Die Debatte um Sexarbeit-8M Rostock

Abstract: 
Die Debatte um Sexarbeit

Die Debatte um Sexarbeit

Das 8.März Bündnis in Rostock hat nach langen Grundsatz Debatten ein Forderungspapier geschrieben, welches auch die Einstellung der Debatten um Sexareit fordert. Doch was bedeutet das eigentlich? Hinter dem radikalen Ausdruck dieser Forderung steht die vollständige Solidarisierung mit freiwilligen Sexarbeiter*innen. Als Sexarbeit werden dabei einvernehmliche und vergütete sexuelle Dienstleistungen zwischen volljährigen Personen verstanden. Die Definition ist so wichtig, weil es in dieser Forderung geht es eben um nichts anderes. Der Begriff Sexarbeit ist dafür da zu betonen, dass es sich um Arbeit handelt und es deswegen Arbeitsrechte braucht. In Diskussionen ist es deshalb wichtig zwischen Sexarbeit und Missbrauch zu unterscheiden. Wer jetzt schon wütend in die Tasten hauen möchte, erkennt den Anfang dieses Textes bitte erst einmal als unsere Grundhaltung, die nun folgend erklärt wird. 

Zuerst gilt noch zu betonen, dass das 8.März Bündnis mit unterschiedlichsten Menschen intensive Debatten geführt hat, so auch nach der Banner Aktion in 2023. Das prostitutionsfeindliche Banner wurde als direkter Angriff auf SeLA e.V. verstanden, welcher an jenem Kundgebungsort eine Rede gehalten hat und dabei für die Rechte von Sexarbeiter*innen einstand. 

 

nicht empowert, nicht erzwungen: Was brauchen Sexarbeiter*innnen?

 

Warum verweigert das 8M Bündnis prostitutions”kritische” Stimmen?

Es ist wichtig radikale Solidarität zu zeigen. Vor allem, wenn sexarbeitsfeindliche Positionen sich verschärfen. Stigma über Stigma spricht den Arbeitenden ihre Selbstbestimmung ab. 8M bezieht klare Stellung zu ihren Genoss*innen in der Sexarbeit und wird diese vor Feindlichkeiten, sowie angreifenden Strohpuppen Argumenten auch auf der Demo schützen.

 

Ganz wichtig ist: Allen ist doch mittlerweile bewusst, dass es nicht nur um die selbstbestimmte Seite geht. Wir sind uns einig, dass Menschenhandel und sexualisierte Gewalt aufhören muss. Aber warum reden wir dann nicht über sichere Fluchtwege und antirassistische Hilfen?

Nun gut, wir gehen jetzt trotzdem mal davon aus, dass durch die Entkriminalisierung von Sexarbeit vor allem Menschenhandel unterstützt wird. Was würde das bedeuten? Betroffene müssten also auf lebensgefährlichen Reise immens viel Geld an Menschenhändler bezahlen, landen in einer Schuldenknechtsstrafe und sind sich so ziemlich von Anfang an sicher, dass sie diese nur durch Prosituition bezahlen werden können. Da könnten wir jetzt sagen: “Wir kriminalisieren die Freier, damit hoffentlich diese Prostituionsmöglichkeit nicht mehr stattfindet”, aber was bleibt, ist dann die unbezahlte Schuldenknechtsstrafe und kein Weg diese auszugleichen.  Aber das wäre doch alles nicht so schlimm, wenn das nordische Modell durchgehen würde, oder? Oder? Eben nicht, denn auch wenn das nordische Modell Ausstiegsprogramme unterstützt, in dem Sinne, dass es Arbeitsplätze vermittelt, bleibt das Problem, dass viele Opfer des Menschenhandels keine Arbeitserlaubnis haben. Auch ohne Aufenthaltstitel und damit ohne Recht auf Sozialleistungen bleibt dann das Problem. Wozu führen diese Schulden? Abschiebung. Wenn Menschen davon ausgehen, dass Sexarbeiter*innen gerettet werden sollen, dann rettet sie nicht so, dass diese Rettung Abschiebung oder Haft bedeutet. Das was bei dem Menschenhandel Argument passiert ist Symptombekämpfung und hilft keineswegs bei der Bekämpfung von rassistischer Ausbeutung. Wir können nicht auf den Staat vertrauen, deshalb führt eine Kriminalisierung zu Risiken und Gefährdungen für ALLE. Es ist kein Widerspruch gegen Zwangsprostitution und für die Rechte von selbstbestimmten Sexarbeiter*innen zu kämpfen. 

 

Aber dann bleibt doch trotzdem, dass Freier diese Vulnerabilität ausnutzen, oder?

