Gedenken an Johann "Rukeli" Trollmann in Marzahn

Am 09. Februar 2019 haben wir am Otto-Rosenberg-Platz eine Gedenkundgebung für den ermordeten Sinto und deutschen Boxmeister Johann „Rukeli“ Trollmann abgehalten. Die Gedenkkundgebung fand am Otto-Rosenberg-Platz statt, da dort das ehemalige Marzahner „Zigeuner Lager“ stand. Viele Freund*innen und Familienangehörige von Trollmann waren in diesem Lager inhaftiert und litten jahrelang unter dem strukturellen Antiziganismus des Naziregimes.

Johann Trollman wurde am 27. Dezember 1907 in der Hannover Altstadt Wilsche geboren, er war eines von insgesamt 9 Kindern. Schon früh entdeckte er seine Leidenschaft fürs Boxen – sein großes Vorbild war niemand anderes als Max Schmeeling. Trollmann bekam von Anfang an nicht genug vom Boxtraining und erzielte schnell große Fortschritte. Durch seinen tänzelnden Stil bekam er den Spitznamen „Rukeli“, was auf Sinto soviel wie „biegsames Bäumchen“ bedeutet.

Schon mit 21 wurde er deutscher Amateurmeister und die Presse bekam Wind vom ihm. Sie nannten ihn den  „Gipsy“, diesen Spitznamen nahm Trollmann leicht verändert an und  besetzte ihn positiv, in dem er ihn vorne auf seine Boxhose stickte, allerding „Gibsy“ mit „b“ statt „p“. Aus der Beleidung wurde so eine neu besetzte Eigenbezeichnung.

In den nächsten Jahren gewann er mehrere Kämpfe innerhalb Deutschlands. Im Jahr 1933 fand die deutsche Meisterschaft im Boxen in der Berliner Bockbrauerei statt, an der auch Rukeli teilnahm. Die ersten vier Runden waren beide Kämpfer in etwa gleich auf, doch in der letzten Runde erzielte Rukeli mehrere eindeutige Treffer und gewann den Kampf. Der Vorsitzende Georg Radam vom Verband deutscher Faustkämpfer (VDF), welcher vom NS-Regime kontrolliert wurde, war Teil des Publikums und bedrohte den Punkterichter, sodass dieser ein Unentschieden ausrief. Das Publikum war damit nicht zufrieden und machte solange Lärm und übte Druck aus bis Trollmann zum Sieger ernannt wurde. Leider wurde ihm dieser Titel schon eine Woche später wieder aberkannt.

Zur Zeit des Nationalsozialismus galt der „Faustkampfstil“ im Boxen als deutscher Stil. Die Gegner standen sich dabei gegenüber im bewegten sich kaum. Ausweichen galt als schwach und unmännlich. Um sich als „Deutscher“ zu behaupten aber auch um die Nazis zu karikieren stieg Trollmann im Juli 1933 noch ein mal mit weiß gepudertem Gesicht und blond gefärbten Haaren in den Ring und kämpfte im Faustkampfstil. Leider verlor er den Kampf, was seine Karriere als Boxer erst einmal beendete.

Im Jahr 1935 heiratete er Olga Frieda Bilda und wurde kurze Zeit später Vater seiner Tochter Rita. Zusammen mit seiner Kleinfamilie lebte er in Berlin. Mit verschiedenen Jobs hielt er sich und die Familie finanziell über Wasser. 1938 entschied Trollmann sich von seiner Frau scheiden zu lassen, um sie und Tochter Rita vor Verfolgung zu schützen. Schon während dieses Prozesses kehrte er zurück nach Hannover. Ein knappes Jahr später wurde er zur Wehrmacht eingezogen und war in Polen, Frankreich und an der Ostfront stationiert. Nach seiner Verwundung im Jahr 1941 kehrte er kurzzeitig nach Hause zurück. Als 1942 alle Sinti und Roma aufgrund erweiterter Rassengesetze aus der Wehrmacht ausgeschlossen wurden, deportierte das Nazi Regime Trollmann in ein „Gipsy Center“ in Hannover und misshandelte in brutal. Sie warfen ihm bestehende Fluchtgefahr vor und nahmen dies als Grund zur Deportation.

Im Oktober 1942 wurden er ins KZ Neuengamme verlegt wo er Zwangsarbeit verrichten musste. Ein ehemaliger Schiedsrichter und jetziger SS-Offizier erkannte Trollmann wieder und veranlasste ein nächtliches Boxtraining für alle SS-Männer. Die Männer wurden schnell besser und machten sich einen Spaß daraus Trollmann K.o. zu schlagen, der dafür zumeist extra Lebensmittel zugeteilt bekam.

Was danach passierte ist nur aus Erzählungen und einigen Schriftstücken bekannt aber nicht mit Sicherheit belegt: Das illegale Gefangenenkomitee verhalf Rukeli dazu die Identität eines Verstorbenen anzunehmen um ihn vor weiteren lebensbedrohlichen Kämpfen zu schützen und sorgte dafür das er ins KZ Wittenberge transportiert wurde. Dies geschah am 09.02.1943 – sein offizieller Todestag. In Wittenberge jedoch erkannte der viel gehasste Kapo Emil Cornelius Trollmann wieder und organisierte einen Kampf mit ihm. Trotz Mangelernährung und schwerer Arbeit gewann Rukeli diesen Kampf, was leider gleichzeitig sein Todesurteil bedeutete.

Bei einem Arbeitseinsatz außerhalb des KZ ließ Kapo Cornelius Trollmann so schwer arbeiten bis er vor Erschöpfung umfiel. Dann prügelte er ihn mit einem Knüppel zu Tode. Der Tod wurde als Unfall ausgelegt und Trollmann mit vielen anderen im KZ begraben.

Erst Jahre nach der Befreiung, klärte der Zeuge und Mithäftling Robert Landsberger, der das Konzentrationscamp überlebte , über die wirkliche Todesursache auf.

Im Jahr 2003 bekam Johann „Rukeli“ Trollmann rückblickend vom deutschen professionellen Boxverein sein Titel als deutsche Weltmeister anerkannt, was aber erst nach massiven öffentlichen Protesten geschah.


 

„Zigeunerrastplatz Marzahn“

Zu den Olympischen Spielen, die 1936 in Berlin stattfanden, wollte Hitler die Stadt „sauber“ präsentieren. Aus diesem Grund wurden, mit Hilfe des Beschlusses vom Runderlass am 5. Juni 1936 „Zur Bekämpfung der Zigeunerplage“, vor allem die nicht sesshaften Sinti und Roma zum „Rastplatz Marzahn“ am Rand von Berlin gebracht und mussten sich von da an dauerhaft dort aufhalten. Es war ihnen verboten den Platz zu verlassen, außer sie mussten Lebensmittel oder Feuerholz besorgen gehen. Dies wurde mit willkürlich um sich schlagenden Wärtern und bissigen Wachhunden durchgesetzt. Viele Freunde, aber auch Familienangehörige von Trollmann waren dort inhaftiert. Er besuchte sie regelmäßig und berichtete seiner Frau von den Geschehnissen. Von der Gesellschaft abgeschnitten bekamen viele Menschen im Marzahner Lager anfangs die zunehmend bedrohlicher werdende Lage gar nicht mit. Das änderte sich mit der Zeit als ein Großteil der Männer zur Wehrmacht eingezogen und alle Menschen ab 14 zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden. Nach und nach sind immer mehr Sinti und Roma aus Berlin in das Marzahner Lager gebracht worden, die Situation verschlechterte sich dadurch zunehmend. Es gab nur 3 Wasserstellen für durchschnittlich 600 Menschen und generell war das Wasser eher ungenießbar, da Marzahn zu dieser Zeit inmitten von Rieselfeldern und Jauchegruben lag. Durch die mangelnden Hygienezustände litten viele Insass*innen an teils lebensbedrohlichen Krankheiten. Den Kindern im Lager wurde es verboten zur nahe gelegenen Schule im Dorf zu gehen. Viele blieben deshalb Analphabet*innen. Alle Menschen im Lager waren verpflichtet sich selbst zu versorgen, dennoch wurden nur selten Lebensmittelmarken verteilt oder die Möglichkeit geboten sich Geld zu verdienen – dadurch war die Hungersnot extrem hoch.

Im Jahr 1943 wurde die meisten Insass*innen ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Insgesamt waren von 1936 an knapp 2000 Menschen im  „Zigeunerrastplatz Marzahn“ inhaftiert.

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