[S] #NoPolGBW - Wir müssen unkontrollierbar sein! Text zur landesweiten Demo gegen Polizeigesetze

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Mit Handgranaten und Sprenggeschossen wird die Polizei in Baden-Württemberg derzeit aufgerüstet. Grundlage ist ein bereits Ende 2017 beschlossenes Polizeigesetz, das nun weiter verschärft werden soll. Neben der militärischen Aufrüstung von Polizisten, wird an einer Vielzahl von Überwachungsmaßnahmen gearbeitet. Das Repertoire reicht von intelligenter Videoüberwachung, über eine Ausweitung der Onlinedurchsuchungen bis zu elektronischen Fußfesseln. Das Ziel der diversen Gesetzesverschärfungen wird von der grün-schwarzen Landesregierung, mehr oder weniger offen proklamiert: Eine starke Polizei, ein starker Staat, geeignet die Ordnung aufrecht zu erhalten, im Zweifelsfall auch mit Handgranaten und Sprenggeschossen.

Ihre Ordnung ist auf Sand gebaut

Doch was ist das eigentlich für eine Ordnung, die hier verteidigt werden soll? Der Staat in seiner heutigen Form ist nicht als große Idee schlauer Männer entstanden. Das damals neue Wirtschaftssystem, der Kapitalismus, zog eine neue Form von Herrschaft nach sich. Die Trennung von Hersteller und Eigentümer und der Handel mit Waren jeglicher Art machten eine andere Staatsform erforderlich. Die Gesetze des Adels, die sich alle paar Kilometer nach belieben des jeweiligen Feudalherren änderten, wurden plötzlich als Handelshindernisse wahrgenommen. Der kapitalistische Wirtschaftsbetrieb braucht rechtliche Regeln die für alle gelten, um funktionieren zu können. Nur so können Kapital und Waren im großen Stil ausgetauscht werden. Die hieraus resultierende Funktion des bürgerlichen Staates, das Bewahren der kapitalistischen Gesellschafts- und Eigentumsordnung und der damit verbundenen sozialen Privilegien der Kapitalistenklasse, nimmt dieser bis heute wahr. Die Methoden mit denen das geschieht, können unterschiedlich sein – von rechtsstaatlich-parlamentarisch bis hin zu autoritär und faschistisch – die Kernaufgabe bleibt die selbe.

Auf Basis eines vergleichsweise hohen Wohlstandsniveaus, wurde in der Bundesrepublik, in den vergangenen Jahrzehnten, sozialer Missmut durch Zugeständnisse befriedet. Ein sozialer Mindeststandard, bürgerliche Freiheiten und die Möglichkeit das politische Geschehen bei groß inszenierten Wahlen ein kleines Bisschen mitbestimmen zu können, prägten das gesellschaftliche Leben für die große Mehrheit der Menschen. Doch der Kapitalismus hat seinen historischen Zenit erreicht. Während die wenigen, die viel besitzen, immer hektischer nach Wegen suchen ihr Vermögen gewinnbringend zu investieren, wächst die Masse derjenigen, die kaum genug zum Leben haben. Es scheint regelrecht absurd, dass die Ursache der meisten gesellschaftlichen Probleme, das zu viel an Vermögen in den Händen der wenigen ist. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat errechnet, dass den oberen 10 Prozent in der BRD etwa 2/3 des Vermögens gehören. Das Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ listet 228 Milliardäre in Deutschland und die 1.000 reichsten Deutschen verfügen über ein Vermögen von 1,02 Billionen Euro. Wenn es nach dem Willen der Herrschenden geht, soll dieses unvorstellbare Vermögen gewinnbringend angelegt werden und die Besitzenden noch reicher machen. Doch sichere Anlagemöglichkeiten sind Mangelware. Auf der Suche nach neuen Verwertungsmöglichkeiten und Absatzmärkten für das Kapital, werden Konflikte politisch, ökonomisch und militärisch, in immer kürzeren Abständen und ohne Rücksicht auf Verluste, eskaliert. Beispiele hierfür findet man überall dort, wo derzeit die Bundeswehr im Auslandseinsatz ist. Auch innenpolitisch wird an sämtlichen verfügbaren Stellschrauben gedreht, seien es der permanente Abbau der sozialen Sicherungssysteme oder die zunehmenden Angriffe auf ArbeitnehmerInnenrechte.

Aufklaffende Widersprüche

Die ehemals großen Akteure der bürgerlichen Parteienlandschaften können die zunehmenden Risse in der Gesellschaft, kaum noch kaschieren. Nach Jahrzehnten in denen es Konservativen und der Sozialdemokratie gelungen ist die Klassengegensätze scheinbar zu versöhnen, bricht das Gefüge auseinander. Die ökonomischen Zwänge lassen kein Szenario mehr zu, das eine „win-win-Situation“ ermöglichen würde. Die Auswirkungen für die Menschen in Deutschland sind fatal. Etwa jedeR fünfte ist heute von Armut und sozialer Ausgrenzung gefährdet. Das betrifft auch 1,2 Millionen Menschen, die zwar arbeiten gehen, aber gezwungen sind ergänzende Hartz IV-Leistungen in Anspruch zu nehmen.

