatte die USA Schröder, Fischer und Trittin darauf eingestimmt, dass der Krieg in Ex-Jugoslawien kommen würde. Die künftige rot-grüne Regierung müsse sich dann entscheiden, an der Seite der USA zu stehen, so Trittin Jahre später in einem Interview. Fischer und Schröder gestanden dann Jahre danachauch die „Völkerrechtswidrigkeit“ der deutschen Kriegsbeteiligungin Interviews ein, aber da interessierte es schon lange niemanden mehr.

 

Heute können die Kriegsbefürworter*innen aller Seiteneinst Undenkbares wieder aussprechen. Einer der Grundsteine dafür wurde 1999 gelegt. Deshalb ist der Farbbeutel auch ein Markierung des Widerstandes gegen die „Zeitenwende“, die schon damals einsetze.

 

Für Deutschland wird heute die „Kriegstüchtigkeit“ in allen Bereichen dekliniert. 100 Milliarden für Waffen? Kein Ding. Der Kanzler beim Spatenstich von Waffenkonzernen. Führung wird gesucht. Wehrpflicht kommt schon mal. Man ist für Krieg. Und selbst wenn man ihn nicht will , so muss man ihn dennoch führen. Die Grenzen noch dichter, die Reihen fest geschlossen gegen ungewollte Migration. Man denkt in der Logik von Krieg; noch mehr Krieg und noch mehr Waffen und noch mehr Grenze. Weder die patriarchalen, nationalistischen Narrative werden in Frage gestellt, noch die wirtschaftlichen Interessen auf allen Seiten.

 

Und der radikale Antimilitarismus formiert sich noch immer nicht als sichtbare Initiative.

 

Der Farbbeutel auf Fischer positionierte sich grundsätzlich antimilitaristisch gegen jeden Krieg. In der Prozesserklärung kommt dies zum Tragen. Außerdem wird dem antisexistischen und queeren Ausdruck der Aktion Rechnung getragen, die sich polaren Geschlechterverhältnissen und einem Freund-Feind-Denken entzieht. Die Aktion wurde von einer Person durchgeführt, für die damals die Bezeichnung „Transgender“ noch unbekannt war. Sie kam aus der autonomen Szene und bezeichnete sich selbst als Anarchist*in und queere Aktivist*in. Dieser Umstand durchzog dann auch die politische Auseinandersetzungum die Aktion. Vielen Menschen, die nicht in politischen Gruppen aktiv waren und fassungslos die Grünen Argumente verfolgten, sprach die Aktion aus der Seele. Für Queere und Transgender war das Signal der Sichtbarkeit ohnehin von eigener Bedeutung. Die aktive Unterstützung zu dem anschließenden Gerichtsprozess war trotzdem nicht ausufernd groß.Die klassische Linke tat sich mit einer grundsätzlichen antimilitaristischen Position gegen jeden Krieg und dem Patriarchat schwer. Die Kriegsbefürworter*innen in der Linken waren sowieso schon auf einem anderen Schlachtschiff. Und Fischer löscht bis heute alle Fotos mit seinem roten Ohr von Wikipedia.

 

Zum Schluss sind diesem Beitrag noch einige Interviews und Artikel angehängt.

 

Der Farbbeutel „gehört“ einer anarchistischen, antimilitaristischen und queerfeministischen radikalen Strömung in der Gesellschaft. Den Versuchen,die Geschichte umzudeuten, muss widersprochen werden. Bürgerliche Journalist*innen führen den Farbbeutel gerne als inner - grünen Widerspruch an und behaupten sogar, dass die Werfer*in ein Mitglied der Grünen gewesen sei. Eine anarchistische Fundamentalkritik an Krieg wird somit unsichtbar gemacht. An dieser Verdrehung haben sich zum Beispiel der „Tagesspiegel“ in Berlin und die „Südeutsche Zeitung“ versucht.

 

Damals wie heute fällt es vielen Menschen leichter, sich zu militarisieren, sich auf eine Seite eines Konfliktes zu schlagen und die andere Seite zu entmenschlichen, als der Kriegslogik zu entsagen.

 

Dabei sollte Krieg aus einem anarchistischen Verständnis heraus grundsätzlich politisch sabotiert werden.

 

Die Entwaffnung der Herrschenden auf allen Seiten und die Verbrüderung und Verschwesterung mit Kriegsgegner*innen, Militärverweiger*innen und Anarchist*innen an allen Fronten ist eine der brauchbaren Antworten in jedem Krieg.

 

Klar ist es vordergründig schwerer, mit einer Position durchzudringen, die sich den Polarisierungen verweigert. „Freund - Feind“ ist einfacherzu denkenund natürlich ist diese Position lauterund vor allem brutaler. Antimilitarist*innen, Autonome, Queer-Feministinnen und Anarchist*innen können mehr öffentliche Verantwortung übernehmen und kriegsbefürwortenden Positionen Alternativen entgegen stellen. Sonst werden nur die hässlichen Stimmen hörbar bleiben. DenKriegskursüberallzu stören, und seien es vermeintlich nur wenige Menschen, die dies tun, schafft Öffentlichkeit, Anknüpfungspunkte und Anlaufpunkte für die Schweigendenund Suchenden.

 

Dafür steht bis heute auch der Farbbeutel. Wir zitieren aus dem Buch „Autonome in Bewegung“ die Farbbeutelwerfer*in: „Es war möglich gewesen, widerständig zu handeln, obwohl es kaum organisierte Zusammenhänge gab, die inhaltlich und praktisch handlungsfähig gewesen wären. […] Auch wenn wir, die wir gegen jeden Krieg sind, in zukünftigen extremen Situationen nicht immer auf organisierte Zusammenhänge zurückgreifen können, Widerstand bleibt nicht nur nötig, sondern auch möglich. […] Vielleicht könnten WIR das aus dem Wurf mitnehmen."

 

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Zu verweisen ist auf die Prozesserklärung 2000 und die Interviews von 1999 und 2019 im Anhang.

 

Wir verweisen auch auf den Beitrag „Radikale Interventionen in einer militarisierten Demokratie“.

 

Und auf den Beitrag in dem Buch „Autonome in Bewegung“ und das Plakat von 1999 zu dem Farbbeutel mit der ersten Presseerklärungen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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