Gelbe Westen, grüne Westen: Wer hat schon Angst, nicht regiert zu werden?

Regionen: 

"Es ist dringend notwendig, Allianzen gegen die Katastrophe zu bilden, die Macron derzeit darstellt.“

 

 

Seit mehr als fünf Monaten kämpfen hunderttausende Menschen in ganz Frankreich gegen die neoliberale Dampfwalze, die vom "macronistischen" Regime mit einer so beispiellosen Brutalität vertreten wird.

Diese Revolte, die an den Kreisverkehren, an Orten der Gemeinschaft und Selbstorganisation begann, die manchmal fast schon aufständischen Charakter hatte, ist Teil einer Geschichte von revolutionären Aufständen, die den Prozess der verordneten Ordnung durchbrochen haben.

Es ist eine einfache Tatsache, dass die Intensität und überraschende Ausdauer dieser Revolte aus Momenten gemeinsamer Erfahrung entstanden ist, aus dem, was man die unregierbaren "Commons" nennen könnte.

 

 

In einem Raum, der nur von der Eiswüste der Wirtschaft besetzt sein sollte, die ihre Gaben der Unterordnung, Zerstäubung, Resignation und Stille mit sich führte, in einem Raum, in dem wir nur das Geplapper der Machthaber, der Experten und der Journalisten hören sollten, erhoben sich unüberhörbar laute Rufe.
Es war nicht verwunderlich, dass die ersten repressiven Maßnahmen darauf abzielten, diese Gemeinschaft zu zerstören, indem sie die Menschen von den Kreisverkehren vertrieben, die Hütten der Demonstranten abrissen und es ihnen unmöglich machten, weiter Straßen zu blockieren oder eine gemeinschaftliche Autonomie zu erleben.

Der hartnäckige Widerstand der Gelben Westen wurde repressiv in Gestalt außergewöhnlicher Härte bekämpft: Zineb Redouane wurde in Marseille durch eine von der Polizei abgefeuerte Tränengranate getötet, Dutzende wurden verstümmelt, Hunderte eingesperrt und Tausende angeklagt.

Hinzu kam der ultra- aggressive und arrogante Propagandakrieg einer Medienlandschaft, die fast einstimmig gegen die Rebellen auftrat. Nach den Beleidigungen und der Verachtung, nach der heftigen Unterdrückung, nach speziellen neuen Gesetzen, die erlassen wurden, wollen sie es jetzt akzeptabel machen, bewaffnete Operationen gegen Demonstranten durchzuführen. Um es klarzustellen: Sie wollen nicht weniger, als mit scharfer Munition auf die Menschenmassen schießen zu dürfen.

 

Emmanuel Macron, der sich in seiner "historischen Mission" sonnt, geht es um eine Neuordnung der Regierungsformen. Dabei wird er von einer Welle getragen, die von weit her kommt und die die Welt erobert: Die Erweiterung des Neoliberalismus um faschistischen Elemente.

 

Im Gegensatz zum historischen Faschismus will dieses globale Projekt nicht die ganze Welt über den Staat regieren, sondern über die Wirtschaft, der alle staatlichen Institutionen unterworfen sein müssen.

 

Wir nennen diesen Ansatz der Regierungsführung "liberal - faschistisch". Es geht nicht grundsätzlich um staatliche Kontrolle, sondern um die wirtschaftliche Kontrolle der Welt und unseres Lebens mit dem fanatischen Ziel, jedes einzelne Wesen, jede einzelne Angelegenheit und alles um uns herum unter Kontrolle zu bekommen.

 

Sie werden Unterdrückung und Gewalt gegen alle „Ausreißer und Nichtstuer“ anwenden, die dieser, ihrer Welt widerstehen.

 

Worin besteht über die Ebene der bloßen Worte hinaus denn ein echter Unterschied zwischen Salvinis Italien und Macrons Frankreich? Lässt nicht jeder von ihnen Tausende von Migranten auf See sterben, wenn er sie nicht massenhaft in Haftanstalten einsperrt und gleichzeitig die Rettung unter Strafe stellt?

 

Sind sie nicht beide an der Zerstörung der letzten Überreste des sozialen Schutzes und der öffentlichen Dienste, an der Verarmung der Arbeiterklasse, an der Zerstörung der Solidarität beteiligt?

 

Aber das ist noch nicht alles: Niemand kann so tun, als wüsste er nicht, dass diese wahnsinnige Beschleunigung des Kapitalismus, die er verfolgt, auch zum Zusammenbruch unserer Lebensgrundlagen, zur Vergiftung von Erde, Wasser und Luft, zu einem unvermeidlichen Klimachaos mit beispiellosen Folgen führt.