Schauen wir uns Zitate gezielter Freierforen an, so scheinen alle Freier wie misogyne Täter. Zum Glück können wir das Ganze aber auch differenzierter betrachten. Studien und Zahlen zu Sexarbeit werden nämlich oft ziemlich unfair ergattert. Zum Beispiel wollen natürlich die meisten aussteigen, wenn man eine Umfrage in einer Ausstiegshilfe unter nimmt. So ist es auch in dem Fall, es gibt nämlich schon seit den 70er Jahren vielerlei Freierstudien. Martha Stein beobachtete z.B. 1974, dass bei über 1200 Treffen sich fast ausschließlich respektvoll begegnet wurde, vor allem mit der Motivation Nähe (nicht nur körperlich) zu suchen. Freier sind … eine diverse Masse. Die es hier nicht gut zu reden heißt, aber auch, die es hier nicht zu verteufeln gilt. Männer sind … eine diverse Masse. Das Risiko, patriarchale Gewalt zu erleben, besteht immer, auch im Alltag. Es gilt nicht zu verleugnen, dass Sexarbeiter*innen trotzdem stärker von patriarchaler Gewalt betroffen sein können, dass ist aber unter den Aspekten zu 

betrachten, dass sie durch ihre Berufung auch mehrfachmaginalisiert sind. Es ist nun aber auch an der Zeit, FLINTA, Sexarbeiter*innen nicht mehr als wehrlose Masse anzusehen, die sich nie wehren können. Sexarbeiter*innen systematisch ihren freien Willen abzusprechen und ihnen stattdessen nur unterdrückte Passivität zuzugestehen, macht diese zum machtlosen Objekt. Bezogen auf selbstbestimmte Sexarbeit müssen wir anfangen zu verstehen, dass auch Sexarbeiter*innen Konsens geben und zurückziehen können. Dabei stimmt es: Konsens ins nicht käuflich. Was ein Glück, dass Konsens auch nicht gekauft werden soll. Es ist die Aufgabe von Sexarbeiter*innen vor jeder Verabredung neu mit den Kund*innen zu verhandeln, ins Gespräch zu gehen, Grenzen zu setzen. Die Aufgabe von Nicht-betroffen ist es, ihnen die Bewältigung dieser Aufgabe zuzutrauen. 

Der Kapitalismus ist scheiße. Man kann aber nicht die Sexarbeit mit jeder anderen Lohnarbeit vergleichen.

Seit 2017 muss Sexarbeit behördlich angemeldet werden. Personenbezogene Daten landen also, auch mit dem Huren-Pass, bei Repressionsorgangen. Wie fair ist die Polizei? Ebenso muss eine gesundheitliche Beratung jedes Jahr durchgeführt werden, die ist oft nicht nur queerfeindlich, sondern hält die Sexarbeiter*innen auch im Visier von Staatsgewalt. Dabei hat die Polizei noch das Recht, sowohl private als auch Geschäftsräume zu durchsuchen. Sexarbeit ist kriminalisiert und stigmatisiert. Sexarbeit wird systematisch abgewertet. Wir müssen sie auch anders behandeln.

Nun ist es trotzdem so das Sexarbeit in Deutschland legal ist. Aber Legal bedeutet nicht entkriminalisiert. Es gibt sogar Städte in denen Prostitution komplett verboten wird oder durch Gebietsbegrenzung stark kriminalisiert. Ein Sexarbeitsverbot führt zu scharfen Restriktionen, die erwiesenermaßen vor allem Gewalt fördert. 

Niemand liebt die Sexindustrie, aber Sexarbeiter*innen verdienen Empathie und Rechte. Ein Verbot von Sexarbeit stoppt auch keinen Menschenhandel, was Menschenhandel einschränken würde, wäre wenn die Eu sich an ihre Richtlinien zur Hilfe von Betroffen halten würde. 

Der 8.März als Kampftag muss intersektional bleiben und diverse Strömungen zu lassen, dass wird auch am 7.März auf der Demo passieren, allerdings ohne das Stigmatisieren von Sexarbeiter*innen. Es gilt sich mit Sexarbeiter*innen zu solidarisieren nicht in dem man sie rettet, sondern in dem man ihnen die Rechte zu spricht, die sie schon lange verdienen. 

Es gilt auf jeden Fall Kämpfe zu verbinden, Debatten zu führen/Emotionen darin zu akzeptieren und immer wieder zueinander zu finden. 

 

Der 8.März ist ein feministischer Kampftag, wir sehen uns die nächsten Jahre.

An der Stelle die Erinnerung, dass Plena für alle offen sind und Kritik nicht erst kurz vor der Demo veröffentlicht werden muss. 

 

Feuer und Flamme dem Patriarchat

8M Rostock

 

8M Rostock
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