Stellungnahme der Libertären H-Burg zu der Diskussion um den Aktivisten Daniel*

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In den letzten Monaten gab es in Harburg aber auch nördlich der Elbe intensive Diskussionen um das Engagement von Daniel * in der örtlichen linksradikalen Szene. Als Gruppe, in der Daniel hauptsächlich aktiv ist, haben wir uns entschlossen, zu dieser Diskussion, wie auch zu den szeneinternen Ergebnissen, Stellung zu beziehen.

Als Libertäre H-Burg nutzen wir die Räumlichkeiten der Sauerkrautfabrik in Harburg seit Jahren und fühlen uns dort sehr wohl. Wir empfinden die SKF als einen extrem wichtigen Freiraum mit Vorbildcharakter, der in unseren Augen die wichtigste Anlaufstelle für emanzipatorische Politik im Stadtteil ist. Wir sind ein Teil der Sauerkrautfabrik und werden sie im Rahmen unserer Möglichkeiten wie schon immer solidarisch unterstützen sowie uns an ihren Strukturen beteiligen.
Da es sich bei Daniel, der kürzlich sein Hausverbot in der SKF ausgesprochen bekam, um eines unserer Gruppenmitglieder handelt, möchten wir die Darstellung der Struktur hier auch um unsere Sicht der Dinge ergänzen. Weil Daniel weiterhin voll und ganz in die Arbeit unserer Gruppe eingebunden ist, wird es uns leider unmöglich sein, unsere Plena weiterhin in der Sauerkrautfabrik abzuhalten. Wirbedauern dies sehr, müssen uns aber mit diesem Status Quo abfinden und möchten auf jeden Fall den Anspruch auf Opferschutz verwirklichen. Das bedeutet aber nicht, dass wir hierdurch auf Distanz zuden von uns geliebten Räumen gehen – unsere Solidarität gilt hier weiterhin uneingeschränkt.

Dass wir mit Daniel trotzdem noch an unseren Projekten arbeiten, zeigt allerdings schon, dass wir als Politgruppe anders mit den aufgekommenen Bedenken umgehen (können) als der Raum an sich. Während der Freiraum selbstverständlich allen als Safe Space zugänglich und auch als solcher konsequent durchsetzbar sein muss, haben wir eine andere Handhabe und Verbindlichkeit. Nicht zuletzt, weil sich Alle unter uns aktiv dazu entschieden haben, mit Daniel zusammenzuarbeiten. Daniel suchte 2008/2009 erfolgreich den Ausstieg aus der Neonazi-Szene in Harburg über nichtstaatliche, linke Gruppen und eignete sich in der Folge kontinuierlich emanzipatorische Perspektiven in Theorie und Praxis an. Unser Wunsch, mit dem Ex-Nazi Daniel weiterhin politisch zu wirken, entspringt einer
intensiven, teils jahrelangen Zusammenarbeit, in der wir Daniel als zuverlässigen, integren Genossen kennengelernt haben.

Aus unserer Sicht führte das Spannungsverhältnis zwischen berechtigtem Opferschutz und dieser Rolle Daniels in unseren Strukturen zu einem Dilemma, das für eine nicht institutionalisierte politische Szene nur schwer zu tragen ist. Das verstehen wir. Wir sehen durchaus auch unsere eigenen Versäumnisse, als nach der Eingliederung Daniels in die Sauerkrautfabrik bestimmte Sorgen nicht ausreichend diskutiert wurden und auch niemals eine Stellungnahme hierzu veröffentlicht wurde. Der Fakt, dass Daniel für die Sauerkrautfabrik Aufgaben übernahm, von denen er eigentlich per Plenumsentschluss ausgenommen war – ganz besonders Türschichten –, ist auch auf unser aller Bequemlichkeit zurückzuführen. Hier hätte uns allen früher die Brisanz des Aufenthalts Daniels in unseren Räumen klar
sein müssen, bzw. wir hätten daraus Konsequenzen ziehen müssen.

Wir sehen in der Zusammenarbeit mit dem Genossen Daniel über seine Verbindung zu uns hinaus aber Potential und auch eine gewisse Signalwirkung insofern, dass ein völliger Gesinnungswechsel um buchstäbliche 180 Grad möglich ist – in diesem Fall von der rechtsradikalen Szene in emanzipatorische, konsequent antifaschistische Zusammenhänge. Diese Perspektive zeigt auch für die Zukunft auf, wie ein Umgang mit austrittswilligen Personen in diesem Spektrum aussehen kann und inwiefern man hier überhaupt als Freiräume, Gruppen oder gar Einzelperson etwas leisten kann. Dies ist auch eine zentrale Problematik der politischen Utopie! Wir hoffen natürlich, dass es weiterhin Leute geben wird, die von menschenverachtenden Positionen und/oder Strukturen abrücken und ihren Halt danach nicht unbedingt als Angepasste im bürgerlichen Staat suchen.

Wir sehen uns als libertäre, überwiegend anarchistische Gruppe und zählen Daniel auch ganz klar und ohne Abstriche zu diesem ideologischen Kreis. Dass Daniels Verhalten bei einzelnen Personen auch zu Vertrauensverlusten geführt hat, ist uns nicht entgangen und beruht aus unserer Sicht in nicht unerheblicher Weise auf den zuvor skizzierten Versäumnissen in der Kommunikation. Wir möchten jedoch dringend davor warnen, wie schnell in der öffentlichen oder v.a. szeneinternen Wahrnehmung eine nicht beabsichtigte Verurteilung vonstattengehen kann.

Natürlich können wir uns trotz aller intensiven Zusammenarbeit, politischer bis philosophischer Auseinandersetzungen und gemeinsamer Erlebnisse noch immer in der Person Daniel täuschen – das gilt praktisch aber ebenso für alle anderen Menschen, mit welchen wir zusammen politisch wirken, uns treffen oder auf Plena sitzen. Wir orientieren uns jedoch an unserer Menschenkenntnis und nicht zuletzt an den Prüfungen, denen Daniel nach seinem Ausstieg von linker Seite aus unterworfen war, um ganz deutlich festzustellen: Das Hausverbot Daniels ist zwar nicht von seiner politischen Vergangenheit zu trennen – diese ist aber nicht die unmittelbare Ursache dafür, sondern wir tragen damit als Sauerkrautfabrik, deren Teil wir sind, zu einem konsequenten Opferschutz bei. Für Menschen
außerhalb der Zusammenhänge im Viertel kann der Vollständigkeit halber erwähnt werden, dass Daniel kurz nach seinem Auftauchen in der SKF durch uns persönlich bekannte Antifaschist*innen einem gründlichen Hintergrund-Check unterworfen wurde.

Personen, die in der Vergangenheit mit Daniel in Harburg in Kontakt kamen und nun durch seine Anwesenheit getriggert werden, haben selbstverständlich ein Anrecht darauf, sich in einem Safe Space wohlzufühlen. Das muss oberste Priorität haben. Daniel selbst hat dies von Anfang an betont und dauerhafte Gesprächsbereitschaft signalisiert, sich sogar auf öffentlichen Veranstaltungen geäußert. Wir wissen, dass ihn nicht so sehr der Fakt schmerzt, die SKF nicht mehr betreten zu können. Er selbst sieht diese Notwendigkeit, obwohl ihm seinerseits der Safe Space fehlt. Stärker ins Gewicht fällt eine – eigentlich unbeabsichtigte – Stigmatisierung seiner Person als möglicherweise Rechten, der sich in emanzipatorischen Kreisen bewegt. Ganz pragmatisch gesehen führt ein Hausverbot in Verbindung mit einigen Rückschlüssen über Daniels Vergangenheit natürlich bei den Menschen zu eigenen Schlüssen. Hier möchten wir uns als Gruppe klar positionieren und Daniel unser Vertrauen aussprechen.

Wir sind bereit, alles Erforderliche zu tun, damit wir mit dieser Situation weiterhin einen Umgang finden, der eine solidarische Gesprächskultur und einen konsequenten Opferschutz ermöglicht. Wir stehen jederzeit für kritische Auseinandersetzung zur Verfügung und hoffen, dass wir gemeinsam
Wege finden, Kraft für die Zukunft zu schöpfen, für den Kampf gegen eine Faschisierung der Mitte und den alltäglichen Wahnsinn. Die Sauerkrautfabrik ist hier nur ein Mosaikstein. Aber ein guter.

Wir wissen, dass Menschen sich ändern können – ansonsten wäre der Kampf um eine radikale Veränderung der herrschenden Verhältnisse wohl auch aussichtslos. Es gibt kein Patentrezept, an wessen Seite man diesen Kampf am aussichtsreichsten führt, aber wir rufen weiterhin zu ständiger, nachhaltiger Vernetzung aller libertären und emanzipatorischen Gruppen auf!

Libertäre H-Burg, Mai 2019

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