 

Die atemraubenden Auswirkungen dieser Serie von Katastrophen, die es gibt und noch geben wird, haben den Weg für neue Sichtweisen und Erkenntnisse in unserer Beziehung zur Welt geebnet. Und diese haben dazu geführt, dass immer mehr Menschen aktiv werden, vom Öko-Camp der ZAD bis zum Klimaprotest. Immer mehr Öko -Aktivisten wenden sich von politischen Parteien ab, diesen bröckelnden Tempeln, die den eklatanten Karriereambitionen ihrer Führer folgen, und suchen anderswo nach Antworten auf das Ausmaß der Herausforderungen, vor denen wir stehen.

 

Dieser tiefe Bewusstseinswandel hat auch eine erneute Aufmerksamkeit auf die Worte, auf das, was sie uns offenbaren und was sie verbergen, geweckt. So weigern sich immer mehr Menschen, das Wort "Anthropozän" zu verwenden, um dieses Zeitalter der Umweltzerstörung zu beschreiben, die sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt zuspitzt. Der Begriff deutet darauf hin, dass wir alle gleichermaßen verantwortlich sind, ein dem vorzuziehender Begriff wäre "Kapitalozän". Wir müssen die systematische und umfassende Kraft, die hinter dieser Katastrophe steckt, richtig identifizieren: Es sind der Kapitalismus und seine Regierungsformen.

 

Überall erleben wir eine tiefe Krise der politischen Repräsentation, wie mit dem Aufstand der „Gilets Jaunes“, wie mit den neuen Öko - Bewegungen. Die glückliche Kehrseite dieser Krise ist das Entstehen neuer Kampfgemeinschaften, Experimenten in und an unseren Lebensweisen in der Welt. Aber hier müssen wir uns folgende Frage stellen: Glauben wir ernsthaft, dass es ausreicht, gegen die Klimakatastrophe auf einer Demo von A nach B zu protestieren, Petitionen einzuleiten, das Bewusstsein der Regierungen zu "schärfen"? Können wir weiterhin andere Formen der Revolte ignorieren, die gleichzeitig unter der brutalen Gewalt des Staates leiden?

 

Können wir wirklich nur danach streben, etwas besser regiert zu werden?

 

Bestimmte Organisatoren der Klimamärsche vom vergangenen Herbst geben es jetzt zu: Sie haben es "versaut". Und sie befinden sich ein paar Tage später in einer Polizeizelle wie eine gewöhnliche „Gelbe Weste“. Politisch harmlos, um jeden Preis versucht, den vagen kleinsten gemeinsamen Nenner auf Kosten der strategischen Neubestimmung zu finden. Indem sie Listen mit Beschwerden für die Behörden erstellen, anstatt die Machtinstitutionen herauszufordern. Jetzt sagen uns auch die Öko - Kollektive, dass es an der Zeit ist, zu rebellieren.

 

Wir müssen unbedingt die gemeinschaftlichen Lebensweisen, die gegenseitige Hilfe und den Erfahrungsaustausch festigen. Wir müssen mit neuen Formen der Solidarität und Gastfreundschaft experimentieren. Und wir müssen uns um unsere Art und Weise kümmern, uns in Bezug zu dieser Welt zu stellen. Aber sind das nicht auch gleichzeitig Negationen des Diktats der Wirtschaft? Wie können wir als "Ökologen" nicht mit denen konfrontiert sein, die uns in ihrem Namen regieren wollen?

 

Es ist dringend geboten, Bündnisse gegen die Katastrophe zu schmieden, die derzeit mit Macron in Verbindung gebracht wird.

 

Wir laden Euch daher ein, an dem Treffen der Umweltorganisationen und „Gilets Jaunes“ teilzunehmen, das am Mittwoch, den 24. April, ab 19 Uhr im Théâtre de l'Echangeur in Bagnolet, Paris, stattfinden wird.

 

Es wurden außerdem Aufrufe für den Samstag, den 4. Mai, als Tag für die Wiederbesetzung der Kreisverkehre, Straßen und Plätze mit gleichzeitig stattfindenden „Gilets Jaunes“ Versammlungen veröffentlicht. Auch die Öko-Aktivisten sollten sich daran beteiligen.

 

Ein paar Öko - Gelbe.

 

Anmerkung. Dieser Text wurde am 16. April 2019 auf Lundi Matin veröffentlicht https://lundi.am/Gilets-jaunes-ecolos-qui-a-peur-de-ne-pas-etre-gouverne, die Übersetzung erfolgte in Anlehnung an die englischsprachige Version von Winter OAK https://winteroak.org.uk/2019/04/19/green-and-yellow-our-common-struggle...

 

 

 

 

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen