Stellungnahme der Insel Jena zu den Vorwürfen

Anfang April 2019 wurden über indymedia Vorwürfe zu einem Mitgestalter des Projektes "Insel" in Jena publiziert. Auch über hiesige Mailverteiler und durch viele Gruppen in Jena ging die Diskussion über diesen Menschen und die Haltung der Insel. Eineinhalb Wochen später verbreitete die Insel ein Statement dazu, welches ohne den Beschuldigten verfasst wurde. Auch der besagte Mensch verfasste ein Statement. Beides ist hier zu lesen.

Stellungnahme der Insel Jena:

Der Text, der Anfang April auf indymedia veröffentlicht wurde, hat uns sehr getroffen und eine intensive Diskussion ausgelöst. Wir haben beschlossen, uns mit diesem Statement zu den verschiedenen erhobenen Vorwürfen zu äußern.

 Eines vorweg: Wir erkennen an, dass die betroffene Frau den damaligen Konflikt so wahrgenommen hat, wie sie es beschreibt.  

Wir sind von dem Vorwurf verwundert, dass die Insel keine klare Positionierung zu politischen Themen hätte:Wir waren in der Vergangenheit mehrfach selbst Teil von Demos gegen Nazis und Rechte, haben Menschen mit offensichtlichen rechten Symbolen des Hauses verwiesen und haben in vielen öffentlichen Stellungnahmen deutlich gemacht, dass hier jede*r willkommen ist – außer Menschen, welche die Rechte und Würde von Menschen allgemein und Minderheiten im Speziellen verletzen. Wir haben uns auch zu anderen Themen öffentlich klar positioniert.

Wir wollen es an dieser Stelle nochmals deutlich sagen: Wir positionieren uns klar gegen Sexismus, Rassismus, Homophobie und Diskriminierung jedweder Art. Wir treten entschieden ein für das Recht der Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper und damit das Recht auf Abtreibung. Damit fordern wir auch die sensible Auseinandersetzung mit den physischen und psychischen Folgen von Schwangerschaft und Mutter-Sein.Wir wollen eine Welt, in der Menschen sich frei und sicher fühlen können, in der alle eine gleiche Wertschätzung erfahren und frei von verletzenden Erfahrungen sie selbst sein können. Das streben wir als gelebte Realität an der Insel als Freiraum an: Als Raum, in dem eine gesellschaftliche Utopie im Kleinen umgesetzt bzw. experimentell erlernt und entwickelt werden kann.

Unsere Kulturgeschichte ist so verkorkst, dass wir alle in eine Gesellschaft voller Unzulänglichkeiten und Fehlverhalten geboren sind. Unsere Vorfahren konnten uns zum Teil keine gute Anleitung mitgeben, wie wir friedlich, kooperativ, frei und gleichwertig miteinander leben können. Vieles lernen wir erst miteinander und gerade durch Auseinandersetzungen. Räume wie die Insel sind Lernräume und als solche verfolgen sie zum einen ein hohes idealistisches Ziel und sind zum anderen noch nie an diesem angelangt. Daher ist die Insel wie andere Projekte auch nicht davor geschützt, dass Menschen innerhalb dessen Fehler begehen und z. B. sexistische Äußerungen fallen lassen, gewaltvolle Kommunikation einsetzen oder sonstige Verhaltensweisen zeigen, die im Widerspruch zu den politischen Idealen stehen.

