Der Beschluss vom Samstag schreit danach, dass wir weiterkämpfen

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Am Tisch fehlte das Klima. Das verhandelt nicht. Die Klimaphysik macht keine Kompromisse. Hätte unser Klima den Kohleausstieg-Beschluss bestimmt, gäbe es ein Ergebnis, das helfen würde, die Erderhitzung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen. Das ist die Schwelle, ab der die Klimakrise unbeherrschbar wird.
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Verhandlungen bis tief in die Nacht. Gepoker. Am Ende gibt und gewinnt jeder was. So kennt man Tarifverhandlungen. Und so lief es auch in der Nacht auf Samstag bei der Endrunde der Kohlekommission. 

 

Nur: Am Tisch fehlte jemand Entscheidendes – das Klima. Das verhandelt nicht. Die Klimaphysik macht keine Kompromisse. Hätte unser Klima den Beschluss bestimmt, gäbe es ein Ergebnis, das helfen würde, die Erderhitzung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen. Das ist die Schwelle, ab der die Klimakrise unbeherrschbar wird.

 

Verhindern, dass die Welt über 1,5 Grad fiebert – wenn das die Messlatte ist, dann hat die Kohlekommission unglaublich versagt:

 

  • Bis 2022 werden jetzt 7 Gigawatt an Kohlekraftwerken zusätzlich abgeschaltet.[1] Das ist ein Anfang. Aber es reicht nicht, um endlich das Klimaziel für 2020 zu erreichen – minus 40 Prozent CO2 im Vergleich zu 1990. Dafür wäre mehr als das Doppelte, 16 Gigawatt, nötig gewesen, wie wir es mit den Umweltverbänden gefordert hatten.[2] Jetzt wird das Klimaziel erst 2025 erfüllt.[3] Wenn es gut läuft. Wie dann das nächste Ziel – minus 55 Prozent bis 2030 – in nur fünf Jahren erreicht werden soll? Das bleibt das Geheimnis der Kommission.
  • Wie schnell nach 2022 abgeschaltet werden soll, ist bis 2030 vage. Diese wichtige Entscheidung hat die Kommission verschoben. Fest vereinbart ist hingegen schon jetzt: Dass zwei Milliarden Euro pro Jahr an Strukturhilfen in die Kohleregionen fließen [4] – egal, wie schnell abgeschaltet wird.
  • Besonders bitter: Bis 2038 – also noch 19 Jahre – sollen Kohlekraftwerke weiterlaufen. Dabei ist schon mit unserer Forderung, bis 2030 aus der Kohle auszusteigen, das 1,5-Grad-Ziel nur gerade so noch zu erreichen.[5] 

 

Das sind die sehr dunklen Schattenseiten des Beschlusses. Aber es gibt auch hoffnungsvolle Seiten. Zehn Jahre lang hat die Bundesregierung den Klimaschutz verschleppt. Die CO2-Emissionen waren wie zementiert. Die Kohlelobby hatte das Land fest im Griff. Ein Ausstieg? Politisch undenkbar. Damit ist seit Samstag Schluss: Der Kohleausstieg hat begonnen, so unzureichend er auch ist. 

 

Und immerhin: Der Einstieg in den Ausstieg ist geschafft. Durch den Beschluss werden 7 von 42 Gigawatt an Kraftwerken bis 2022 abgeschaltet.[1] Zudem geht das Steinkohlekraftwerk Datteln mit einem Gigawatt nicht wie geplant ans Netz.[6] Zusammen ist das ein Fünftel der Kraftwerkskapazitäten. Mit einer erfreulichen Folge: Der Hambacher Wald, Symbol des Widerstands gegen die Kohle, soll stehen bleiben.[6]

 

Auch international ist das Signal sehr wichtig: Deutschland beginnt endlich den Ausstieg. Denn die schöne Story von der großen Wirtschaftsnation, die komplett auf Erneuerbare Energien umsteigen will, hatte in den letzten Jahren gelitten. Soviel Sonnen- und Windenergie auch zugebaut wurde – die CO2-Emissionen blieben konstant. Stattdessen exportieren wir dreckigen Kohlestrom in unsere Nachbarländer.[7] Das wird jetzt weniger, die CO2-Emissionen werden sinken. Die Geschichte der Energiewende kann international wieder Strahlkraft entwickeln und Nachahmer inspirieren.  

 

Zu verdanken ist das – uns allen! Den 50.000 Menschen, die im Oktober am Hambacher Wald demonstrierten. Den Baumhausbewohner/innen, die sich wochenlang der Räumung durch die Polizei widersetzten. Den Tausenden Aktivist/innen von Ende Gelände, die die Kohlebahnen von Hambach gewaltfrei besetzten. Und den Zehntausenden Schüler/innen, die in den vergangenen Wochen für konsequenten Klimaschutz die Schule bestreikten. Es ist „ein Sieg der Demonstranten“, wie die ZEIT schreibt.[8] 

 

Doch dieser Sieg kann schnell zur Niederlage werden. Wenn der Kommissionsvorsitzende Roland Pofalla (CDU) Recht behält und das Ergebnis „zu einer Befriedung des gesellschaftlichen Konflikts um die Kohleverstromung beiträgt“.[9] Wenn das Ergebnis unsere Bewegung einschläfert, uns wieder auf die bequeme Couch zurückbringt, dann hat das Klima wirklich verloren. Und die Kohlelobby macht fein Kasse.