In einer Gesellschaft, die immer weniger Menschen eine lebenswerte Zukunft bieten kann, steigt die Wahrscheinlichkeit widerständiger Initiativen. Diese können individuell organisiert sein, beispielsweise in Form kleinkrimineller Bereicherungen oder kollektiv in Form sozialer Bewegungen und politischer Organisierung. Es ist fast egal wohin man derzeit blickt, Anzeichen für entsprechende Initiativen, in vielfältigsten Formen, gibt es überall. Noch ist es nicht soweit, dass das Gesellschaftssystem auf der Kippe steht, doch die Herrschenden haben zurecht Angst, dass es so kommen kann. Ein Beispiel für kollektiven gesellschaftlichen Protest ist derzeit die Auseinandersetzung um das Thema Miete. Massenhafter Protest auf der Straße, von breiten Kreisen unterstützte Hausbesetzungen und Zehntausende, die für sich für die Enteignung von Wohnungskonzernen einsetzen: Während die etablierten Parteien keine befriedende Lösung mehr anbieten können, wächst die Gruppe derjenigen, die nach Möglichkeiten jenseits der kapitalistischen Profitlogik suchen. Die aktuelle Debatte über mögliche Enteignungen großer Immobilienkonzerne stellt wesentliche Elemente des Kapitalismus in Frage. Und der Konflikt um Wohnraum ist nur einer von vielen. Daher verwundert es nicht weiter, dass die Nervosität derer, die von diesem Gesellschaftssystem profitieren, steigt.

Wenn wir die derzeitigen Gesetzesverschärfungen betrachten, dürfen wir den gesellschaftspolitischen Hintergrund nicht außer Acht lassen. Es ist kein Zufall, dass gerade dann, wenn sich die sozialen Verhältnisse zuspitzen, die Polizei mit einer Fülle an Instrumenten bewaffnet. Die Erweiterung von Überwachungsmöglichkeiten kann zur Ausspähung widerständiger und progressiver Strukturen genutzt werden und so die bestehenden Machtverhältnisse sichern. Eine Ausweitung des Waffenarsenals sichert die Eigentumsverhältnisse im kleinen und im großen.

In die Offensive kommen

Die Verteidigung der verbleibenden bürgerlichen Rechte ist heute wichtiger denn je. Nur so können Handlungsräume für politisches Engagement erhalten werden. Daher gilt es nun breite Bündnisse zu schmieden und vielfältigen Widerstand zu organisieren. In Bayern und Nordrhein-Westfalen hat der Protest gegen die Verschärfung entsprechender Polizeigesetze, mehrere zehntausend Menschen mobilisiert. Der gemeinsame Nenner, die Verteidigung der Grundrechte, wurde zur Basis einer großen Bewegung.

Doch es reicht nicht bei diesem Abwehrkampf stehen zu bleiben. Die gesellschaftlichen Verhältnisse selbst zwingen die Herrschenden wieder und wieder entsprechende Verschärfungen anzustrengen. Selbst wenn wir punktuell Erfolge erzielen und Gesetzgebungsverfahren ins Stocken geraten, ist der nächste Angriff nur eine Frage der Zeit. Es liegt an uns, tragfähige Strukturen aufzubauen, die in der Lage sind einen kontinuierlichen Widerstand zu organisieren. Nur so kann gewährleistet werden, dass der sprichwörtliche Kampf gegen Windmühlen auf Dauer nicht die wenigen Aktiven ermüdet, sondern Menschen aktiviert, die Widersprüche greifbar macht und so zum Ausgangspunkt einer wachsenden Bewegung wird.

Wir dürfen auch nicht bei der Verteidigung der bürgerlichen Rechte stehen bleiben, sondern müssen die Ursache der vielen Widersprüche in den Fokus nehmen. Ohne eine grundlegende Veränderung der bestehenden Verhältnisse, kann es keine Befreiung geben. Das gemeinsame Analysieren der gesellschaftlichen Verhältnisse ist der Anfang. Durch gemeinsame Organisierung entsteht Kontinuität und Einheit. So kann die notwendige Gegenmacht wachsen und die Perspektive einer freien Gesellschaft greifbar werden.

Uns geht es um den endgültigen Bruch mit dem Kapitalismus. Um ein Ende der Herrschaft der Kapitalbesitzenden. Wir wollen eine Welt in der die Bedürfnisse der Menschen im Vordergrund stehen und nicht die Profite einer kleinen Klasse. Der Widerstand gegen die Verschärfung der Polizeigesetze ist ein Abwehrkampf gegen diese Klasse. Sie wollen eine starke Polizei zur Sicherung ihrer Herrschaft, ausgestattet mit Handgranaten, Sprenggeschossen und umfassenden Überwachungsmöglichkeiten. Ihre Interessen sind mit unseren Vorstellungen nicht zu vereinen. Eine solidarische Perspektive kann nur im Kampf gegen die herrschende Klasse durchgesetzt werden.

Als Klasse unbeherrschbar werden: Für den Kommunismus!


Revolutionäre Aktion Stuttgart

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