Karodiele, Von wegen Schließung!

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Karodiele, Von wegen Schließung

 

 

 

Zum ersten März 2019 sollte die Karodiele zwischen Karolinenviertel und Sternstraße erstmalig ab 23:30 geschlossen werden. Der Durchgang ist bis jetzt rund um die Uhr offen gewesen und bietet einen überdachten öffentlichen Raum, an welchem es in dieser Stadt offenkundig fehlt.

 

Anlässlich der Schließung hat in der Nacht vom 01. auf den 02. März eine „Party gegen Verdrängung“ in der Diele stattgefunden. Ungefähr eine Woche vorher waren Plakate und Graffitis mit dementsprechenden Aufrufen im Viertel aufgetaucht.

 

Karodiele, Von wegen Schließung

 

 

 

Zum ersten März 2019 sollte die Karodiele zwischen Karolinenviertel und Sternstraße erstmalig ab 23:30 geschlossen werden. Der Durchgang ist bis jetzt rund um die Uhr offen gewesen und bietet einen überdachten öffentlichen Raum, an welchem es in dieser Stadt offenkundig fehlt.

 

Anlässlich der Schließung hat in der Nacht vom 01. auf den 02. März eine „Party gegen Verdrängung“ in der Diele stattgefunden. Ungefähr eine Woche vorher waren Plakate und Graffitis mit dementsprechenden Aufrufen im Viertel aufgetaucht. Ein Text dazu war außerdem im Internet zu finden (https://de.indymedia.org/node/29276).

 

 

 

Schon am frühen Abend waren einige Menschen um die Passage herum verstreut. Nachdem sich die ersten Leute in der Passage gesammelt hatten kam schnell gute Stimmung auf, Menschen füllten den Raum mit eigenen mitgebrachten Ideen. Es wurde Bier, Musik und Konfetti mitgebracht, im Verlauf des Abends wurde Fußball, Tischtennis und später noch Federball gespielt. Ein Banner mit dem Vorschlag der Aufwertung und Verdrängung Sabotage und Revolte entgegenzusetzen wurde aufgehängt, sowie Flyer mit der Aufschrift „Sabotieren wir die Stadt der Reichen“ verteilt. Außerdem wurde gestickert und die neuen, abschließbaren Türen zur Karodiele bekamen direkt mal einen neuen Anstrich.

 

 

 

In der Party schwang nach der Empfindung verschiedener Menschen ein starkes Gefühl von Selbstorganisierung mit. Der Abend wurde zu dem was die Leute daraus machten ohne, dass jemand ein konkretes Programm o.ä. vorgegeben hatte.

 

Es war schön zu sehen, dass sich zum Thema Verdrängung mit einem konkreten Anhaltspunkt wie diesem so viele Menschen zusammenfanden und selbstorganisiert Antworten auf eine Politik der „Stadt der Reichen“ formulierten. Schade war es nur, dass viele der Jugendlichen, die sonst in der Diele abhängen, an diesem Abend eher draußen auf der Knust-Treppe anzutreffen waren, was wohl zum einen an der ziemlichen milden Nacht aber bestimmt auch am eher subkulturellen Charakter der Party lag.
Nachdem klar wurde, dass die für die Schließung Verantwortlichen an diesem Abend nicht auf Eskalation setzen würden sondern die Karodiele unter der Woche, wenn dort nicht mehr so viel los ist, abschließen würden, wurde sich verabredet am Montagabend wieder vor Ort zu sein um die Schließung zu verhindern.

 

Kämpfen wir weiterhin mit verschiedenen Mitteln dagegen an, dass diese Stadt sich in ein Paradies für die Reichen und einen Käfig für alle Anderen entwickelt. Lassen wir nicht zu, dass dieser Raum - und jeder andere, der Möglichkeiten für eine selbstbestimmte Nutzung bietet – uns genommen oder im Geiste von Yuppie-Stadtentwicklern wie der „steg Hamburg“ (Eigentümerin der Karodiele) umgestaltet wird. Erwarten wir nichts von den Regierenden und den Profiteur*innen der Verdrängung sondern nehmen wir die Sache in unsere eigenen Hände.

 

 

Karodiele für alle!

 

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Ergänzungen

Die Schließung der Karo-Diele hat mit Yuppies nix zu tun. Eher mit den Interessen von Kleingewerbetreibenden die sich dort eingemietet haben. Generell ist es ein guter und unterstützennswerter Ansatz gegen die Schließung vorzugehen. Altachtziger unser Viertel Yuppie-Bashing geht allerdings an den Ursachen vorbei und betreibt eher identitätspolitische Viertelromantik statt Widerstand gegen Vetreibung und Sicherheitswahn.

Letztlich war die Öffnung der Karodiele auch keine linksradikale Idee gewesen, sondern geht auf ein Stadtteilkonzept der Steg zur Aufstandsbekämpfung im Viertel aus den Neunziger Jahren zurück. Die Schanze und das Karoviertel sollten mit einem neuen stadtplanerischen Zentrum versehen werden um Anreize für die Gewerbeentwicklung zu schaffen und zu einer Aufwertung zu führen. Wir sollten das beim jetzigen Widerstand gegen Vertreibungsmaßnahmen nicht vergessen. Es geht nicht um eine offene Karodiele, sondern eine offene Stadt.

Luxus für Alle liegt mir da gesellschaftlich näher als ein ressentimentgelader Kampf gegen vermeintliche Reiche (wer soll das denn überhaupt genau sein?). Bei der Verdrängung von Drogenkonsument*innen oder rassistischen Stigmatisierung von Schwarzen als Dealern, tut sich leider allzuoft genau das sozial abgehängte Millieu als reaktionäre Nachbarschaft hervor.

Natürlich ist es richtig, diese Entwicklungen nicht als singuläre Momente, Events im Kontext einer eben immer mehr zu einer "Stadt der Reichen" umgebauten Stadt zu begreifen - und damit die Orte, an denen solche Dynamiken stattfinden, auch in ihrem quasi-historischen Kontext als das zu sehen, was sie sind. Uns fehlt häufig genau diese Einordnung, die zu einer präziseren Analyse der Situation führen kann.

Der Frage, wer "vermeintliche Reiche" seien ist natürlich die Frage, was denn "Luxus" überhaupt sei, entgegenzuhalten.

Einen Kampf gegen eine "Stadt der Reichen" betrachte ich weniger als den Vorschlag, undifferenziert Jagd auf Besserverdienende zu machen, sondern dem Streben, Städte zu reinen Orten des Konsums und des Funktionierens umzubauen eine gemeinsame, kämpferische Dynamik der Ausgeschlossenen und Unterdrückten gegen die Profiteure der Ausbeutung zu entfalten.

"Ressentimenthaft" werden Dinge dann, wenn unsere Praxis unsere notwendigerweise verkürzten Parolen nicht mit Leben füllen kann.