Wir haben all die Jahre Konflikte über solch falsches und diskriminierendes Verhalten nicht gescheut. Wir reden offen darüber, konfrontieren Menschen mit Grenzüberschreitungen, mit Dummheiten, mit Verletzungen, die sie verursachen, und mit fragwürdigen Meinungen. Und ja, wir haben sicher auch nicht jedes Fehlverhalten wahrgenommen und dann auflösen oder korrigieren können. Wir sind jedoch jederzeit bereit uns kritisieren zu lassen, aber am liebsten so, dass wir auf Hinweise reagieren können und uns damit auseinandersetzen, positionieren und verändern können. Wir finden es sehr bedauerlich, dass die Unterzeichner*innen des Textes nicht zu uns kamen, um uns zu konfrontieren, uns kennen zu lernen und unsere Meinung zu erfragen. Wir ziehen es vor, dass man mit uns spricht statt über uns. Falls wir bei Kritik diese abtun, oder das Ergebnis Menschen nicht passt, dann ist ein öffentliches Verurteilen und Entsolidarisieren immer noch möglich. Es ist auch nicht so, dass wir keine Auseinandersetzung zu dem beschriebenen Konflikt gehabt hätten. Wir hatten in den Jahren zahlreiche Gespräche dazu. Auch mit politischen Gruppen und beteiligten Konfliktpartner*innen, die hier veranstalte(te)n gab es zahlreiche klärende oder zumindest befriedende Gespräche.

Viele der heutigen Insulaner*innen haben durch den Text erstmals von dem damaligen Konflikt erfahren, niemand außer Clemens war selbst mit dabei. Daher können wir als Insel keine Einschätzung zu den damaligen Vorkommnissen abgeben und sehen dennoch, dass Clemens zugibt, Fehler gemacht zu haben und verweisen auf seine persönliche Stellungnahme (anschließend an diese).

Das Mitverurteilen von anderen an der Insel Beteiligten für das Verhalten von Einzelnen finden wir nicht richtig. Das Projekt ist nicht verantwortlich für das Verhalten von Einzelnen, aber wir sehen uns in der Verantwortung, uns mit Problemen auseinander zu setzen, die daraus entstehen. Das tun wir nicht nur in diesem Fall. In diesem Kontext erinnern wir auch an die Stellungnahme vor Kurzem zu den zu schwachen Awareness-Strukturen an der Insel. Wir sind also bereit, uns den Problemen von Sexismus in unseren Räumen noch stärker anzunehmen, als wir das in der Vergangenheit bereits getan haben, weil es uns als Menschen ein Anliegen ist.

Wir werden uns nicht öffentlich zu Clemens äußern, weil es uns grundsätzlich widerstrebt, über die guten und schlechten Seiten eines Menschen aus dem Inselprojekt oder aus anderen linken Projekten in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Wir scheuen jedoch die Auseinandersetzung im Projekt nicht, weder mit ihm noch mit anderen, die sich auseinandersetzen wollen. Wir betonen auch nochmals, dass die Insel nicht mit einem Menschen gleichgesetzt werden kann und wir anderen Insulaner*innen uns nicht mit den im Text genannten Vorwürfen identifizieren können.

Aus unserer Sicht gibt es kein perfektes linkes Projekt, in dem alle Ansprüche erfüllt werden. Daher bedauern wir es sehr, dass sich eine politische Szene daran spaltet. Der veröffentlichte Text ist für uns als Projekt kein Beitrag zur Konfliktlösung, da er alle auch Unbeteiligten in die Situation bringt, zu urteilen, ohne uns als eine der Konfliktparteien zu kennen oder zu befragen. Stehen solche harten Vorwürfe im Raum, ist es Menschen kaum noch möglich, sich korrekt zu verhalten. Wir fragen uns: was ist das Ziel dieses Textes? Unser Ziel ist ganz klar: wir wollen ehrliche Auseinandersetzungen, um in der Realität näher an die Utopie zu gelangen. Wir hoffen, dass die an dem Konflikt beteiligten Menschen zueinander finden und alte Fehden beilegen können. Sofern wir dabei helfen können, tun wir das gern. Wir hoffen auch auf eine ehrliche und kritische Auseinandersetzung mit den Fehlern unserer Mitmenschen in jedem linken Projekt und untereinander.

Wir wollen kein Wegschauen, kein Schönreden und kein Relativieren.

Wir wollen aber kein endgültiges Verurteilen von Menschen, ohne ihnen die Chance zu geben, Fehler wieder gut zu machen oder aus ihnen zu lernen.

Und wir wollen keine Spaltungen innerhalb einer Szene, die an sich für das gleiche Ziel kämpft: eine Welt zu schaffen, in der Menschen frei, gleichwertig, solidarisch und friedlich miteinander leben.

Insel Jena

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Und im Anschluss das persönliche Statement von Clemens:  

 
Hallo.
 
Ich bin Clemens L..

Und ich möchte freilich auch persönlich auf die über Buschfunk verbreiteten Vorwürfe eingehen. 
Das muss ich ja auch und es ist eine Bürde, wenn einem so viele Leute auf die Finger schauen. Das könnt ihr glauben!
Das Ganze hat halt mehrere Ebenen und politisch sind die eigentlich alle. Das macht es nicht leichter.
Daher schon an dieser Stelle die Bitte um Nachsicht.

Grundsätzlich verstehe ich das Statement dieses Teils ehemaliger Mitbewohner_innen der Insel als einen Appell an mich und als Appell, Verantwortung dafür zu übernehmen, wie meine Worte und mein Verhalten 2010/2011 bei der Betroffenen und ihren Unterstützer_innen angekommen sind. Und ich soll kein Arschloch sein und auch im Jahr 2019 mein loses Mundwerk zügeln.
Ich denke, es kristallisiert sich an dieser Frage, und die anderen Vorwürfe wurden der Sache nur beigestellt.
Ich werde diese Verantwortung übernehmen und würde am liebsten persönlich mit der Betroffenen besprechen, wie ich das tun kann.
Ich habe damals versucht, zu reden, und will das auch heute noch gerne. Und hätte die Hoffnung, mich jetzt weniger blöd anzustellen.
Das wäre mein Bedürfnis.
Lasst uns reden. Direkt oder Indirekt. Aber bitte ohne Buschfunk und andere Medien.
Vielleicht ist es schwer, weil ich manchmal ein Assi bin, aber zum Beispiel mit einem Community – Accountability Konzept als Grundlage wäre das Reden möglich und würde uns weiter bringen.
Mir ist bewusst, dass der Konflikt nicht gut geklärt und gelöst wurde. Das muss ich mir ernstlich vorwerfen und habe es längst bereut.
Die Situation damals war sehr komplex und voller Zündstoff.
Meine Haltung zu Abtreibung verstand und verstehe ich dennoch  sicher nicht als die eines Abtreibungsgegners oder Sexisten.
Es fiel und fällt mir darum schwer, nachzuvollziehen, dass es für die Betroffene und ihre Unterstützer_innen so verstanden wurde, aber ich versuche anzuerkennen, dass es so erlebt worden ist.

Wir haben jahrelang zusammen auf der Insel gewohnt. Die ersten Parties geschmissen, die VoKü veranstaltet, Politikwissenschaft und Soziologie studiert und vom Tisch bis zum Stuhl alles geteilt.
Wir und alle anderen im Haus waren Freunde und dann gab es Kämpfe.
Aber in unseren Konflikten ging es nie wirklich nur um inhaltliche Themen sondern immer auch um sehr persönliche Issues.
That's for sure!
Und deshalb löst so ein Vorwurf auch reichlich Widerstand in mir aus wenn er auf diesem Wege, an uns herangetragen wird, und nebenbei ein ganzes Hausprojekt in Beugehaft genommen werden soll.
Das ist doppelungut !!
Die liebe Insel war in den vielen Jahren nämlich immer da und wird es auch noch ein gutes bisschen bleiben.
Jahrelang jeden Mittwoch Vokü-SoKü, jeden Monat ne Sause.
Oder Zwei. Meistens Soliveranstaltungen für unser aller Projekte und voller Leute aus unser aller Szene.  Jena ist zu klein zum Spalten.

Viele Grüße,  
Clemens L..
( Insel )

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