 

Der Beschluss vom Samstag schreit danach, dass wir weiterkämpfen. Und dafür sorgen, dass an den vielen vagen und uneindeutigen Stellen des Beschlusses die Weichen Richtung Klimaschutz gestellt werden. Wo genau? Hier:

 

  • In den nächsten Monaten müssen wir den Einstieg in den Ausstieg sichern. Dafür, dass wirklich 7 Gigawatt vom Netz gehen, muss der Abschlussbericht der Kommission in ein Gesetz überführt werden. Der Kohlekonzern RWE hat den Bericht bereits kritisiert und glaubt nicht, dass der Hambacher Wald erhalten bleiben könne.[10] Wir müssen verhindern, dass die Kohlelobby hier noch reingrätscht – und den Beschluss verwässert.
  • Dann geht es ums Klimaschutzgesetz, das die Große Koalition noch in diesem Jahr beschließt, und mit dem sie das Klimaziel 2030 erreichen will. Wenn schon die Kohle so wenig CO2-Einsparung liefert, müssen andere Bereiche endlich auch was fürs Klima tun: Mobilität, Wärmeerzeugung, Landwirtschaft. Besonders beim Verkehr müssen wir ran – da steigen die CO2-Emissionen sogar. Unser erster Fokus: Die dicken Spritschleudern, die übergroßen SUV-Geländewagen müssen runter von den Straßen.
  • Dann geht es in zwei Jahren bei der Kohle wieder zur Sache: Eine neue Bundesregierung muss entscheiden, wie viele Kraftwerke in der Zeit zwischen 2023 und 2025 vom Netz gehen. Das, worauf die Kohlekommission sich nicht einigen konnte. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Grünen an dieser Regierung beteiligt sind. Sie müssen zur Koalitionsbedingung machen, dass Meiler für Meiler abgeschaltet und der Ausstieg massiv beschleunigt wird. 

 

„Ich will, dass ihr in Panik geratet“, denn „unser Haus brennt“. „Die Lösung ist so einfach, dass ein kleines Kind sie verstehen kann: Wir müssen den Ausstoß von CO2 stoppen.“[11] So klar und eindringlich formuliert die 16-jährige schwedische Schülerin Greta Thunberg die Dramatik der Klimakrise – und motiviert damit Zehntausende Schüler/innen, mit einem Klimastreik für ihre Zukunft einzutreten.[12]

 

Diese Klarheit und dieser Mut zu auch unbequemen Aktionen muss uns Vorbild sein, wenn wir die nächsten Auseinandersetzungen um den Klimaschutz gewinnen wollen. Wir haben gesehen: Selbst große und eindrucksvolle Proteste wie im letzten Herbst bringen nur langsamen Fortschritt. Aber ohne uns passiert gar nichts. Deswegen dürfen wir jetzt nicht nachlassen. Wir setzen auf Sie, dass Sie weiter mit uns für ernsthaften Klimaschutz kämpfen, der der Klimakrise endlich gerecht wird.

 

Und wir haben noch eine Bitte an Sie: Viele Menschen fragen sich, was der Beschluss der Kohlekommission jetzt für die Klimabewegung bedeutet. Wir haben daher unsere Analyse in unseren Campact-Blog gestellt. Weisen Sie doch bitte Freund/innen und Bekannte per Mail, Facebook oder Twitter darauf hin. 

 

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Mit trotz allem weiter hoffnungsvollen Grüßen

Ihr Christoph Bautz, Campact-Vorstand

[1] "Deutschland soll bis spätestens 2038 aus der Kohle aussteigen", Spiegel Online, 26. Januar 2019
[2] "Erste Kraftwerke sollen bis 2022 vom Netz", Tagesspiegel, 16. November 2018
[3] "Kohlekonsens zeigt, wie sich Großkonflikte gesellschaftlich lösen lassen", Dr. Patrick Graichen, Agora Energiewende, 26. Januar 2019 
[4] "Kommission schlägt Kohleausstieg bis 2038 vor", rbb, 26. Januar 2019
[5] "Science based coal phase-out pathway for Germany in line with the Paris Agreement 1.5°C warming limit", Climate Analytics, Oktober 2018
[6] "Was die Einigung der Kohlekommission bedeutet", Tagesspiegel, 26. Januar 2019
[7] "Stromerzeugung erneuerbar und konventionell", Umweltbundesamt, 18. Dezember 2018
[8] "Der Einstieg in den Ausstieg beginnt", Zeit Online, 26. Januar 2019
[9] "Eine Sternstunde für unser politisches System", rbb, 26. Januar 2019
[10] "Kommissionsvorschläge würden gravierende Folgen für das Braunkohlegeschäft von RWE haben", Presseinformation der RWE AG, 26. Januar 2019
[11] "Alle sollen die Angst spüren, die ich selbst jeden Tag spüre", Spiegel Online, 25. Januar 2019
[12] "Irgendwer muss es ja tun", taz, 23. Januar 2019

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